Das Lohrer Rathaus soll die Öffentlichkeit im Vorfeld von Sitzungen des Stadtrats wieder umfangreicher über anstehende Themen informieren. Einen entsprechenden Wunsch zur Abkehr vom jüngst eingeschlagenen Kurs artikulierte eine große Mehrheit der Stadträte in ihrer Sitzung.
Der Beschluss ist jedoch nicht mehr als ein Appell an Bürgermeister Mario Paul. Der Rathauschef verteidigte in der Sitzung erneut das weitgehende Kappen des Informationsflusses, unter anderem mit Verweis auf teils fast 20 Jahre alte Einschätzungen beispielsweise des Innenministeriums. Er sicherte jedoch zu, sich Gedanken darüber machen zu wollen, wie die Öffentlichkeit wieder ausführlicher über anstehende Themen der Stadtpolitik informiert werden könnte.
Die Vorgeschichte
Früher hatte die Stadt Lohr vor Stadtratssitzungen der Presse umfangreiche Unterlagen zu anstehende Tagesordnungspunkten zur Verfügung gestellt, um eine Berichterstattung im Vorfeld zu ermöglichen. Mit Beginn der neuen Wahlperiode Anfang Mai gab sich der Stadtrat jedoch eine neue Geschäftsordnung, die auf einer Mustervorlage des Gemeindetages beruhte.
Aus einem darin enthaltenen Paragrafen, der den Umgang von Stadträten mit Sitzungsvorlagen regelt, folgerten die Verwaltung und Paul, dass ein Rathaus aus Gründen des Datenschutzes generell keine Hintergrundinfos mehr zu anstehenden Themen herausgeben dürfe.
Dieser Ansicht widersprachen in der Folge sowohl das Bayerische Innenministerium als auch das Landratsamt Main-Spessart und der Bayerische Datenschutzbeauftragte. Es gebe kein Gesetz, das einer Stadt generell die Öffentlichkeitsinformation verbiete, so der Tenor der Aussagen. Der Datenschutzbeauftragte erklärte erst vor wenigen Tagen in einem Gespräch mit dieser Redaktion gar, dass sich Datenschutz und Transparenz keinesfalls ausschließen.
Antrag des Bürgervereins
Eric Schürr, der Vorsitzende des Bürgervereins, zitierte in der Sitzung mehrfach Inhalte dieses Interviews. Die Gruppierung hatte mit einem Antrag die Diskussion über die Öffentlichkeitsinformation überhaupt erst auf die Tagesordnung gebracht. Schürr plädierte für eine Rückkehr zur früheren Praxis. Seine Begründung: Für Stadträte sei es wichtig, dass sie sich im Vorfeld von Sitzungen im Detail mit Bürgern und Fachleuten über anstehende Themen unterhalten könnten. Das sei neuerdings jedoch nicht mehr möglich, da keinerlei Detailunterlagen herausgegeben werden dürften. "Eine öffentliche Diskussion ist von uns erwünscht, wir wollen, dass sich die Bürger einmischen", so Schürr. Das könnten sie jedoch nur, wenn sie informiert seien. Die frühere Informationspolitik der Stadt sei vorbildlich gewesen, so Schürr. "Ich will nicht davon abrücken."
Bürgermeister Paul indes erklärte, dass mit der derzeitigen Praxis, bei der die Stadt die Tagesordnung von Sitzungen nur in einigen knappen Schlagworten ankündigt, "dem rechtlichen Anspruch der Bürger Genüge getan" sei. Seine frühere Aussage, wonach der Datenschutz eine umfangreichere Information der Öffentlichkeit generell ausschließe, wiederholte Paul nicht. Er verwies jedoch darauf, dass es einen hohen Verwaltungsaufwand bedeute, wenn die Verwaltung, wie vorgeschrieben, alle datenschutzrelevanten Angaben in Sitzungsvorlagen schwärzen müsste, um sie herausgeben zu dürfen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Fehler passieren und geheimhaltungspflichtige Informationen durchrutschen könnten.
Juristisch komplexe Frage
Insgesamt handle es sich um eine komplexe juristische Frage, so Paul. Über den Antrag des Bürgervereins könne aus rechtlichen Gründen nicht abgestimmt werden, da die darin beantragte Änderung der Geschäftsordnung rechtswidrig sei, sagte Paul. Schürr indes verwies darauf, dass dieselbe Geschäftsordnung in einer anderen Gemeinde ohne Beanstandung der Rechtsaufsicht existiere.
Aus den Reihen der Stadträte sprang als einziger Uli Heck (Freie Wähler) dem Bürgermeister per Redebeitrag zur Seite. Er verwies darauf, dass er beruflich geschäftsführender Beamter der Stadt Karlstadt und daher mit dem Thema vertraut sei. Er teile Pauls Ansicht "zu 100 Prozent", sagte Heck. Die Presse sei bisher im Vorfeld von Sitzungen "gut bedient" worden, wobei die Stadt jedoch "nicht ordnungsgemäß" gehandelt habe. Das zweifelten Brigitte Riedmann (Freie Wähler) und Christine Kohnle-Weis (SPD) an. Die Mitarbeiter der Stadt seien wohl so kompetent, dass sie kaum zig Jahre lang rechtswidrig gehandelt hätten, so ihre Aussagen.
Überflüssige Diskussion
Wolfgang Weis (Grüne) sprach von einer überflüssigen Diskussion. Wenn der Bürgermeister wolle, könne er als Auskunftsbefugter Presse und Öffentlichkeit jederzeit umfangreich informieren, verwies Weis auf das Presserecht und sagte: "Wir wollen alle Transparenz". Diese könne es jedoch nur geben, "wenn sie vom Zuständigen praktiziert wird", so der Grüne Weis an den von seiner Fraktion getragenen Bürgermeister. Wenn man Transparenz wolle, brauche man sich nicht hinter einer Geschäftsordnung verstecken, schob Weis nach.
Entgegen der Empfehlung von Paul ließen sich die Räte am Ende nicht von einem Beschluss abhalten. Auf Vorschlag von Matthias Schneider (CSU) beschloss das Gremium, dass es sich vom Bürgermeister eine wieder umfangreichere Information der Öffentlichkeit "wünscht". Konkret soll im Vorfeld von Sitzungen unter Beachtung des Datenschutzes die Tagesordnung mitsamt Darstellung des gesamten Sachverhalts zu den einzelnen Themen veröffentlicht werden. Nicht herausgegeben werden sollen indes die Beschlussvorschläge und weitere Anlagen. Dafür stimmten 20 Räte, dagegen votierte neben Paul und Heck auch Ulrike Röder (Grüne).