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Lohr
"Stille" Ehrenämter sichtbarer machen
Die Landtagsabgeordnete Gabi Schmidt ist die bayerische Ehrenamtsbeauftragte. 
Foto: Thomas Josef Möhler | Die Landtagsabgeordnete Gabi Schmidt ist die bayerische Ehrenamtsbeauftragte. 
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 19.10.2024 02:34 Uhr

Das ehrenamtliche Engagement in Selbsthilfegruppen verläuft meist im Stillen und findet in der Öffentlichkeit wenig Beachtung. Das soll sich im Landkreis Main-Spessart durch das Projekt "Selbsthilfe in Aktion" ändern. Die bayerische Ehrenamtsbeauftragte Gabi Schmidt informierte sich dieser Tage bei einem Treffen von Selbsthilfegruppen in der Lohrer Rettungswache.

Viele Ehrenämter seien nicht sichtbar, bedauerte die FW-Landtagsabgeordnete aus Neustadt/Aisch. Main-Spessart sei einer der wenigen Kreise in Bayern, der sich um eine Sichtbarmachung bemühe. 40 Prozent der Bevölkerung litten unter einer chronischen Erkrankung oder seien davon bedroht. "Das macht ihr Ehrenamt so besonders", betonte Schmidt.

Sie bewundere, dass sich Betroffene in Situationen, "die einen persönlich an die Grenzen bringen", in den Gruppen noch ehrenamtlich engagierten. Das Problem sei die große Bandbreite der Selbsthilfegruppen. Oft fühle sich niemand für sie zuständig. Deshalb gebe es ihr Amt als Ehrenamtsbeauftragte der Staatsregierung.

2800 Personen im Kreis

Beim Stichwort Ehrenamt dächten viele an Blaulicht und Sportvereine, meinte der Rotkreuz-Kreisgeschäftsführer Thomas Schlott. Doch das sei zu kurz gegriffen. In Bayern gebe es über 200.000 ehrenamtlich Engagierte, im Landkreis Main-Spessart rund 2800.

Selbsthilfegruppen und ihre Ehrenamtlichen seien eine "wichtige Säule des Gesundheitssystems". Wenn man das, was sie leisteten, hauptamtlich abdecken wollte, "wäre es nicht zu bezahlen". Das Projekt "Selbsthilfe in Aktion" will nach Schlotts Worten Themen der Gruppen in die Öffentlichkeit transportieren.

Einer der Initiatoren ist der frühere Gössenheimer Bürgermeister Manfred Marold. Nach seinen Worten werden "neue Formate und Arbeitsformen gebraucht". Bislang hätten sich die Selbsthilfegruppen isoliert von den anderen entwickelt. Eine Vernetzung habe es nicht gegeben.

Das neue Gremium solle das Gesicht der Selbsthilfegruppen nach außen sein und sie gegenüber den Verantwortlichen in der Politik und anderen Bereichen vertreten. Die Aktion sei sozusagen "eine Gruppe für die Gruppen". Zu den Treffen würden alle Gruppen eingeladen, bei Beschlüssen gelte das Konsensprinzip.

Anlaufstelle ist laut Marold das von Simone Hoffmann geleitete Selbsthilfebüro des Roten Kreuzes in Gemünden. Das Büro ist seit dem Jahr 2000 die zentrale Koordinierungsstelle rund um das Thema Selbsthilfe. Gruppen gibt es derzeit rund 60 im Kreis.

Schlummernde Kraft

Die Selbsthilfegruppen seien eine "Kraft im Kreis, die noch etwas schlummert", meinte der stellvertretende Landrat Manfred Goldkuhle. Die stillen Ehrenämter seien genauso wichtig wie die anderen, die leichter auf sich aufmerksam machen könnten. An dieser ehrenamtlichen Tätigkeit könne man bei allem Leid noch Freude finden.

Bei der Vorstellung der anwesenden rund 25 Gruppenvertreter wurden nicht nur die breite Vielfalt der Selbsthilfe im Kreis deutlich, sondern auch ihre Probleme. Viele Gruppen leiden unter Überalterung und Nachwuchssorgen. "Die Jüngeren kommen nicht mehr in die Gruppen", berichtete ein Betroffener.

Junge leider unter Einsamkeit

Nur wenn einer den Anfang mache, werde es langsam besser. "Wir hätten einen großen Erfahrungsschatz weiterzugeben, aber er wird nicht angenommen", sagte ein anderer. Gerade junge Menschen litten unter Einsamkeit, weil sie sich nur online vernetzten, erklärte eine Frau. Ihnen fehle das offene Ohr und die Aussprache in den Gruppen, wodurch die emotionale Ebene ausgeblendet werde.

Ein weiteres Problem ist nach den Worten von Thomas Schlott die vor allem im ländlichen Raum nach wie vor vorhandene Zurückhaltung, sich zu einer Krankheit zu bekennen. "Die Scham ist manchmal sehr groß", bestätigte eine Betroffene. Laut Schlott ist das Engagement in einer Selbsthilfegruppe kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke.

Wie überall im Gesundheitswesen spielt auch bei Selbsthilfegruppen das fehlende Geld eine Rolle. Nach Angaben von Simone Hoffmann unterstützen beispielsweise die Kassen keine Angehörigengruppen. Geforderte Eigenbeteiligungen und bürokratische Antragsverfahren machen den Gruppen das Leben schwer.

Mit Bürokratie zugeschüttet

Ein großer Fehler, findet Rotkreuz-Geschäftsführer Schlott: "Selbsthilfe spart Geld im Gesundheitswesen. Sie braucht eine sichere finanzielle Basis. Die Gruppen engagieren sich mit Leidenschaft und werden mit Bürokratie zugeschüttet." Zum Abschluss zeigte sich Susanne Reuber, Leiterin der Freiwilligenagentur im Kreis, "total beeindruckt, was sich hier an ehrenamtlichem Engagement versammelt hat".

 
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