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MARKTHEIDENFELD
Siggi Held: Fußballspiele mit der Blechdose
Eine Aufnahme aus dem Sommer 1966: Die beiden Fußball-Nationalspieler und Vize-Weltmeister Siggi Held (im offenen Wagen rechts) aus Marktheidenfeld und Vereinskamerad Lothar „Emma“ Emmerich (links daneben), die damals beide bei Borussia Dortmund spielten, beim Autokorso durch die Petzoltstraße in Marktheidenfeld nach dem WM-Finale in England, das Deutschland mit 2:4 verloren hatte. Das Foto ziert sogar ein Originalautogramm von Siggi Held.
Foto: ARCHIVGÜNTER REINWARTH | Eine Aufnahme aus dem Sommer 1966: Die beiden Fußball-Nationalspieler und Vize-Weltmeister Siggi Held (im offenen Wagen rechts) aus Marktheidenfeld und Vereinskamerad Lothar „Emma“ Emmerich (links ...
Von unserem Mitarbeiter MARTIN HARTH
 |  aktualisiert: 23.03.2013 12:04 Uhr

Sein Buch beginnt in England, wo ihn das Wembley-Tor 1966 bei der Fußball-WM zum „Unvollendeten“ werden ließ. Sigfried Held, den jeder nur als Siggi kennt, hat kurz nach seinem 70. Geburtstag zusammen mit dem Journalisten Horst Wörner seine Lebenserinnerungen unter dem Titel „Rund um den Ball“ veröffentlicht.

Den früheren Profi-Fußballer mit den markanten Augenbrauen hat man oft als den „Schweigsamen“ charakterisiert. Geschwätzig sind auch seine Erinnerungen nicht geworden. Sie sind nicht voyeuristisch oder sensationell, eher sachlich und analytisch. Diese Eigenschaften haben Held auch als Trainer ausgezeichnet.

Aus den Notizen erfährt der Leser viel über den Fußball, der sich in Helds aktiven Tagen professionalisierte und heute zum großen Geschäft geworden ist. Held erinnert sich an Trainer und Spieler, die deutsche Fußballgeschichte schrieben. Sein Förderer Sepp Herberger taucht auf und Helmut Schön, aber auch Jogi Löw oder Jürgen Klopp, den er als aktuellen Trainer seines Vereins Borussia Dortmund als Menschen mit dem Herz am rechten Fleck charakterisiert. Held berichtet auch von unvergessenen Fußball-Helden wie seinem bereits verstorbenen Freund Lothar Emmerich oder dem dritten Partner im einst umjubelten Borussen-Sturm, Reinhard „Stan“ Libuda.

Eher zufällig war Marktheidenfeld zu Helds Heimatstadt geworden, denn er wurde am 7. August 1942 in Freudenthal im Sudetenland geboren. Die Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs brachte seine Familie im Viehwaggon zunächst nach Würzburg und schließlich nach Marktheidenfeld. Dort erlebte er seine Kindheitsjahre in den beengten Verhältnissen der Holzbaracken der „Düsseldorfer Siedlung“. Es war eine Zeit, in der es ums Überleben ging.

„Wir waren zunächst Fremde, eher ungeliebt und skeptisch beäugt.“
Siggi Held über seine erste Zeit in Marktheidenfeld

„Irgendwann holte uns der normale Alltag ein. Wir waren zunächst Fremde, eher ungeliebt und skeptisch beäugt. Aber im Laufe der Jahre kamen wir in der neuen Gesellschaft an und lebten uns ein“ – so beschreibt Held jene Jahre. Sein Vater verkaufte als Bahnbeamter die Fahrkarten am Marktheidenfelder Bahnhof und im jüngsten Alter nahm er seinen Sohn mit auf den Sportplatz des TV Marktheidenfeld an der alten Turnhalle. Dort wurde der Wunsch geboren, Fußballer zu werden.

Wie das Wetter auch war, Siggi Held und seine Freunde gingen raus ins Freie und natürlich spielten sie Fußball. In Feld, Wald oder auf der Wiese sei Mann gegen Mann, „Drei gegen Vier“, oft auf ein Tor gekickt worden – und wenn kein Ball da war, fand sich zumindest eine Blechdose.

Dieses tägliche Training sei, so schreibt Held, gepaart mit seinem Talent und der aus der Not erlernten Disziplin zum Schlüssel seines späteren Erfolgs geworden. Mit 15 Jahren wurde der Straßenkicker schließlich Mitglied des TV Marktheidenfeld, wo er sich zunächst als Torwart der Jugendmannschaft langweilte. Bis 1963 hatte er sich in die Erste Mannschaft gestürmt und das Talent sollte bei Kickers Offenbach seine Profi-Karriere beginnen, die ihn nur drei Jahre später ins Endspiel der Fußball-WM in England führen sollte.

