Während der Corona-Pandemie muss vieles virtuell gehen statt live vor Ort. Das Honky-Tonk-Kneipenfestival gehört nicht dazu. Der Veranstalter, die Agentur L19 GmbH aus Schweinfurt, hat das Festival 2021 in Lohr deshalb wie bereits im Vorjahr absagen müssen. Für nächstes Jahr gibt es nach Angaben von Geschäftsführer Ralf Hofmann bereits einen neuen Termin: 26. März 2022.
Hofmanns Agentur bietet zwar auch digitale Events an, aber das Honky-Tonk sei eine "völlig andere Baustelle", meinte er im Gespräch mit dieser Redaktion. Das Festival bedeute "Livemusik in vollen Kneipen, dass du deinem Vordermann Bier über den Rücken kippst und auch Leute triffst, die du gar nicht treffen wolltest". Das gehe virtuell nicht.
Einen Termin für die zweite Märzhälfte – seit 2003 Zeitraum für das Festival in Lohr – hat er für 2021 wegen der Corona-Lage gar nicht erst ins Auge gefasst: "Kein Veranstalter kann es sich leisten, ins Blaue hinein zu planen." Auch bestimmte Künstler oder Gruppen hatte er für Lohr nicht im Blick.
An Künstlern scheitert es nicht
Mit vielen Künstlern hält Hofmann Kontakt, aber nicht mit allen, "das ist gar nicht machbar". Eine ganze Reihe von ihnen habe mittlerweile andere Jobs, weil sie nicht auftreten können. "Ich hoffe, sie kehren nach der Krise zurück." Aber an den Künstlern werde die Neuauflage des Festivals nach der Pandemie nicht scheitern.
Mehr Sorgen macht sich Hofmann darum, "ob dann die Gastronomie noch da ist". In Lohr wurden jeweils 1800 bis 2000 Eintrittsbändchen "je nach Wetterlage" bei jedem Festival abgesetzt. An Lohr schätzt der Agentur-Geschäftsführer das "treue Stammpublikum" und die "harmonische, fast schon familiäre Atmosphäre", die sich entwickelt habe.
In der Lohrer Gastronomie war die Honky-Tonk-Absage nach den Worten von Wirtesprecherin Margitta Gottschalk praktisch kein Thema. Die Zahl der teilnehmenden Wirte sei in den vergangenen Jahren zurückgegangen, aus dem Festival sei ihrer persönlichen Einschätzung nach "ziemlich die Luft 'raus". Am Anfang sei Honky Tonk aber "der Renner" gewesen.
Die Absage war laut Gottschalk auch deshalb kein Thema, "da wir ohnehin nicht aufmachen dürfen". Und selbst bei offenen Gaststätten wäre Honky Tonk keine große Hilfe gewesen. Einige Kneipen, nicht alle, seien dann rappelvoll, und es falle schwer, Getränke und Essen zu den Gästen zu bringen.
Was will der Gast?
Zudem glaubt die Schönbrunnen-Wirtin, dass die Leute nach dem Ende der Krise lieber ruhig in den Gaststätten sitzen, etwas trinken und sich unterhalten wollen, als stundenlang in vollen Räumen zu stehen und Livemusik zu hören. Vor Pfingsten werde die Innengastronomie wohl nicht aufmachen dürfen, befürchtet sie. Die Außengastronomie sei wegen des Verkaufs der Eintrittsbändchen für die Veranstalter aber uninteressant.
"Wir bedauern die Absage des Festivals sehr, müssen aber akzeptieren, dass aufgrund der aktuellen Situation solche Veranstaltungen nicht stattfinden können", sagte Rathaussprecher Dieter Daus auf Anfrage. Die Corona-Krise bringe nicht nur, aber auch Leben und Pläne junger Menschen komplett durcheinander. Sie sorgten sich um Bildung und Ausbildung, weil Schule oder Studium meist nur online möglich seien.
Gerade das Treffen mit Freunden und weitere Aktivitäten in der Freizeit, wie beispielsweise ein gemeinsamer Besuch des Honky-Tonk-Festivals, seien derzeit massiv eingeschränkt beziehungsweise nicht möglich. Diese Phase ziehe sich leider schon seit mehr als einem Jahr hin, so der geschäftsleitende Beamte. Aus diesem Grund werde die Situation auch an jungen Menschen nicht spurlos vorübergehen. Junge Menschen brauchten eine Perspektive, die zurzeit nur stark eingeschränkt vorhanden sei.
"Die Absage des Festivals ist sehr schade, gerade weil Kultur und Gastronomie so leiden", meinte Lohrs Kulturamtsleiter und Stadthallenmanager Thomas Funck. Wenn man sich die Zahlen der Corona-Pandemie ansehe, komme sie aber nicht unbedingt überraschend. Funck: "Wir haben damit gerechnet."
Das Festival habe jedes Jahr viele Menschen nach Lohr gezogen, die es sehr schön gefunden hätten. Die Absage sei "schon ein Schlag". Mit Ralf Hofmann stehe er in Kontakt. Für 2022 seien gleich zwei Termine optioniert worden, weil damit zu rechnen sei, dass in den kommenden beiden Jahren die Veranstaltungen stark zunehmen und die Verfügbarkeit von Künstlern im Gegenzug sinkt.
Positiv gestimmt für 2022
An der Stadt werde eine Neuauflage von Honky Tonk in Lohr nicht scheitern, auch Ralf Hofmann sei "sehr positiv gestimmt", betonte Funck. Das städtische Kulturamt war mit dem Kafé Klinker in der Stadthalle und der alten Turnhalle an Honky Tonk beteiligt. Konkrete Künstlerwünsche für die beiden Spielorte habe es für dieses Jahr nicht gegeben, so Funck, die letzte Auswahl treffe ohnehin die Agentur.
Grundsätzlich glaubt Funck nicht daran, dass es in diesem Jahr noch Veranstaltungen mit 700 Zuhörern in der Stadthalle geben wird – wenn möglich, aber Auftritte vor kleinerem Publikum.