Zwei Erwachsene, ein Kind
Und was noch interessanter ist: Langhans fand unter dem Boden im Südturm eine Steinplatte und darunter ein Grab mit Skeletten von zwei Erwachsenen und einem Kind. "Möglicherweise ein heiliges Grab", vermutet Weyer. Betrachtet man den unteren Teil des Südturms von außen, sieht man heute noch an dessen Ostseite den Ansatz einer kleinen Apsis und einen Bogen, der mit neueren Steinen ausgemauert wurde. "In diesem Bogen befindet sich die Grabstätte", erklärt Weyer.
Für den Neustadter bestätigte sich damit die Tatsache, dass sich das Kloster von 781, zu dem die damalige Vierungskirche gehört hatte, viel weiter in Richtung Süden ausgedehnt haben muss, als bisher bekannt ist. "Die Marienkapelle war damals wahrscheinlich die Kapelle des Konvents", vermutet Weyer.
Zu diesem ehemaligen Benediktinerkloster gehörte auch der untere alte Teil des Nordturms der heutigen Abteikirche, der damals frei stand und wahrscheinlich dem Kloster als Wachturm diente. Für Weyer wird dies durch den Standort des Turms belegt, denn "dieser steht auch im gleichen Winkel von +10,5 Grad nach Osten wie die Vierungskirche". Zudem sehe man innen die karolingischen Fensteröffnungen an allen vier Seiten. "Auch im Inneren der Neustadter Pfarrkirche gibt es Nachweise des Benediktinerklosters, das 781 vom Erzbischof Lullus von Mainz und Bischof Willibald von Eichstätt im Beisein von Karl dem Großen eingeweiht worden war", berichtet Weyer.
Bei Heizungsarbeiten in der Neustadter Pfarrkirche sei im März 1987 nämlich in zirka zwei Metern Tiefe eine Mauer im westlichen Chorraum entdeckt worden. "Diese Mauer steht ebenfalls auf dem gleichen Bodenniveau und im gleichen Winkel wie die Vierungskirche", hat Weyer an einem vorhandenen Bild und den Grabungszeichnungen ausgemessen. Weiterere Funde wurden 1977 von Dr. Vychitil bei Grabungen im südwestlichen Klosterhof entdeckt.
Fundstücke verschwunden
Er fand neben karolingischen Gebrauchswaren auch Mauern eines karolingischen Gebäudes mit einer Länge von etwa zehn Metern parallel zum heutigen Kloster. Weyer bedauert, dass damals wie beim Abriss der Klosterruine im Jahre 1960 keine amtlichen Grabungen durchgeführt wurden. Fünf Fundstücke habe Vychitil damals dem Landesamt für Denkmalpflege in Würzburg übergeben, die dort heute nicht mehr aufzufinden sind, sagt Weyer. Für ihn stellt sich auch die Frage wann die Marienkapelle, die heutige Werktagskirche, von ihrer damals ursprünglichen Stelle im Südturm an ihren heutigen weiter südlich liegenden Platz verlegt wurde. Diese neuere Marienkapelle wurde bis ins Jahr 1973 als Sakristei genutzt. Weyer weiß dieses noch aus seiner Ministrantenzeit in den 60er Jahren.
Reliquien von Maria und Martin
Die Kapelle im Südturm beweist laut Weyer, dass das Marienpatrozinium auch beim dritten Benedikinterkloster, das samt Vierungskirche im Jahre 781 eingeweiht worden war, noch existierte. "Laut der Stiftungsurkunde erhielt das Kloster Neustadt damals von Karl dem Großen eine Reliquie der Heiligen Maria und des Heiligen Martin." Weyer vermutet, dass die Marienkapelle im Rahmen des von Bischof Julius Echter initiierten Klosterneubaus (1615 bis 1623) an den heutigen Standort vor den Kapitelsaal verlegt wurde. "Vielleicht war es aber auch schon beim romanischen Klosterneubau um das Jahr 1100." Was es mit dem Grab unter der Steinplatte im Südturm auf sich hat, vermag auch Weyer nicht zu sagen. Er hofft, dass die Skelette bald von Fachleuten untersucht werden und diese deren Alter feststellen können.