Kino in Lohr: die Jugend brennt darauf. Kino in Lohr: ein Dauerthema. Kinderfilme im Jugendzentrum: okay. Kinofilme in der Stadthalle: Zukunftsmusik. Kinobaupläne: Schnee von gestern, gescheitert. Das Filmforum der Volkshochschule: eingestellt – aus Kostengründen, wie am 13. Januar mitgeteilt wurde. Lohr ohne Kino? „Das kann's nicht gewesen sein,“ sagte sich Richard Winter, der bei der letzten Vorführung von „Lost in Translation“ im Alten Rathaus dabei war. Das war die Initialzündung für das „Stattkino im Kulturkeller“.
Das Projekt ist ein Joint Venture: Die Wirtsbrüder Matthias und Michael Mehling stellen den Keller ihres Weinhauses zur Verfügung, der mit Leinwand und Technik ausgestattet ist und sich bei Vorführungen des VHS-Filmforums schon bewährt hat. Das Programm gestaltet ein Trio ausgesprochener Cineasten: Richard Winter und seine Frau Renate Wirth-Winter sowie Bernhard Münzel, Karlstadter mit Wurzeln in Lohr.
Richard Winter ist vorbelastet: Sein Vater Otto Winter hatte von 1929 bis 1965 das zweite Lohrer Kino betrieben, das „Loli“, wie das Lohrer Lichtspieltheater in der Lohrtorstraße genannt wurde. Später übernahm er auch noch die Bavaria Lichtspiele in der Stadtmühlgasse, direkt hinter dem Bayerischen Hof. Im ehemaligen Tanzsaal dieses Gasthauses war das erste Lohrer Lichtspielhaus, das Union-Kino (1913 bis in die 1920er Jahre) beheimatet gewesen.
Winter wuchs quasi im Kino und mit Filmen auf. 1969 übernahm er den Betrieb des Bavaria von seinem Vater, erst mit seiner Schwester, dann alleine. In den 1980ern übergab er es an Thomas Wirth, den Bruder seiner Frau, die er 1981 heiratete – eine kein bisschen weniger enthusiastische Cineastin. Zwar widmeten sich beide ihren Ausbildungsberufen – der studierte Volkswirtschafter wurde Steuerberater und landete später in führender Position bei Indramat, seine Frau unterrichtet bis heute im Würzburger Deutschhaus-Gymnasium.
Nebenbei aber betrieben sie noch das erste Programmkino in der hiesigen Provinz, in Erlenbach am Main (ab 1979), zeitweise auch in Klingenberg. Kein Wunder also, dass auch die drei Kinder Katharina, Sabrina und Claudio als Filmemacher in der Branche gelandet sind.
„Wir sind eigentlich ständig im Kino“, macht Renate Wirth-Winter (63) deutlich. Ob bei der Berlinale, in Cannes oder Paris, in Würzburg oder Hof – sie lieben anspruchsvolle Filme und wagen als Privatinitiative nach mehrjähriger Betreiber-Abstinenz das Stattkino. Schoppen statt Cola, heißt die Devise in Mehlings Kulturkeller, Weinecken statt Popcorn.
75 Sitzplätze dürften „für Lohr ausreichend“ sein, so die Partner. Die Leinwand misst exakt 4,06 auf 2,28 Meter, ergänzt Matthias Mehling. „Natürlich freue ich mich, Leute im Haus zu haben – auch solche, die noch nicht hier waren“, spricht der 48-jährige Weinwirt für sich und seinen Bruder. Doch wolle er vor allem seinen Beitrag dazu leisten, „dass in der Stadt was los ist“.
Acht Filmabende sind vorerst terminiert. „Bewegende, packende und vergnügliche Filme“ haben die Filmfreunde ausgesucht, Streifen, die sich Richard Winter „gerne auch ein zweites oder drittes Mal“ anschaut. Es ist ein Test, ein Versuchsballon unter „erschwerten Bedingungen zwischen Pfingst- und Sommerferien mit – hoffentlich – Biergartenwetter und Europameistschaft“, wie der 67-Jährige auf der Stattkino-Homepage ausführt. „Wenn's gut geht, machen wir im September weiter.“
Drei der acht Filme werden bei der jeweils ersten von zwei Vorstellungen in Originalfassung mit Untertiteln gezeigt. Die Eintrittspreise werden mit fünf Euro (ermäßigt vier Euro) „wohl erschwinglich sein“, meinen die Beteiligten und hoffen „auf ein reges Interesse“.
ONLINE-TIPP
Das komplette Programm mit Kurzcharakteristiken der gezeigten Filme unter www.stattkino-lohr.de
Stattkino im Kulturkeller – Konzept und Programm
Am 1. Juni ist Premiere des Stattkinos im Kulturkeller des Weinhauses Mehling. Kinoabend ist jeweils mittwochs. Bei ersten Vorstellungen um 18 Uhr wird bei fremdsprachigen Filmen* jeweils das Original mit Untertitel gezeigt, um 20.30 Uhr dann die deutsche Synchron-Fassung. Nach der ersten Vorstellung ist im Weinhaus jeweils ein Tisch reserviert, an dem sich Cineasten über den Film austauschen können.
1. Juni: „Als wir träumten“ von Andreas Dresen
8. Juni: „Victoria“ von Sebastian Schipper
15. Juni: „Soul Kitchen“ von Fatih Akin
22. Juni*: „Mommy“ von Xavier Dolan
29. Juni*: „5 Zimmer Küche Sarg – What We Do in the Shadows“ von Jemaine Clement & Taika Waitiki
6. Juli*: „Only Lovers Left Alive“ von Jim Jarmusch
13. Juli: „The Broken Circle“ von Felix van Groeningen
20. Juli: „Shaun das Schaf“ von Mark Burton und Richard Starzak. rp