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RIENECK
Standpunkt: (Un-)Würdiges Gedenken
Michael Fillies
Michael Fillies
 |  aktualisiert: 13.01.2015 19:17 Uhr

Nicht Einsicht, sondern öffentlicher Druck hat den Rienecker Stadtrat am Montag bewogen, der Gedenktafel für die 1945 im Städtchen ermordeten Kriegsgefangenen zuzustimmen, nachdem er sie voriges Jahr rechtswidrig im Geheimen abgelehnt hatte. Die Stiftung der Tafel wird angenommen, immerhin. Die Verdrehung dessen, worum es eigentlich geht, aber bleibt.

„Hier wurden fünf russische Männer durch Naziterror ermordet. Wir gedenken der Opfer“ – mit dieser Inschrift soll die Tafel an das Schicksal der willkürlich Ermordeten, deren Identität überdies vernichtet wurde, erinnern und an nichts anderes. Diese ehrenwerte Geste wird in Teilen der Bevölkerung und des Stadtrats missverstanden als ein Anprangern, als eine Beschädigung des Ansehens der jugendlichen Täter, die zur Exekution gezwungen worden waren, als eine Verunglimpfung ihrer Familien, der ganzen Gemeinde.

Dabei sind bis heute nicht ein einziges Mal die Namen der (mittlerweile sämtlich verstorbenen) Schützen genannt worden. Und am Montag hat im Sitzungssaal niemand nur ansatzweise ein Mitgefühl mit den unbekannten Ermordeten und ihren Angehörigen, die für immer in Ungewissheit leben müssen, ausgedrückt. Mehr noch: Manche bestreiten gar den Nazi-Terror und Mord und suchen offenbar irgendeine Rechtfertigung für das Verbrechen. Dabei war die Hinrichtung in den letzten Kriegstagen selbstverständlich ein Terrorakt zur Einschüchterung der Rienecker Bevölkerung. Am Sonntag, 29. März, um 14.30 Uhr soll die Gedenktafel in einer Gedenkfeier aufgestellt werden; es wird hoffentlich eine würdige Veranstaltung.

Die Mordtat von 1945, das Schandurteil des Würzburger Schwurgerichts von 1950, die bisher im Ort verweigerte Erinnerung und die Stadtratsdiskussion vom Montag sind Geschichte. Keine, auf die man stolz sein kann.

 
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    "Die Würde des Menschen ist unantastbar!" Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben diesen Artikel wegen solcher Verbrechen, wegen Auschwitz, wegen staatlich verordnetem Terror vorangesetzt. Wir leben in Zeiten, in denen anderen Menschen eben diese Würde wieder abgesprochen wird. Zeiten, in denen ein Nazibegriff wie "Lügenpresse" von rechten Parteien und PEGIDA wieder salonfähig gemacht wird. Es ist wohltuend und wichtig, dass eine Zeitung und deren Redakteure gegen Widerstände Stellung bezieht. Wenn man dies nicht versteht, hat man auch "je suis Charlie" nicht verstanden!
    Vielen Dank, Mainpost. Ich habe soeben abonniert.
    kraeuterberg
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    ich bin Digital Abonnent der Main Post. Ich wohne nicht mehr in LK Wü bin aber an den Geschehnissen dort interessiert.
    Ich wünsche mir von der Main Post und auch vom BR, daß die Zeitung weiter kritische Themen aufgreift. Dann hat sie auch in der sich schnell veränderen Medienwelt eine gute Chance. Danke an Herrn Michael Fillies und Herrn Björn Kohlhepp. Alle Achtung. Auf Ihre, aus meiner Sicht objektive und umfangreiche Berichterstattung können Sie stolz sein. Mich auf jeden Fall habe Sie als Leser für eine lange Zeit an die MainPost Digitalausgabe gebunden.
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  • E. B.
    dem ich nur zustimmen kann!
    Danke an den mir unbekannten Herrn Fillies und Hochachtung, dass er den Mut hat, sich "bei den Rieneckern" unbeliebt zu machen.
    Ich kann das Verhalten von Teilen der Bevölkerung nicht nachvollziehen.
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