Einen ordentlichen Beruf hat der Fußball-Profi in Marktheidenfeld auch erlernt. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre bei einem Steuerberater. Dass sich Held nicht nur durch eiserne Disziplin auszeichne, dafür zieht der Autor in seinen Erinnerungen seine aus Marktheidenfeld stammende Frau Christine, geborene Petz, als Zeugin heran. Sie würdigt er als große Stütze auch für seine beiden Kinder in seinem Berufsleben. Er sei in seiner Jugend, wie seine Frau wisse, schon auch hin und wieder mit seinen Kumpels durch die Gassen gezogen.

Im Buch erinnert sich Held an eine Episode, als er sich 1961 mit einem Freund zwölf Flaschen Weinbrand und zehn Kästen Bier mit einem Fußmarsch nach Würzburg und zurück in sechs Stunden und 40 Minuten erwanderte. Ins Erzählen gekommen, setzt der einstige Fußballstar noch einen mit seinem „Lieblingsspruch“ aus früheren Tagen drauf: „Der große Duft der weiten Welt – Paris, New York, Marktheidenfeld.“

Held hat eine Leidenschaft für den Golfsport entwickelt. Da sein Marktheidenfelder Freund Helmut Viering alljährlich beim Golfclub Main-Spessart zur Laurenzi-Messe ein Turnier ausrichtet, zieht es Held als Gast schon noch an den Main. Im Juli 2010 traf er dabei Georg „Schorsch“ Volkert, der 1965 seine Profikarriere im Fußball beim 1. FC Nürnberg startete, und die Schauspielerin Elke Sommer. Von den witzigen Erzählungen aus dem Leben des einstigen Hollywood-Stars aus Franken fühlte Held sich bestens unterhalten, wie er in seinem Buch am Ende festhält.

Kurz kommt in den Erinnerungen ein ernsthaftes Thema zur Sprache, das auch mit Helds Vergangenheit in Marktheidenfeld zu tun hat. Der Autor beschreibt sich als politisch denkenden Menschen, wenn auch mit skeptischem Abstand zur Parteipolitik. In einem Kapitel über den Anteil ausländischer Spieler im Fußball wird Held jedoch grundsätzlich: „Ich hatte nie Berührungsprobleme mit ausländischen Mitbürgern, was sicher auch damit zu tun hatte, dass meine Familie als Vertriebene zunächst fremd im eigenen Land war.“

Buchtipp: Siggi Held, Horst Wörner; Rund um den Ball, Erinnerungen; 188 Seiten; Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2013; ISBN: 978-3-87336-421-9

Sigfried („Siggi“) Held

Von 1963 bis 1981 spielte er als Profi-Fußballer bei Kickers Offenbach, Borussia Dortmund, Preußen Münster und Bayer Uerdingen. Der Stürmer und spätere Mittelfeldspieler erzielte in 422 Bundesligaspielen 72 Tore und bei 47 Begegnungen des DFB-Pokals weitere acht Tore. In seiner erfolgreichsten Saison 1965/66 wurde er mit Borussia Dortmund hinter 1860 München deutscher Vizemeister und errang mit seinem Vereinsteam im Endspiel gegen den FC Liverpool den Europapokal der Pokalsieger. 1965 hatte Borussia Dortmund den DFB-Pokal gewonnen. Im Europa-Pokal stehen vier Tore in elf Spielen in Helds Bilanz. In der deutschen Fußballnationalmannschaft schoss Held fünf Tore in 41 Spielen von 1966 bis 1973. 1966 wurde Held mit dem deutschen Team in England Vize-Weltmeister und 1970 Dritter bei der Fußball-WM in Mexiko. Nach der Zeit als Fußball-Profi wechselte Held ins Trainerfach und erlebte eine wechselvolle internationale Karriere als Vereinstrainer bei Schalke 04, BV Lüttringhausen, Galatasaray Istanbul (Türkei), FC Admira/Wacker (Österreich), Dynamo Dresden, Gamba Osaka (Japan) und VfB Leipzig. Er war Trainer der Olympia-Auswahl Ägyptens sowie Nationaltrainer in Island, Malta und Thailand. Seit 2007 dient der Ex-Profi seinem erklärten Lieblingsverein Borussia Dortmund als Fanbeauftragter. TEXT: MAHA

So sieht das Buchcover aus: Siggi Helds Memoiren.
Foto: REPRo: M. HARTH | So sieht das Buchcover aus: Siggi Helds Memoiren.
 
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