Vertreter des "Netzwerkes Soziale Gerechtigkeit" stellten bei einem Pressegespräch im Caritashaus St. Vinzenz in Lohr ihr neuestes Projekt vor: die Einführung eines"Sozialpasses".
Am 4. Juni 2011 fand in Lohr auf Initiative der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) ein "Fest der Solidarität und der Sozialen Gerechtigkeit" unter dem Motto "Fair teilen statt sozialspalten" statt. An einer "Meile der Solidarität" beteiligte sich auch eine Reihe anderer Organisationen. Diese Organisationen fanden sich dann zum "Netzwerk Soziale Gerechtigkeit - für ein faires Klima in Main-Spessart" zusammen. Die ersten Treffen warennoch durch wechselnde Teilnehmer geprägt, aber bald kristallisierte sich ein fester Kreis heraus, dem die Kreisverbände der KAB, der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt, des Bayerischen Roten Kreuzes und der Kreisjugendring angehören. Von Fall zu Fall werden auchweitere Organisationen angesprochen.
Das erste Projekt war die Gründung eines Runden Tisches mit den Beratungsstellen der Caritas, der Diakonie und dem Jobcenter. Das gegenseitige Kenenlernen der Mitarbeiter dieser Stellen habe viel dazu beigetragen, das gegenseitige Verständnis für die Probleme beider Seiten zu verbessern und manche Problemfälle unbürokratisch zu lösen, sagte Werner Graus (KAB), der das Gespräch moderierte.
Auch bei der Flüchtlingsbetreuung hat sich das Netzwerk bewährt Es arbeitete dabei mit den Betreibern von Flüchtlingsunterkünften, Helferkreisen, Lehrkräften, Schulpsychologen und dem Landratsamtzusammen.
Der Sozialpass ist das dritte Projekt. Er soll Menschen mit geringem Einkommen - und das sind nicht nur Bezieher von Sozialleistungen - die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichenoder erleichtern, indem er nach dem Vorbild der Ehrenamtskarte Vergünstigungen bei Bildungs- und Freizeitangeboten (Volkshochschulen, Museen, Musikschulen, Bädern, Büchereien) gewährt. Durch die Gewinnung von Partnern im Handel und Gewerbe oder zum Beispiel in Sportvereinen sowie im öffentlichen Nahverkehr wären auch in diesen Bereichen Vergünstigungen denkbar.
Für nicht weniger wichtig als die materiellen Aspekte halten die Vertreter des Netzwerkes die Signalwirkung, die von der Einführung eines solchen Passes ausgehen würde. Auch sonst häufig benachteiligte Menschen würden dadurch erfahren, dass sie in ihren Nöten wahrgenommen werden. Damit wäre der Sozialpass ein wichtiger Beitrag zum sozialen Frieden im Landkreis Main-Spessart.
In entsprechenden Anträgen an das Landratsamt und persönlichen Kontaktaufnahmen versucht das Netzwerk bereits seit September 2014 Landrat Thomas Schiebel und das Sozialamt des Landkreises Main-Spessart für die Einführung eines Sozialpasses zu gewinnen - bisher leider vergeblich.
Als Begründung für diese ablehnende Haltung wurden in den Ablehnungsschreiben sowohl rechtliche wie finanzielle Erwägungen angeführt. Keine davon überzeugte jedoch die Gesprächsteilnehmer,die ja alle fast täglich mit den wirklichen Verhältnissen konfrontiert sind. So verweisen Behörden Bedürftige mit Wohngeldanspruch gerne auf den günstigen Wohnraum in den ländlichen Bereichen des Landkreises. In der Praxis ist der Umzug in solche Bereiche aber mit Folgekosten verbunden, die sich aus deren schlechterer Infrastruktur (Ärzte, Apotheken, Banken und Bildungsmöglichkeiten) ergeben. "Mobilität ist lebenswichtig, um Teilhabe zu ermöglichen", hieß es in einem Antrag an den Kreistag.
Auch die juristischen Argumente des Landratsamtes halten die Teilnehmer des Gesprächs für wenig stichhaltig, nachdem eine Reihe von bayerischen Landkreisen den Sozialpass bereits eingeführt hat, darunter Aschaffenburg, Hassberge und Schweinfurt.
Trotz der mehrfachen Ablehnung durch Landrat und Sozialamt will das Netzwerk seinen Antrag weiterhin verfolgen und hofft dabei auf eine breite Unterstützung nicht nur aus der Bevölkerung,sondern auch im Kreistag, denn Vertreter aller Fraktionen hätten bereits ihre Unterstützung bei dem Anliegen zugesagt. Und das werde sich hoffentlich im neuen Kreistag nicht ändern, meinten die Vertreter der Verbände und Organisationen.