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Lohr
So lange wie möglich zu Hause leben
Anne Bourgmeyer (21) spielt in einer Seniorenresidenz in Trier mit Bewohnerinnen ein Gesellschaftsspiel. Die Studentin wohnt dort mietfrei – dafür, dass sie mit den Bewohnern Zeit verbringt
Foto: Harald Tittel | Anne Bourgmeyer (21) spielt in einer Seniorenresidenz in Trier mit Bewohnerinnen ein Gesellschaftsspiel. Die Studentin wohnt dort mietfrei – dafür, dass sie mit den Bewohnern Zeit verbringt
Monika Büdel
 |  aktualisiert: 21.11.2021 02:22 Uhr

"Die meisten Menschen wollen auch im Alter zuhause leben", sagt Sebastian Puglisi, Geschäftsleiter der Caritas-Sozialstation St. Rochus Lohr. Eine Reaktion darauf ist das Angebot der Tagespflege, die im nächsten Jahr in Steinfeld für das Einzugsgebiet der Sozialstation plus der Gemeinden auf der fränkischen Platte starten soll. Das erläuterte Puglisi am Montag in einem Pressegespräch. Die Tagespflege sei ein Baustein, um ambulante Pflege zukunftsfähig zu machen.

Die Tagespflege in Steinfeld wird laut Puglisi 19 Plätze umfassen. Der Geschäftsleiter geht davon aus, dass diese im Lauf einer Woche von circa 45 Menschen genutzt werden können. Die Tagespflege sei in erster Linie ein Entlastungsangebot für Angehörige und eine Möglichkeit der Aktivierung für Senioren.

Erfahrungen bei anderen Tagespflegeeinrichtungen zeigten, dass die Senioren zwei bis drei Tage pro Woche buchen. Dieser Umfang sei – je nach Pflegegrad – das, was über die Pflegekasse abgedeckt werden könne, ohne dass die Gäste zuzahlen müssten. Schon aus diesem Grund gehe er davon aus, dass nicht durchgehend alle Tage dieselben Gäste die Tagespflege nutzen. Puglisi verdeutlicht es mit dem Hinweise: "Wir haben fünfmal die Woche 19 Plätze." Über die Voranmeldung hätten sich 27 Interessierte vormerken lassen, obwohl die Werbung noch gar nicht angelaufen sei. Im Cari-Zentrum, das der Caritas-Verband für den Landkreis Main-Spessart für die nächsten Jahre plant, seien weitere 19 Tagespflegeplätze vorgesehen.

Keine Pflegebetten

An wen richtet sich das Angebot? Nach Auskunft Puglisis liegt der Schwerpunkt bei den Pflegegraden eins bis drei, die eine oder der andere komme eventuell mit Pflegegrad vier hinzu. Es werde keine Pflegebetten und spezielle Vorrichtungen für Demenzkranke mit Weglauftendenz geben. Im Vordergrund stünden Abwechslung und Aktivierung der Gäste. Im Beratungsgespräch könne geklärt werden, inwieweit das Angebot für den potenziellen Gast geeignet sei. Die Seniorinnen und Senioren werden vom Fahrdienst des Bayerischen Roten Kreuzes abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Puglisi rechnet zunächst mit einer Auslastung von 15 Plätzen pro Tag. Das Essen werde von einem Gasthaus geliefert.

Puglisi denkt über die Tagespflege hinaus hin zu betreuten Wohnformen und Wohngemeinschaften. "Das sind Projekte für die Zukunft, aber wir müssen uns Gedanken machen, wie die Pflege im Main-Spessart-Kreis gewährleistet werden kann." Die Möglichkeiten stehen und fallen mit dem Personal. Ohne ausreichend Pflegekräfte keine Angebote. Deshalb seien attraktive Arbeitsbedingungen das A und O. Einen wesentlichen Beitrag dazu soll das neue Verwaltungszentrum an der Rechtenbacher Straße leisten. Dort will die Raiffeisenbank im nächsten Jahr bauen, um die Räume 2023 an die Sozialstation zu vermieten. Ein ausreichend großer Sozialraum, Parkplätze und eine Raumstruktur, die die logistischen Abläufe optimiert, seien Punkte, die dem Personal zugutekämen.

Verlässliche Arbeitszeiten

Für den Geschäftsleiter der Sozialstation werde in der Öffentlichkeit und in den Medien der Pflegekräftemangel zu sehr und zu Unrecht auf das Verdienstthema reduziert. Die Einkommenssituation habe sich, wo Tarif gezahlt werde, seit ein paar Jahren deutlich verbessert.

Wesentliche Faktoren für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Arbeitszeiten und freie Tage, auf die sie sich verlassen können, und Balance im Team. "Man braucht einen hohen Fachkräfteanteil und ausreichend Pflegehelfer." Mit der Umstellung auf Ein-Schicht-Betrieb habe sich die Arbeitssituation in der Sozialstation deutlich verbessert.

Wenn die Personaldecke zu dünn sei, komme es zu Überlastungen, diese führten zu Krankheitsfällen, die weitere Überlastung des übrigen Teams nach sich ziehe. "Ein Teufelskreis", sagt Puglisi. Zur Strategie der Sozialstation gehöre, selbst auszubilden und die Absolventen zu übernehmen. Entlastung habe die Digitalisierung der Dokumentation gebracht. Das gehe rationeller und könne auch von zuhause erledigt werden. Abhängig sei die Planung vom Gesetzgeber: "Wie ist die Erlössituation? Wie viele Stellen bekomme ich refinanziert?"

Privatleben wichtig

Die steigenden Corona-Inzidenzzahlen drücken laut Puglisi momentan die Stimmung. Da sei die Angst, sich und andere anzustecken und die erneuten Einschränkungen aufgrund der hohen Infektionszahlen. "Unsere Arbeit ist mit viel emotionaler Hingabe verbunden. Das Privat- und Freizeitleben ist für die Pflegekräfte ein sehr wichtiger Ausgleich." Als Belastung komme wieder das Testen für Geimpfte und Ungeimpfte dazu. Laut Puglisi sind nahezu 99 Prozent der 62 Mitarbeiter geimpft. Die, die es nicht seien, würden integriert, das sei besser als diskutieren. "Wir sind ein gutes Team."

Sorgen bereitet dem Sozialstationsleiter der fehlende Nachwuchs im Bereich Ehrenamt. Als Rochus-Partner bieten die Ehrenamtlichen Entlastungsstunden für pflegende Angehörige an und sorgen für Aktivierung und Begleitung von Menschen mit Pflegegrad. "Man hätte den Zivildienst nicht abschaffen sollen. Ich war selbst Zivi. Hätte es das nicht gegeben, wäre ich nicht hier." Über den Bundesfreiwilligendienst komme niemand.

 
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