Ausschließlich um Europathemen ging's bei der Aufzeichnung von „Jetzt red i – Europa“ am Montagabend. Der zum Fernsehstudio umgerüstete Saal des alten Rathauses war mit mehr als 120 Besuchern – unter ihnen auch Main-Spessart-Landrat Thomas Schiebel – voll besetzt. Moderiert wurde die BR-Veranstaltung von Tilmann Schöberl und Irmtraud Richardson. Rede und Antwort standen den Bürgern Europaabgeordnete Dr. Anja Weisgerber (CSU), der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und Professor Wolfgang Gerke vom bayerischen Finanzzentrum.
Der evangelische Lohrer Dekan Michael Wehrwein vermisste den Gottesbezug in der EU-Verfassung und forderte, der Sonntag müsse europaweit arbeitsfrei sein „um der Menschen willen“; er dürfe nicht immer mehr ausgehöhlt werden zugunsten wirtschaftlicher Interessen. Das sah Weisgerber ähnlich, der Sonntag müsse europaweit geschützt werden. Dies hielt Zeil für überflüssig. In Deutschland gebe es „eine vernünftige Regelung mit Ausnahmen“, dies reiche. Anderen Ländern wolle er in dieser Frage nichts vorschreiben.
Bürger Klaus Meier-Gerßler
Die fränkische Weinkönigin Sabine Ziegler machte sich dafür stark, dass der gegenwärtig in der EU geltende Anbaustopp für neue Rebflächen über 2015 hinaus verlängert werden soll. Andernfalls befürchtetet sie, dass der Frankenwein, der oft an Steilhängen erzeugt wird, nicht mehr konkurrenzfähig sein könnte. Sowohl Weisgerber als auch Zeil machten deutlich, dass sie bereits für eine Verlängerung des Anbaustopps kämpften.
Das Thema „Deutschland, Griechenland und der Euro“ schnitt Klaus Meier-Gerßler an. „Was würde uns Bundesbürgern passieren, wenn Griechenland aus dem Euro aussteigen würde?“, wollte er von den Experten wissen, erhielt aber nur schwammige Antworten.
Nach Gerkes Einschätzung wäre es besser, wenn Griechenland die EU verließe und zur Drachme zurückkehrte. Dann könnten sich die Griechen keine teuren Importgüter mehr leisten, hielt Weisgerber dagegen. Worauf Gerke ironisch anmerkte: „Was wird denn für die Griechen teurer? – Unsere schönen Waffen und Autos.“
Der aus Griechenland stammende Joannis Komianos hielt nichts von den seinem Heimatland auferlegten Sparmaßnahmen, da diese nur diejenigen träfen, „die sowieso nix mehr haben“. Zeil betonte, dass es in der Griechenlandfrage keine einfache Antwort gebe.
Lohrs Bürgermeister Ernst Prüße (CSU) kritisierte den hohen bürokratischen Aufwand in Sachen der erforderlichen Notifizierung durch Brüssel beim Breitbandausbau. Besonders missfiel ihm, dass für die anstehende zweite Ausbaustufe noch einmal das gleiche langwierige Verfahren notwendig sei, wie beim ersten Mal. Sie sei „zuversichtlich, dass es wieder klappt“, hörte er von Weisgerber und Zeil versicherte, er werde sich dafür einsetzen, dass die Stadt ganz schnell die notwendige Notifizierung bekomme.
Der Lohrer THW-Ortsbeauftragte Michael Nätscher verwies auf zahlreiche Auslandseinsätze der THW-Helfer. Vor diesem Hintergrund forderte er, die EU müsse „ihr Scherflein“ zur Fremdsprachenausbildung dieser Freiwilligen beitragen. Auch für Tropenbekleidung müsse es Zuschüsse geben, forderte er und machte sich für einen Ehrenamtsausweis stark – nicht nur für THWler sondern für alle Hilfskräfte .
An einer europaweiten Ehrenamtskarte „sind wir dran“, sagte Weisgerber. Zeil war „geradezu platt“, als er das mit den Sprachkursen und der Tropenkleidung hörte. „Wir werden uns einsetzen“, versprach er.
„Wer koordiniert in Europa den Strommarkt?“, wollte Jürgen Goldbach mit Blick auf das seiner Ansicht nach herrschende „reinste Chaos“ wissen. Laut Gerke muss das Netz in der Lage sein, die Energie zu verteilen. Wenn der Markt dies nicht regeln könne, müsse der Staat dafür sorgen. Nach Zeils Ansicht wurde der Ausstieg aus der Kernenergie „übereilt“ eingeleitet. Nun müsse Ersatz geschaffen und das Stromnetz in Rekordzeit ausgebaut werden. Derzeit sei die Versorgungssicherheit „auf Kante genäht“.
Wirtschaftsminister Martin Zeil
Für den Lohrer Ortsvorsitzenden des Bundes Naturschutz, Berthold Wagner, ist es eine „Katastrophe, was die Spekulanten machen“. Die Stromhändler müssten stärker kontrolliert werden, sah Weisgerber die Sache ähnlich.
Schafhalter Peter Amend kritisierte, dass es keine Ausgleichszahlungen für vom Schmallenbergvirus betroffene Tierhalter gebe. Während Zeil „jetzt hier nicht so locker irgendwelche Hilfen versprechen“ wollte, sagte Weisgerber, dass europaweit eine Meldepflicht eingeführt werden solle. Auf dieser Grundlage könnten dann Hilfsgelder ausgezahlt werden.
Tolga Bayrakci fände es gut, wenn die Türkei rasch EU-Mitgliedsland würde. Dies sahen die beiden Männer und die Frau am Expertentisch kritisch. Sie verwiesen auf die Einhaltung der Menschenrechte als Voraussetzung und die bestehende Möglichkeit der Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich.
Die aufgezeichnete Sendung „Jetzt red i – Europa“ aus Lohr ist am heutigen Mittwoch, 29. Februar, ab 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen zu sehen.