Gut möglich, dass es bald still wird. Wenn die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) ab April 2013 ihre Tarifreform in die Tat umsetzt, wird's eng für Diskothekenbetreiber, Festwirte und Vereinskassiere. Geringere Gebühren für die kleinen, höhere für die größeren Veranstalter – das war der Plan. Doch nun geht auch im Raum Marktheidenfeld die Angst vor deutlich steigenden Abgaben um.
Julia Steffen graut es vor dem, was kommt. „Da müssen alle auf die Barrikaden; das betrifft jeden“, wettert sie. Momentan weiß sie nicht, wie es mit ihrer Diskothek „Meteor“ in Lengfurt im nächsten Jahr weitergehen wird. „Jetzt kommt es darauf an, wie groß das finanzielle Polster der einzelnen Diskotheken ist. Gewinne wird mit der Neuregelung niemand mehr machen.“
In einer Arbeitsgruppe des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes hat sie mit Gastronomie-Kollegen ein Rechenbeispiel aufgestellt: Eine Diskothek hat 120 Quadratmeter Fläche. Dreimal die Woche kann man dort das Tanzbein schwingen, jeweils von 22 bis 5 Uhr. Eintritt: 6 Euro. Bisher musste diese Disco 6722,94 Euro abdrücken. Künftig werden es 40 060,80 Euro sein – beinahe das Sechsfache. Auch wenn sich diese Rechnung ungefähr mit den Zahlen des „Meteors“ deckt – genau sagen, was auf sie zukommt, kann Steffen nicht. Sie tappt im Dunkeln.
„Keine Information, kein Anruf, nix.“ Das beklagt „Mäx“ Tauberschmitt vom „Felsenkeller“. Die GEMA ist ihm ein rotes Tuch. Wird an seinem Tresen mal das Thema laut, hat er einen einfachen Vergleich parat. „Stellt euch vor“, sagt er dann zu seinen Gästen, „es gäbe nur einen Anbieter für Handyverträge. Jahrelang telefonieren manche Leute 24 Stunden am Tag und zahlen dafür einen Spottpreis. Ihr aber seid Wenig-Telefonierer. Eines Tages kommt der Handyanbieter an und sagt: Weil wir von den Quasselstrippen immer zu wenig verlangt haben, müssen jetzt alle das Zehnfache zahlen. Auch ihr Wenig-Telefonierer.“
Wie viel Tauberschmitt im kommenden Jahr für seinen „Felsenkeller“ hinlegen muss, weiß er nicht. Von der GEMA kam bisher keine Auskunft. Kalkulieren kann er also nicht; eines aber ist für ihn klar: „Das Bier wird bei mir keine sechs Euro kosten.“ Auf die Getränkepreise oder Eintrittsgelder sind die Gebühren nicht in dem Maß umzulegen. Bleibt nur das Gebührenpflichtige selbst: die Musik. Und gerade da sieht Tauberschmitt dunkle Zeiten kommen.
Viele Fragen an die GEMA
Ab und zu hat er wenig bekannteren Jugendbands in seinem Musikclub die Möglichkeit gegeben, Bühnenerfahrung zu sammeln. „Da waren ein paar Jungs auf der Bühne gestanden und haben ihre Gitarrensongs gespielt“, sagt er, steht auf und imitiert eine Luftgitarre. „Wenn's gut lief, hatten sie mal zehn, 15 Kumpels dabei. Die haben jeder zwei Cola getrunken und das war's.“ Bisher waren solche Aktionen drin. „Wenn jetzt für einen solchen Abend ein Batzen GEMA anfällt, muss ich den jungen Künstlern leider sagen: Geht nicht mehr. So leid es mir tut.“ „Mäx“ Tauberschmitt hat viele Fragen an die GEMA.
Wie kontrolliert ihr, was die Veranstalter angeben? Wie könnt ihr einfach so dermaßen hohe Gebühren verlangen? Wie genau errechnet ihr die Preise? Warum sagt mir als Gastronom keiner Bescheid? Wieso haben die großen Veranstalter angeblich jahrelang zu wenig gezahlt – und keiner hat's gemerkt? Warum habt ihr diese Monopolstellung? Fragen, die ihm wohl keiner beantworten wird. Alles was er über die Neuregelungen weiß, weiß er aus der Presse. Eine Benachrichtigung der GEMA: Fehlanzeige.
