Wochenlang geisterte er als Einzelgänger durch die Wälder zwischen Partenstein, Ruppertshütten, Langenprozelten und Lohr. Nun ist der Damhirsch tot. Das Tier, das wohl schon vor längerer Zeit aus einem Gehege ausgebrochen war, wurde im Staatswald zwischen Ruppertshütten und Partenstein erlegt.
Zuvor hatte das Landratsamt den seltenen Waldgänger zum Abschuss freigegeben. Grund: Damwild darf nicht zuletzt zum Schutz des Waldes in Deutschland per Gesetz ebenso wie beispielsweise das Rotwild in freier Wildbahn nur in genau definierten Gebieten vorkommen. Der Spessart ist zwar als Rotwildgebiet ausgewiesen, nicht jedoch als Lebensraum für Damwild. Deswegen war dem zwei- bis dreijährigen Hirsch kein längeres Leben in freier Wildbahn vergönnt.
Schon über ein Jahr unterwegs?
Wobei es durchaus denkbar ist, dass das nun von einem Staatsförster erlegte Tier schon weit mehr als ein Jahr im Wald umhergezogen ist. Jedenfalls war im Mai 2017 ein Damhirsch wiederholt im Lohrer Stadtwald gesichtet worden. Das Tier ließ damals am helllichten Tag Menschen bis auf etwa 20 Meter herankommen, bevor es sich aus dem Staub machte.
Nachdem die Presse über die ungewöhnliche Sichtung berichtet hatte, meldete sich damals die Eigentümerin eines Damhirschgeheges aus Partenstein. Ihr sei ein Hirsch abhandengekommen, vermutlich über den Zaun gesprungen. Die Versuche Hansi, wie das Tier genannt wurde, wieder zurück ins Gehege zu locken, schlugen damals fehl.
In Fotofalle getappt
Schließlich war der Hirsch komplett verschwunden. Es wurde bereits gemutmaßt, dass das an tägliche Futtergaben gewöhnte Tier den Winter im Wald nicht überleben würde. Vor wenigen Wochen tauchte plötzlich wieder ein Damhirsch im Lohrer Stadtwald auf. Förster Klaus Werner sichtete ihn im Bereich des Lehngrunds unweit der Roten Mühle zwischen Lohr und Partenstein. Daneben tappte das Tier auch in eine im Staatswald installierte Fotofalle.
Die Sichtung setzte den gleichen Verwaltungsvorgang wie bereits vor einem Jahr in Gang. Die Untere Jagdbehörde des Landratsamtes gab das Tier zum Abschuss frei. Vor einer großräumigen Drückjagd Ende Oktober im Wald zwischen Neuendorf, Sackenbach, Lohr und Partenstein staunten daher manche Jäger nicht schlecht, als die Jagdleiter neben Wildschweinen, Rehen und Rotwild auch einen Damhirsch zum Abschuss freigaben.
Kein Fluchtreflex
Doch die Jagd ging ohne eine Sichtung des Hirsches vorüber. Vor wenigen Tagen jedoch entdeckte ein Staatsförster das Tier bei der morgendlichen Fahrt durchs Revier. Die Art, wie sich der Hirsch dabei verhielt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass er aus einem Gehege stammte. Er ließ den Förster aus dem Auto aussteigen und die Waffe hervorholen, ohne die Flucht zu ergreifen. Das war ein Fehler. »Ein Reh wäre längst fort gewesen«, beschreibt der Förster den Moment. Er lässt aus der seltenen Jagdbeute nun Schinken machen. Laut Betriebsleiter Daniel Zippert wurde im Bereich des auch für den Staatswald um Ruppertshütten zuständigen Forstbetriebs Hammelburg letztmals 2011 Damwild erlegt. Auch damals habe es sich wohl um einen Gehegeausbrecher gehandelt. Nicht selten werde den Tieren die Flucht dadurch ermöglicht, dass Bäume auf die Zäune stürzen.
In diesem Jahr seien in seinem Zuständigkeitsbereich zwei solche Gehegeausbrüche gemeldet worden, sagt Zippert. Noch unklar sei der Verbleib von vier Stück Damwild, die seit Anfang 2018 im Bereich Mittelsinn/Obersinn abgängig sind.
Der Hirsch hatte jedenfalls ein besseres Leben als unsere Mastschweine.