Seit eineinhalb Jahren sorgen Baumängel beim Glasfaserausbau in Lohr immer wieder für Ärger. Nun ist der Stadt Lohr der Geduldsfaden gerissen. Sie wird Strafanzeige gegen die Baufirma Circet stellen. Das Unternehmen erledigt vor Ort die Arbeit für die Auftraggeber, die Firmen GlasfaserPlus beziehungsweise Telekom. Die Stadt begründet die Anzeige mit Sachbeschädigung in großem Stil an der städtischen Infrastruktur.
Man werde die Anzeige in den nächsten Tagen bei der Polizei einreichen, kündigten die Verantwortlichen im Rathaus gegenüber dieser Redaktion an. Auch sonst will die Stadt die Baukolonnen deutlich enger an die Leine nehmen. Ziel ist, bisherigen Pfusch aufzudecken, ihn beseitigen zu lassen und neuen Pfusch zu vermeiden. "Wir sind die ständigen Beteuerungen leid", begründete der städtische Hauptamtsleiter Dieter Daus die neue Gangart gegenüber den Baukolonnen.
Ein Bestandteil dieser neuen Gangart ist, dass die Stadt künftig nur noch einzelne Straßen für den Glasfaserausbau freigeben will. Erst wenn die Arbeiten in diesen Straßen zur Zufriedenheit abgeschlossen sind, sollen die nächsten Straßen freigegeben werden.
Außerdem soll ab 2024 ein Gutachter der Landesgewerbeanstalt die Qualität der bisherigen Glasfaserarbeiten unter die Lupe nehmen. Dafür will man unter anderem an bereits verschlossenen Leitungsgräben Bohrkerne ziehen, um den Unterbau zu prüfen. Man behalte sich vor, die Kosten dafür der Baufirma Circet in Rechnung zu stellen, so Daus.
Rund 130 Kilometer Gräben
Circet und seine Subunternehmer ziehen seit Frühjahr 2022 Gräben durch Lohr, meist parallel an zig Baustellen. Auftraggeber sind die Firmen GlasfaserPlus beziehungsweise Telekom. Die Telekom hatte zu Beginn der Arbeiten angekündigt, bis Jahresende 2022 rund 9000 Lohrer Haushalten einen Glasfaseranschluss ermöglichen zu wollen. Rund 130 Kilometer an Gräben werde man dafür ziehen, hieß es damals.
Schon bald stellte sich jedoch heraus, dass bei den Arbeiten in großem Stil bautechnische Standards missachtet wurden. Auch sonst gab es so manche Fragwürdigkeit. Die Palette reichte von bis in die späten Abendstunden ausufernden Arbeitszeiten über in private Garagen verrichtete Notdurft bis hin zu Personal, das ohne passenden Führerschein am Steuer von Lastwagen saß.
Ende 2022 zog die Stadt – nicht zuletzt nach anhaltender Kritik auch von Privatleuten – erstmals die Bremse. Auf Drängen des Rathauses erlegte die Baufirma Circet sich und ihren Subunternehmern damals einen Baustopp auf. Über Wochen wurden Mängel nachgearbeitet. Absprachen über das weitere Vorgehen sollten dafür sorgen, dass es reibungsloser läuft.
Tatsächlich sei die Bauqualität danach über Monate besser gewesen, so die Verantwortlichen im Rathaus. Deswegen habe man zunächst auf die Druckmittel verzichtet, die man nun anwende. Doch in den vergangenen Wochen habe sich erneut gezeigt, dass auf den Glasfaserbaustellen vielerorts der alte Schlendrian zurück sei.
Um diesen Schlendrian in den Griff zu bekommen, kündigt die Stadt einen Kurswechsel bei der Freigabe von Straßen für die Bauarbeiten an. Bislang war es so, dass man der Baufirma pauschal gestattet hatte, überall im Stadtgebiet zu graben. Nach Aussage des städtischen Ordnungsamtsleiters Philipp Halbritter war Circet lediglich dazu verpflichtet, seine Baustellen bei der Stadt zu melden. Doch selbst das sei nicht immer geschehen. Man wusste im Rathaus also gar nicht zuverlässig, wo gerade gebaggert wird.
