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LANGENPROZELTEN
Sindersbachsee: Viele Verbote, aber nur wenige Kontrollen
„Frieden findet man nur in den Wäldern“, wusste schon Michelangelo. Unter anderem deswegen zieht es sommers Erholungssuchende zu Dutzenden und an machen Tagen zu Hunderten an den Sindersbachsee. Bis weit aus dem hessischen Raum kommen die Besucher an das idyllisch gelegene, saubere Gewässer.
Der Sindersbachsee bei Langenprozelten ist mit Wald, Wiese und sauberem Wasser einer der wenigen Badeseen im weiten Umkreis. Dabei ist, streng genommen, nicht einmal das Baden erlaubt.
Foto: Archivfoto Günther Felbinger | Der Sindersbachsee bei Langenprozelten ist mit Wald, Wiese und sauberem Wasser einer der wenigen Badeseen im weiten Umkreis. Dabei ist, streng genommen, nicht einmal das Baden erlaubt.
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Fillies
 |  aktualisiert: 09.06.2014 10:29 Uhr

Der künstlich angelegte See, den der namengebende Sindersbach von Ruppertshütten kommend durchströmt, glänzt mit ausgezeichneter Wasserqualität. Sie wird regelmäßig vom Gesundheitsamt kontrolliert. Der Landkreis Main-Spessart hat den See vergangenes Jahr als EU-Badegewässer angemeldet, obwohl das Baden verboten ist. Eigentlich.

Eigentlich verboten ist manches von dem, was die Menschen am und im See dennoch gerne treiben: baden, sonnenbaden, FKK, grillen, biwakieren, zelten, angeln, Hunde ausführen und trainieren, Modellmotorboote fahren, Autos und Motorräder parken. Kontrolliert wird eher selten, toleriert vieles. Ärger gibt es eigentlich nur dann, wenn die Vorstellungen von Erholung kollidieren, wenn an heißen Tagen die Menschen am etwa ein Kilometer langen Ufer enger zusammenrücken müssen und sich nicht vertragen.

Einen Fall schildert Conny Reps aus Gemünden. Am Mittwoch, 22. Juli, liefen sie und eine Freundin mit ihren Hunden den Trampelpfad am See entlang, um in den hinteren, entlegenen Bereich der Wiese zu gelangen. Die Hunde waren angeleint. „Als wir im Begriff waren, an einer Gruppe Menschen, die sich direkt über dem Pfad breit gemacht hatten, vorbeizulaufen, wurden wir plötzlich von einem Herren aufs Übelste verbal attackiert. Wir wussten erst gar nicht, wie uns geschah. Das Feinste, was er vom Stapel ließ, war irgendetwas mit ,schlechter Kinderstube‘.

Unsere Sonnenbrillen haben ihm scheinbar auch nicht gefallen, denn er ließ sich auch darüber aus. Kurz gesagt, er kramte in seinen untersten Schubladen. Als ich ihn, natürlich völlig perplex fragte, wieso er uns so pampig attackiert, wurde er nur noch aggressiver, und wir zogen es vor, diesen Menschen stehen zu lassen, bevor er noch handreiflich wurde.“

Conny Reps' Fazit der Erlebnisses: „Rücksicht, Respekt und Toleranz beruhen immer auf Gegenseitigkeit, und das ist übrigens glücklicherweise bei den meisten Leuten, die ich kenne oder die mir begegnen, auch der Fall.“

 

„Rücksicht, Respekt und Toleranz beruhen immer auf Gegenseitigkeit“

Conny Reps Spaziergängerin am See

Die Rhein-Main-Donau AG (heute E.ON Wasserkraft) hatte den Sindersbachsee 1976 als Ausgleichsbecken für ihr Pumpspeicherkraftwerk angelegt und der damals selbstständigen Gemeinde Langenprozelten samt Umgriff als Erholungsgelände überlassen. Ortsvereine regelten und überwachten den Badebetrieb; es gab einen Toilettenwagen, Umkleiden und sogar einen Kiosk. Die Stadt Gemünden als Rechtsnachfolgerin Langenprozeltens wollte den Aufwand nicht mehr betreiben. Nach einem Unfall mit tödlichem Ausgang im See erließ die Stadt 1981 das bis heute gültige Badeverbot. Zweimal wöchentlich jedoch lässt sie die Abfalleimer am See leeren und die Liegewiesen ab und an mähen. Dazu zahlt E.ON Wasserkraft einen Zuschuss.

Einen letzten Versuch, dem ungeregelten Badebetrieb einen rechtlichen Rahmen zu geben, unternahm MdL Eberhard Sinner 2003. Zuvor schon hatte sich der frühere Gemündener Bürgermeister Hans Michelbach für einen Sindersbachsee-Zweckverband mit der Stadt Lohr und dem Landkreis Main-Spessart ausgesprochen. Geschehen ist nichts. Insbesondere das Fehlen von Toiletten ist im Hinblick auf die Nutzung als Badesee und auf das angrenzende Wasserschutzgebiet nicht hinnehmbar. Eigentlich.

Dabei handelt es sich bei dem Erholungsgelände nicht um einen rechtsfreien Raum. Es liegt im Naturpark Spessart, womit die Landschaftsschutzgebietsverordnung gilt, außerdem das Waldgesetz. Schilder weisen auf das Badeverbot, das Landschaftsschutzgebiet, das Verbot offener Feuer, das Durchfahrts- und das Parkverbot hin. Dieter Stockmann von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Main-Spessart erläutert:

• Hunde müssen grundsätzlich angeleint sein.

• Grillen: „Alles, was brennt, ist Feuer.“ Und Feuer ist im Landschaftsschutzgebiet, im Wald sowieso und bis zu 100 Meter vor einem Wald verboten.

• Biwakieren, Zelten: verboten.

• Modellmotorboote: Der Lärm darf Brutstätten nicht beeinträchtigen.

• FKK: „Der Igel läuft auch nackig durch die Gegend.“

• Angeln darf nur der Pächter des Fischgewässers.

• Parken, Kraftfahrzeugverkehr ist außerhalb von Straßen verboten.

Für Grillfeste und Zeltübernachtungen zum Beispiel von Pfadfindergruppen oder für Ferienspaßaktionen können bei der Unteren Naturschutzbehörde Ausnahmegenehmigungen beantragt werden.

Bertram Ebert, stellvertretender Leiter der Polizeistation Gemünden ergänzt: Streifen kontrollieren öfter die (gesperrte) Zufahrt zum See ab dem unteren Parkplatz. Das Befahren und Parken kosten jeweils mindestens 15 Euro Bußgeld.

Die Stadt Gemünden versucht nicht, ihr Badeverbot für das jetzt offizielle EU-Badegewässer mit Verwarnungsgeldern durchzusetzen. Eigentlich gilt am Sindersbachsee, was Friedrich Schiller im „Wilhelm Tell“ schrieb: „Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.“

 
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