Infos kamen auch nicht im „Lichtspielhaus“ an. Bisher, so der Betreiber Sascha Beeger, hatte er einen Vertrag mit einem Vertreter der GEMA ausgehandelt. „Mit dem sind wir ganz gut gefahren“, so Beeger. Was jetzt kommt, weiß er nicht. Vor allem sorgt er sich, wie Tauberschmitt und Steffen, um sein Personal. „Es geht ja nicht nur um meinen Job; da hängen ja zig Leute mit drin.“ Vom Getränkelieferanten bis zur Putzfrau: Die GEMA wird für sie alle ein Thema.
Doch nicht nur Diskothekenbetreiber bangen. Unzählige Sportvereine veranstalten Open-Airs, Vereinsheim-Partys oder Weihnachtsfeiern. So auch der SV Altfeld. „Bisher hat unser Sommer-Open-Air um die 250 Euro an GEMA-Gebühren gekostet“, sagt SV-Vorsitzender Helmut Adam. Künftig wird der Sportverein wohl mit dem Vierfachen zur Kasse gebeten, vermutet er. Auch die Weihnachtsfeiern oder Kabarettveranstaltungen, die der Sportverein regelmäßig organisiert, werden mehr kosten.
Wie die entstehenden Kosten abgefangen werden sollen, weiß Adam noch nicht. „Irgendwie wird das schon gehen.“ Viel größere Sorgen bereitet ihm die 50-Jahr-Feier 2014. Dann möchte der Verein mehrere Bands an einem Tag spielen lassen: „Da kommen wir auf Beträge, die sicher nicht mehr so einfach zu verkraften sind“, sagt Adam. Die Frage, die er sich stellt: Es hieß, die Kleinen sollen weniger zahlen – warum zahlt der SV Altfeld dann mehr?
Unberechtigte Sorgen
Nach Ansicht der GEMA sind viele Sorgen der Musikveranstalter nicht berechtigt. Die neue Tarifstruktur werde dafür sorgen, dass die Gebühren für viele Vereine niedriger ausfallen, prophezeit GEMA-Sprecher Peter Hempel (München). Das liege daran, dass kleine Veranstaltungen tatsächlich günstiger wegkämen.
Darüber hinaus sei die GEMA dabei, mit Dachverbänden von Vereinen, Wirten und Hoteliers Gesamtverträge auszuhandeln, die den Mitgliedern Sonderkonditionen ermöglichen, zum Beispiel für „Brauchtumsveranstaltungen“ wie zur Fastnacht. Teurer werde es dagegen für Diskotheken und Clubs, die bislang pauschal abgerechnet haben. Sie müssten künftig je nach Raumgröße und Eintrittsgeldern Gebühren für ihre Veranstaltungen berappen. Aber selbst in diesen Fällen, so Hempel, werde die GEMA-Gebühr nie mehr als zehn Prozent der Eintrittsgelder betragen.
Der Sprecher empfiehlt daher allen Veranstaltern, die es genau wissen wollen, sich entweder bei ihrem Dachverband zu erkundigen oder sich von der GEMA-Bezirksdirektion in Nürnberg ausrechnen zu lassen, was genau auf sie zukommt. Allerdings liegt die neue Tarifstruktur noch beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Prüfung. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.
Die Unsicherheit, die zurzeit wegen des neuen Tarifwerks besteht, fasst „Mäx“ Tauberschmitt so zusammen: „Immer wenn im Briefkasten Post von der GEMA liegt, sackt einem das Herz in die Hose.“
Wer ist die GEMA?
Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) wurde bereits 1903 gegründet. Sie vertritt die Nutzungsrechte ihrer Mitglieder – das heißt von Komponisten, Textern und Musik-Verlegern, die ihre Rechte als Urheber von Musikstücken geltend machen wollen.
In Deutschland hat die GEMA 64 000 Mitglieder. Zudem vertritt sie über Verträge mit ausländischen Verwertungsgesellschaften auch die Rechte von mehr als zwei Millionen ausländischen Berechtigten, wenn deren Werke in Deutschland verkauft oder gespielt werden.
Für alle Verwertungen von Musik, also für den Verkauf von CDs oder Musikdownloads, aber auch von Radiosendern, Diskothekenbesitzern und Festveranstaltern für das Abspielen von Musik nimmt die GEMA Geld. Nach eigenen Angaben macht die GEMA keinen Gewinn.
Alle Einnahmen – abzüglich der Verwaltungskosten – werden an die Urheber ausgeschüttet, deren Werke genutzt wurden. Laut Geschäftsbericht betrug der Ertrag im Jahr 2010 rund 863 Millionen Euro, 22 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. TEXT: JOGI