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Lohr
Stadtwerke Lohr drohen Hausbesitzern mit Vollstreckung
Die neuen Dachrinnenanschlüsse, für die Anwohner der Fischergasse und Muschelgasse zahlen sollen, sind an ihrer roten Farbe zu erkennen.
Foto: Thomas Josef Möhler | Die neuen Dachrinnenanschlüsse, für die Anwohner der Fischergasse und Muschelgasse zahlen sollen, sind an ihrer roten Farbe zu erkennen.
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 09.02.2024 00:18 Uhr

Ins Lohrer Fischerviertel war vor Weihnachten Frieden eingekehrt. Doch er dürfte nach den Feiertagen nicht anhalten, denn der Streit zwischen einem Teil der Hausbesitzer und den Stadtwerken über die Bezahlung neuer Dachanschlüsse hat sich verschärft. Einige Bürger haben mittlerweile die "Androhung der Vollstreckung" erhalten.

Worum geht es? Im Rahmen der Generalsanierung der beiden Gassen ließen die Stadtwerke auch die Anschlüsse von Regenrohren an den Kanal erneuern, einige Dachrinnen wurden erstmals angeschlossen. Wegen der Grenzbebauung im engen Fischerviertel erfolgten die Anschlüsse in der Regel auf öffentlichem Grund.

45 Hausbesitzer bekamen im März und April von den Stadtwerken Rechnungen, die aus mehreren Gründen für Verwunderung sorgten. Ihnen sei bei einer Besprechung vor der Generalsanierung versichert worden, sie müssten für Arbeiten auf öffentlichem Grund nichts bezahlen, berichteten Betroffene. Die Höhe der Rechnungen von teilweise über 2000 Euro wurde kritisiert.

Bürgerliches Gesetzbuch als Rechtsgrundlage

Zudem sorgte die Form der Rechnungen für Aufregung: Die Stadtwerke hatten keine Bescheide auf der Grundlage der Entwässerungssatzung verschickt. Es handelte sich um Rechnungen auf der privatrechtlichen Basis der Paragrafen 677 folgende BGB, die sogenannte "Geschäftsführung ohne Auftrag". Die Stadtwerke versicherten, sie hätten nur die Selbstkosten weiterverrechnet.

Man sei nach wie vor der Ansicht, die Kosten auf dieser Grundlage einfordern zu können, erklärte Werkleiter Otto Mergler auf Nachfrage unseres Medienhauses, "sonst hätten wir die Rechnungen nicht gestellt". Nicht bestätigen wollte Mergler Informationen der Redaktion, der Werkausschuss habe einen Tag vor der symbolischen Schlusssteinsetzung im Fischerviertel im Oktober durch Bürgermeister Mario Paul die Stadtwerke in nicht öffentlicher Sitzung aufgefordert, auf diesem Weg weiterzugehen.

Laut Mergler hat sich "der Werkausschuss wiederholt mit dem Thema beschäftigt und den eingeschlagenen Weg bestätigt". Nach Angaben des Werkleiters hat etwas mehr als die Hälfte der betroffenen Anwohner die versandten Rechnungen inzwischen beglichen. Bei den anderen fällt eine Ungleichbehandlung auf.

So erhielt Wolfgang Dehm, der an der Muschelgasse wohnt, eine erste Mahnung und hat seit einiger Zeit nichts mehr von den Stadtwerken gehört. Alfred Feuser dagegen bekam nach der ersten Mahnung vor einiger Zeit vor wenigen Wochen bereits die "Androhung der Vollstreckung". Zu einzelnen Fällen könne er keine Stellung nehmen, so Mergler, "denn das verbietet der Datenschutz". Allerdings sei es tatsächlich so, dass fällige Forderungen zunächst gemahnt würden und dann eine "zweite Mahnung in der Formulierung Androhung der Vollstreckung versandt wird". So werde "grundsätzlich einheitlich vorgegangen". Grundsätzlich heißt nach Merglers Worten im rechtlichen Sprachgebrauch "bekanntlich, dass es auch Ausnahmen geben kann".

Schreiben nach Feiertagen

Die betroffenen Anwohner mit noch offenen Rechnungen würden von den Stadtwerken nochmals ein Schreiben erhalten, kündigte der Werkleiter an. Dieses werde auf die rechtliche Situation eingehen. Das sei jedoch erst nach den Feiertagen vorgesehen.

Alfred Feuser vermutet hinter der Vorgehensweise eine Salami-Taktik: "Die Stadtwerke suchen sich einzelne heraus, weil es zu einer Solidarisierung kommen würde, wenn alle die gleichen Schreiben bekämen." Er habe derzeit nicht vor, die geforderte Summe zu bezahlen. Ihm gehe es ums Prinzip und um die Rechtssicherheit: "So geht das nicht."

Es gebe keine Grundlage für die Bezahlung der erbrachten Leistung, die den Hausbesitzern "mehr oder weniger aufgezwungen worden ist". Auftraggeber für die Baufirma seien nicht die Anwohner gewesen, sondern die Stadtwerke und die Stadt. Zudem sei im Vorfeld versichert worden, für die Arbeiten auf öffentlichem Grund kämen keine Kosten auf die Bürger zu.

