Seit 1. Mai hat Lohr einen neuen Stadtrat. Nach der konstituierenden Versammlung vor einigen Wochen steht am 17. Juni die erste Arbeitssitzung an. Womit sich die Räte dabei genau befassen und was Grundlage ihrer Entscheidungen sein wird? Das soll die Öffentlichkeit ab sofort im Vorfeld nicht mehr im Detail erfahren.
Das Rathaus will im Gegensatz zur bisherigen Praxis die Tagesordnung nur noch in wenigen Stichpunkten ankündigen. Erläuternde Infos zu den Themen soll es im Vorfeld für Presse und Öffentlichkeit hingegen nicht mehr geben. Im Stadtrat gibt es allerdings auch Stimmen, die dafür eintreten, die Bevölkerung doch wieder stärker mit ins Boot zu holen.
Doch der Reihe nach: In seiner konstituierenden Sitzung hatte der Stadtrat eine neue Geschäftsordnung beschlossen. Sie regelt Abläufe rund um den Sitzungsbetrieb. Bürgermeister Mario Paul und Dieter Daus, der geschäftsleitende Beamte, erklärten damals, dass man zu einer Änderung bei der Information der Öffentlichkeit gezwungen sei. Es sei nicht mehr zulässig, der Öffentlichkeit im Vorfeld von Sitzungen ausführlichere Detailinfos zu den einzelnen Themen zu geben.
Gründe für Geheimhaltung
Paul und Daus beriefen sich auf eine vom Bayerischen Gemeindetag erarbeitete Muster-Geschäftsordnung. In der steht tatsächlich, dass Beschlussvorlagen und sonstige Sitzungsunterlagen interne Ausarbeitungen der Verwaltung für die Ratsmitglieder seien. Eine Veröffentlichung sei nur dann zulässig, wenn die enthaltenen Tatsachen offenkundig seien, keine Geheimhaltungspflicht bestehe und Bürgermeister sowie Stadtrat zustimmten.
Es gibt durchaus Gründe, die eine Geheimhaltung von Informationen erfordern. Das Bayerische Innenministerium nennt auf Anfrage der Redaktion als Beispiele Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder auch Informationen, die dem Steuergeheimnis unterliegen – Informationen also, die die Stadt Lohr auch bislang nicht preisgegeben hat.
Mehrfacher Widerspruch
Für die Geheimhaltung jedweder Detailinformation gibt es hingegen ganz offensichtlich keine Grundlage. Das lässt dieser Satz der Ministeriumssprecherin erkennen: "Welche Unterlagen die Gemeinde über die Tagesordnung hinaus im Vorfeld einer öffentlichen Sitzung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, entscheidet die Gemeinde eigenverantwortlich im Einzelfall." Im Klartext: Wenn die Stadt wollte, könnte sie sehr wohl Informationen preisgeben.
Das legt auch die Stellungnahme des Landratsamtes Main-Spessart nahe. Auf die Frage der Redaktion, welche gesetzlichen Vorgaben es der Stadt verbieten, im Vorfeld von Sitzungen Hintergrundinfos an die Öffentlichkeit zu geben, lautet die eindeutige Antwort der Pressestelle der Behörde: "Keine."
Greift der Datenschutz?
Zu beachten ist freilich der Datenschutz. Auch mit ihm hatten Paul und Daus den neuen Kurs des Rathauses begründet. Aufgrund des immer "stärker gewichteten" Datenschutzes sei es "ausgeschlossen", so Paul, dass Presse und Öffentlichkeit weiterhin im Vorfeld von Sitzungen nähere Infos erhielten.
Auch hier ist die Aussage eines Experten gegenteilig und eindeutig: "Das ist natürlich Quark", sagt der vom Landtag eingesetzte Bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri über die Argumentation des Rathauses. Der Datenschutz verbiete lediglich die Weitergabe von personenbezogenen Daten. Ein Beispiel dafür ist die Adresse von Bauherren, deren Bauvorhaben im Stadtrat behandelt wird. Jedoch stehe das Datenschutzrecht "einer transparenten Verwaltung nicht entgegen", stellt Petri klar. "Kommunale Geheimhaltungsinteressen" ließen sich nicht mit dem Datenschutz rechtfertigen.
Daus: Keine Infos vorenthalten
Das Rathaus indes versucht den sich zwangsläufig aufdrängenden Eindruck, wonach die Stadt den Bürgern weniger Einblick in anstehende Entscheidungen geben will, zu entkräften. "Selbstverständlich" sei der Grundsatz der Öffentlichkeit auch weiterhin oberstes Gebot in der politischen Gremienarbeit, so der geschäftsleitende Beamte Dieter Daus gegenüber der Redaktion. Beschlussvorlagen würden auch künftig veröffentlicht, "nur eben nicht vor, sondern während der Sitzung".
Der Bürgerschaft würden "in keinster Weise Informationen vorenthalten, die sie bräuchte, um politische Prozesse in der Stadtpolitik aktiv zu begleiten", so Daus' Ansicht. Man erwarte sich im Rathaus durch das Streichen von Vorabinformationen an die Bürger gar "eine Stärkung der politischen Gremienarbeit als wichtiger Baustein unserer Demokratie".