Nun hat die Stadt der Baufirma Circet mitgeteilt, dass künftig das für Bauarbeiten im öffentlichen Raum übliche Verfahren gelten soll, wonach für jede einzelne Baustelle zunächst eine Genehmigung zu beantragen ist. "Dann wissen wir, wo sie gerade sind", beschreibt Daus den erhofften Effekt.
Straßenfreigabe als Druckmittel
Der Genehmigungsbescheid für jede einzelne Baustelle soll mit klaren Vorgaben, etwa zum Bauzeitraum oder zur Absicherung der Baustelle, verbunden sein. Sobald ein Straßenzug abgeschlossen sei, erfolge sinnvollerweise umgehend die Kontrolle durch die Stadt, erklärt Bauamtsleiter Ingo Schmitt. "Das ist unser Druckmittel", sagt der derzeit im Rathaus amtierende Bürgermeister Dirk Rieb über die neue Herangehensweise, die laut Daus bereits in der vergangenen Woche von Bürgermeister Mario Paul festgesetzt wurde.
Wie Pauls Stellvertreter Dirk Rieb jetzt erklärte, hat die "Mängelbeseitigung und Wintersicherung der Baustellen oberste Priorität". Soll heißen: Die Stadt drängt darauf, dass zunächst alle laufenden Baustellen abgeschlossen und bekannte Mängel, die Rede ist von bis zu 200, nachgearbeitet werden.
Müssen Leitungen wieder raus?
Es könne durchaus sein, dass dabei mancherorts die Glasfaserleitungen wieder komplett ausgebaut werden müssten, sagt Bauamtsleiter Schmitt. Das könnte bedeuten, dass Anschlüsse, die bereits freigeschaltet sind, wieder gekappt werden müssen und Haushalte für längere Zeit ohne Telefon- und Internetanschluss wären.
Auf die Frage, weswegen die Stadt nicht schon früher die Zügel angezogen hat, verweisen Daus und Rieb darauf, dass es nach der zwischenzeitlichen Ansage über Monate besser gelaufen sei auf den Baustellen. Deswegen habe man auch die Kontrollintensität verringert.
In welchem Tempo der Glasfaserausbau in Lohr nun weitergeht, ist offen. Im Rathaus geht man offenbar davon aus, dass sich die Arbeiten weit in das Jahr 2024 erstrecken könnten. Zum einen, weil sich durch die eingeschränkte Freigabe von Straßen das Ausbautempo verringern dürfte. Zum anderen, weil ein wesentlicher Teil des Ausbaugebiets entgegen dem ursprünglichen Zeitplan noch gar nicht in Angriff genommen wurde: die Lohrer Altstadt.
Altstadt erst im Frühjahr dran
Dort, so erklärt Bauamtsleiter Schmitt, sei das historische Pflaster der Knackpunkt. Circet habe noch keine Fachfirma gefunden, die sich mit dem Verlegen solch alten Pflasters auskenne. Außerdem wolle man nicht, dass sich die Altstadt in der Vorweihnachtszeit in eine Großbaustelle verwandle, betont Schmitt. Man müsse daher davon ausgehen, dass die Glasfaser-Arbeiten in der Altstadt erst im Frühjahr 2024 beginnen, also nach der Frostperiode.
Wann die Stadt die ersten Baustellen abnehmen und somit einen qualitätsvollen, den Vorgaben entsprechenden Glasfaserausbau anerkennen wird, ist offen. Bislang, so betonen die Verantwortlichen im Rathaus, sei noch kein einziger Meter der in eineinhalb Jahren gezogenen Glasfasergräben abgenommen.
Die Unternehmen Circet, GlasfaserPlus und Telekom äußerten sich bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorgängen. Circet kündigte jedoch eine Stellungnahme an.
Dann kommt eben der Sub vom Sub vom Sub. Vom Preis, den wir alle teuer bezahlen müssen, landet sicher kaum Gewinn bei circet. Und die Telekom kann sich fein rausreden. Schuld sind immer die anderen.
Wer zahlt die Reparaturen? Der kleinste.