Karl Schmitt war gerade einmal sechs Jahre alt, als seine Familie im Januar 1944 das letzte Lebenszeichen seines Vaters Hermann von der Ostfront bei Ljuban im Raum von St. Petersburg erhielt. Seitdem gilt der Binsfelder Soldat wie Millionen andere als vermisst. Wie unzählige Familien wandten sich die Schmitts gleich nach Kriegsende an den Suchdienst des wieder zugelassenen Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, um Informationen über den Verbleib des Vaters zu bekommen. Später startete Enkel Uwe regelmäßig alle zehn Jahre weitere Online-Anfragen. Alles blieb ohne Erfolg. Auch jetzt, fast 76 Jahre danach, konnte Oliver Bauer vom unterfränkischen Bezirksverband bei seinem Vortrag über die Arbeit seines Vereins im Thüngener evangelischen Gemeindesaal nicht weiterhelfen.
"Die Familie Schmitt ist einer der besonders tragischen Fälle, bei denen zum Kummer der Hinterbliebenen noch das unsägliche Leid hinzu kommt, nicht zu wissen, wo der Vater, Bruder oder Sohn gestorben ist. Es gibt kein Grab, das man besuchen, Abschied nehmen und ein klein wenig Trost erhalten kann", sagte Bauer. Von Hermann Schmitt sind heute nur noch die Erkennungsmarke "-1660- 2./I.B.E. 302" und der letzte Aufenthaltsort seiner Einheit bei Solobodka bekannt.
Seit 1990 über 900 000 Opfer umgebettet
Auch fast 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg habe der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge nichts an seiner Bedeutung verloren, betonte Geschäftsführer Bauer. Vor allem seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, als man Zugang zu den östlich gelegenen Stätten und ehemaligen Schlachtfeldern bekommen hat, steigt die Zahl der neu entdeckten Gräber stark an. Seit 1990 wurden über 900 000 Opfer umgebettet, in den nächsten zehn Jahren sollen noch einmal rund 200 000 dazu kommen
Der Volksbund sieht heute seine Aufgaben in drei Bereichen: die Betreuung der Angehörigen – soweit noch vorhanden – sowie Fürsorge für die 832 Kriegsgräberstätten in 46 Ländern mit rund 2,8 Millionen Toten. Wichtig ist dem Verein aber auch die Erinnerungs- und Gedenkkultur und damit eng verbunden die Bildungsarbeit mit Jugendbegegnungen, bei dem der Soldatenfriedhof als Lernort verstanden wird. Während die Nachkriegsgeneration noch einen traurigen Bezug zu den Ereignissen und dem millionenfachen Leid hatten, müsse man den Menschen der zweiten und jetzt dritten Generation die Geschichte und ihre Folgen immer wieder ins Gedächtnis rufen, sagte Bauer.
Erinnerung und Mahnung
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wird am 16. Dezember 100 Jahre alt. "Sollte der Tod der jungen Männer zwischen 1914 und 1918 wirklich völlig sinnlos gewesen sein?", fragten sich die Gründer damals. Wenigstens glaubte man, ihnen Erinnerung und den anderen Menschen Mahnung schuldig zu sein.