Die Rechnungen selbst hält Feuser "mindestens um den Faktor 2 zu hoch, was die alles in Rechnung gestellt haben". Dazu gehörten beispielsweise Erdarbeiten und die Abfuhr des Aushubs auf eine Deponie: "Das musste im Rahmen der Sanierungsarbeiten doch sowieso gemacht werden." Bezahlen würde er höchstens, wenn die Rechnungen drastisch reduziert würden und eine saubere rechtliche Grundlage erhielten.

Auch Wolfgang Dehm denkt nicht ans Bezahlen: "Ich halte das Vorgehen der Stadtwerke für völlig illegal." Die Paragrafen 677 folgende des BGB könnten nicht angewandt werden, weil sie privatrechtliche Geschäfte regelten.

Ihre Anwendung stehe einer öffentlichen Einrichtung wie den Stadtwerken nicht zu, weil dadurch öffentlich-rechtliche Vorschriften wie die Entwässerungssatzung umgangen würden. Nach Dehms Ansicht müssten die Stadtwerke ihre Forderungen über die Entwässerungssatzung eintreiben. "Weil sie gemerkt haben, dass das nicht geht, sind sie auf den Trick mit dem Privatrecht gekommen."

Keine Notsituation

Zudem beziehe sich die "Geschäftsführung ohne Auftrag" laut BGB auf Notsituationen. Diese sei wegen der Dachanschlüsse im Fischerviertel aber nie gegeben gewesen.

Nach Dehms Worten wäre das ungefähr so, "als würde ich vor dem Rathaus Laub wegkehren, damit niemand ausrutscht, und der Stadt dafür eine Rechnung schicken".

 
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Kommentare
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  • T. W.
    Leider haben viele Verwaltungen etc. es immer noch nicht verstanden........
    Ihr Dasein muss dem Wohl der Bürger dienen. Und zwar auf Augenhöhe und in einem Miteinander. Außerdem finanziert der Bürger die Behörden. Wenn hier nicht vorab offen und ehrlich informiert wird, dann ist ein solches Vorgehen inakzeptabel!
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  • B. K.
    Vorneweg: ich wohne nicht in Lohr, mich betrifft das alles nicht, aber von Außen betrachtet: Irgendwie bekommt man im Falle der Verantwortlichen der Stadt Lohr (BGM, Stadtrat, Verwaltung, Komunalunternehmen) langsam aber sicher den Eindruck einer desaströsen Diletanten-Clique. Immer wieder stehen Dinge in der Zeitung, bei denen man sich wirklich an den Kopf langt und das Weinen anfängt. Ständig Finanzdesaster, sonderbare Diskussionen im Stadtrat, Beschlüsse die nach kurzer Zeit wieder kassiert werden und das mit Abstand sonderbarste: Man stellt überrascht fest, das einem die eigene Brücke gar nicht mehr gehört!?!?!?!?!?!?!?!? Liebe Lohrer...offensichtlich ist es Zeit, dass ihr den GESAMTEN Stadtrat inkl. Bürgermeister und Verwaltung austauscht. Alternativ könnte man auch Karlstadt um Eroberung des Gemeindegebietes bitten...selbst Fremdverwaltung ist besser als dieses Theater
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  • J. B.
    Ich würde das Dachrinnenwasser ins Haus leiten und als Trinkwasser verwenden, zumindest so lange bis die Dachrinnentrinkwasserverordnung (DRTWVO) in Kraft tritt...
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    Wenn die Dachrinnen noch nicht angeschlossen waren, dann ist es doch Logisch das der Anwohner das auch bezahlen sollte.
    Er hat ja auch den Nutzen davon.
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  • B. K.
    Wie immer - da wird den Bürgern was vorgegaukelt und nach der Umsetzung weiß man nichts mehr davon. Selbst wenn es einstimmige Beschlüsse des Stadtrates gibt, hält sich die Verwaltung nicht dran. Dann werden lächerliche Ausreden gefunden, um das Beschlossene oder Versprochene nicht umsetzen zu müssen.

    Hart bleiben! Blöd jedoch nur, wenn es zur Vollstreckung kommt. Die Stadtverwaltung trägt da kein Risiko, weil die Kosten ja dann über die Steuergelder beglichen werden. Will ein Bürger zu seinem Recht kommen, werden erstmal deftige Kosten für Anwälte auf den einzelnen zukommen. Daher scheut sich ein Bürger einfach gegen die Arroganz der Stadtverwaltung vorzugehen. Oder ist es das Kalkül der Stadtverwaltung?
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  • T. D.
    Finde das Verhalten und die Aussagen des Werksleiters schon sehr dreist !
    " Geschäftsführung ohne Auftrag ! " und dies ohne Kostenaufgliederung
    bzw. ohne zugestimmter Angebotssumme .
    Die Stadtwerke geben den Auftrag und die Anwohner sollen dann einfach zahlen .
    Hoffentlich bleiben viele standhaft und lassen sie dies nicht so einfach gefallen !
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Hat ein einziger Anwohner im Fischerviertel die Arbeiten in Auftrag gegeben? Wenn ja, möge die Person auch die Kosten tragen.
    Seit wann wurde in Lohr das Konnexitätsprinzip außer Kraft gesetzt? Wer bestellt, der auch bezahlt! Lohr hat die Arbeiten beauftragt und ist auch für die Begleichung der offenen Rechnungen der Ansprechpartner.
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