"Dividiren lehret wie man ein Zahl durch die andere theylen soll", schrieb der damals 14-jährige Johannes Andonius Dildey im Jahr 1747 in sein Rechenheft. Es ist das älteste im Bestand des Lohrer Schulmuseums und Teil der neuen Sonderausstellung "Die Welt der Zahlen", die ab 29. Januar gezeigt wird. Es geht um die Geschichte des Rechenunterrichts.
In seinem Rechenbuch notierte Johannes Dildey die Schritte und Vorgehensweise in verschiedenen Rechenarten wie dem "Divisio", also dem Teilen von Zahlen. Als im 18. Jahrhundert immer mehr Landesfürsten die allgemeine Schulpflicht einführten, sei das Fach Rechnen eher von untergeordneter Bedeutung gewesen, erklärt Museumsleiter Eduard Stenger. In der Würzburger Schulordnung von 1774 heißt es: "Im fünften Schul-Jahre, nämlich vom 10ten bis zum 11ten ihres Alters, bekommen die Kinder die Rechen-Kunst, und die Geographie wechselweise hinzu."
Bedeutung wächst
Erst im Lauf des 19. Jahrhunderts sei die Bedeutung des Rechenunterrichts als Hauptfach stärker hervorgehoben worden, "weil wir die Rechenkunst in fast allen Verhältnissen des Lebens höchst nötig gebrauchen", zitiert Stenger aus einem Methodenbuch für Volksschullehrer aus dem Jahr 1820.
Das Rechnen folgt allgemeingültigen Regeln und eigentlich ist Mathematik eine nüchterne Wissenschaft. Doch Zahlen sind nicht frei vom Zeitgeist, sondern unterliegen gesellschaftlichen und politischen Einflüssen. Das zeigen Textaufgaben im Verlauf des 20. Jahrhunderts mehr als deutlich.
So mussten die Volksschüler bei der Entlassprüfung 1915 berechnen, was der "Heldentod" in Mark und Pfennig wert war: "Ein Vater hat seine 3 Söhne im Felde bei der deutschen Kriegsversicherung versichert und zwar den jüngsten mit 15 M, den 2ten mit 25 M und den 3ten mit 35 M. Die 3 Söhne fallen. Was erhält der Vater, wenn der 26 4/5 fache Betrag der Einzahlung ausbezahlt wird?"
Neue Formen und Inhalte
Ab 1933 sollte der Rechenunterricht "nationalsozialistisches Gedankengut in die Welt der Zahlen" bringen und zu "pflichtbewußter und volksverbundener Tat" führen. Nach 1945 prägten Kalter Krieg und Sozialismus das Fach. In einer Werbung aus den 1950er Jahren für die "Deutsche Rechenmaschine" wurde diese beworben als "Kampfgerät" gegen die "Russische Rechenmaschine". Und in einem Rechenbuch der DDR für die zweite Klasse lautete die Aufgabe: "Eine Kanone der NVA wird von 5 Soldaten bedient. Bei einem Übungsschießen sind 6 Kanonen eingesetzt. Wieviel Soldaten nehmen an der Schießübung teil?"
Weg vom Frontalunterricht und Einpauken, hin zu neuen Formen und Inhalten des Unterrichts – so könnte das bildungspolitische Motto in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik beschrieben werden. Die "neue Mathematik" kam auf und in den Grundschulen zog die Mengenlehre ein. Durch sie sollte "neben der Vermittlung von Rechenfertigkeiten auch das logische Denken gefördert werden", berichtet Eduard Stenger.
Proteste gegen die Mengenlehre
Das sei von manchen Eltern aber als Form einer antiautoritären Erziehung abgelehnt worden, so der ehemalige Lehrer. Hinzu sei gekommen, "dass viele Eltern bei den Hausaufgaben nicht mehr helfen konnten, weil sie selbst die Aufgaben nicht lösen konnten. Es kam zu offenen Protesten, und 1984 verschwand die Mengenlehre aus den Richtlinien."
Geblieben ist, dass Kinder immer noch die Welt der Zahlen begreifen müssen und Mathe als Hauptfach in der Schule gilt. Wie das Rechnen einst gelehrt und gelernt wurde, und welche Wandlungen der Unterricht erfahren hat, zeigt die neue Sonderausstellung des Lohrer Schulmuseums anhand von vielen Beispielen.