Wenig gute Nachrichten hatte der Biologe Peter Biedermann bei seinem Vortrag im Arnsteiner Schwesternhaus mit im Gepäck. Die Vogelpopulationen in Deutschland und auch in Franken gehen in erschreckender Weise zurück. Ganz besonders betroffen sind die sogenannten Alltagsvögel wie Sperlinge, Lerchen und Stare.
Gleich die erste Zahl Biedermanns überraschte die Zuhörer: in ganz Deutschland gibt es nur 85 Millionen Brutpaare – fast genauso viele wie Menschen. Noch in den 1950er Jahren waren es fünfmal so viele und jedes Jahr geht ein weiteres Prozent verloren. Während man sich aber seit einiger Zeit aktiv und recht erfolgreich beispielsweise um bedrohte Greifvögel, Störche und Kraniche gekümmert habe, schreite das Sterben der Alltagsvögel leise und fast unbemerkt voran. Die Starenschwärme waren einst von Landwirten und Gartenbesitzern gefürchtet, der Spatz überall anzutreffen und die Lerche als Charaktervogel im Feld nicht wegzudenken, heute ist der Star fast schon vom Aussterben bedroht. Mit betroffen sind Goldammer, die Finkenarten und Zilpzalp.
Vögeln fehlt der Lebensraum
Viele Mythen ranken sich um die Ursachen des Vogelsterbens. Es sind aber nicht die Katzen, die viele Jungvögel wegfangen, es sind nicht die zahlreichen großflächigen Glasscheiben an modernen Gebäuden und – für viele Besucher erstaunlich – es sind nicht die so oft gescholtenen Windräder. Während die Opfer bei den beiden ersteren in die Millionen gehen, werden die Verluste bei Windrädern deutlich unter 100 000 angesetzt. Den Tod auch einer großen Zahl von Individuen könne die Natur ausgleichen, indem die verminderte Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum in den folgenden Generationen wieder zu einem Anstieg der Population führe, so Biedermann.
Nicht kompensieren aber lasse sich die andauernde und großflächige Zerstörung der Lebensgrundlagen für die Vögel. Ursächlich sieht der Biologe an der Uni Würzburg den fehlenden Lebensraum. Vögel brauchen Orte zum Brüten, zum Verstecken und um Nahrung zu suchen. Besonders gefährdet sind hier Arten, die am Boden in Wiesen und Feldern brüten. Auch Arten, die totes Holz oder Hecken brauchen, finden davon immer weniger. Hier ist natürlich das Vogelsterben eng mit dem Insektensterben verbunden, das derzeit in aller Munde ist. Pflanzen, deren Samen, Insekten, Wasserlebewesen fehlen einfach in der ausgeräumten Flur. Dazu kommt natürlich noch die Anwendung von Ackergiften und Pestiziden. Kurzum, die Vögel – oder vielmehr ihre Bruten – verhungern schlichtweg.
Verbindung zur Natur geht zurück
Doch will Biedermann bewusst keinen Rundumschlag gegen die Landwirte ausführen, die selbst unter wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Druck stehen. "In der gesamten Gesellschaft ist die Verbindung zur Natur drastisch zurückgegangen", klagte er und verwies auf vogel- und insektenfeindliche Gärten, im schlimmsten Fall die sterilen, toten Steingärten und die Vielzahl von Mährobotern, die alles kurz und klein schlagen. Bei jeder Mahd gegen rund 80 Prozent der Insekten zugrunde und wenn der nächste Schnitt zu früh kommt, bleibt keine Zeit zur Regeneration.
Ein Beispiel für die geringe Akzeptanz von "Unordnung in der Natur" erlebten die Biologen auf dem Unicampus am Würzburger Hubland. Als man dort eine dauerhafte Brache mit Blühflächen anlegte, kamen sofort Proteste der Nachbarn, die die untragbaren Zustände mokierten. Hier wünscht der Vogelfreund Biedermann dringend einen Bewusstseinswandel mit mehr Naturgärten, Wasserstellen, Hecken und Sträuchern. Auch forderte er dazu auf, Vögel entgegen der bisherigen Doktrin sogar in den Sommermonaten zu füttern. Sonst kenne man Amsel, Drossel, Fink und Star bald nur noch aus Kinderliedern.