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Lohr
Seine Regierungszeit steht unter keinem glücklichen Stern
Pressemitteilung
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:54 Uhr

Er war der Vorletzte eines Geschlechts, das die Geschichte der Stadt Lohr und des Spessartraums 500 Jahre lang bestimmte, und er starb vor 500 Jahren: Graf Reinhard von Rieneck.

Tragik liegt über seiner Geburt (kurz vor) dem 29. September 1463 auf Schloss Rieneck, der Burg, der seinem Geschlecht den Namen gab (und nicht umgekehrt). Seine Schwester Anna war dort etwa zwei Jahre zuvor geboren worden. Ihre gemeinsame Mutter, Margarethe geb. von Eppstein-Königstein, stirbt wenige Wochen nach Reinhards Geburt, am 27. Oktober 1463, wohl an den Folgen der Entbindung.

Ehewappen der Eltern

Ihr sehr einfacher Grabstein befindet sich in der Pfarrkirche St. Michael in Lohr. Die Hochzeit am 7. Juni 1460 hatte noch ein kunstvolles Ehewappen und das Wandbild eines verliebten Paares im Lohrer Schloss hervorgebracht.

Der Vater Reinhards, Philipp II. der Jüngere, wartet bis November 1465, dann heiratet er Anna von Wertheim. Acht Kinder gehen aus dieser Ehe hervor, von denen die Domherren Thomas (geb. 1472) und Johann (geb. 1473) für ihren Halbbruder die wichtigste Rolle spielen werden, genauso wie für dessen Sohn, den letzten Rienecker Grafen Philipp III.

Über Reinhards Erziehung und Ausbildung ist nichts bekannt. Da sein Vater viele Jahre als Vizedom, also Vertreter des Erzbischofs im sogenannten Mainzer Oberstift, in Aschaffenburg weilt, wird er sich zeitweise um die Belange im Kernbereich um Lohr gekümmert haben. In Urkunden ist er aber nicht fassbar. Merkwürdig ist, dass Reinhard mit dem Heiraten wartet, bis sein Vater 1497 gestorben ist. Zuerst wird festgelegt, wie seine Halbbrüder für den Verzicht auf die Grafschaft entschädigt werden und wer von ihnen regierender Graf werden soll, wenn Reinhard ohne Erben stirbt.

Dann geht es ans Heiraten: Die Wahl fällt auf die 15-jährige Agnes von Gleichen-Tonna. Der Kontakt dürfte über ihre Mutter Elisabeth, geb. von Isenburg-Büdingen, zustande gekommen sein; die Isenburger waren eng mit den Rieneckern verwandt, und zudem bestand Verwandtschaft zu den Grafen von Gleichen über Reinhards Schwester Anna.

Der Umzug aus dem 20 Kilometer nördlich von Gotha gelegenen Gleichentonna dürfte Agnes nicht schwer gefallen sein. Erst 1504 wird der Sohn Philipp geboren - die Quellenlage für diese Zeit ist so gut, dass weitere Kinder auszuschließen sind.

Grünsfeld und Lauda verloren

Reinhards Regierung steht unter keinem glücklichen Stern. Ein Hauptteil der Grafschaft, das Gebiet um die Städte Grünsfeld und Lauda, war durch Erbteilung verloren gegangen und Reinhards Bemühungen um Revision bleiben erfolglos. Er kämpft militärisch und juristisch, häufig ist er in Fehden und Streitigkeiten verwickelt, vielfach verzettelt er sich in Kleinigkeiten.

Hauptgegner Reinhards sind vor allem die Grafen von Hanau (Mitbesitzer in Rieneck und partiell von Partenstein) und die Bischöfe von Würzburg; große Erfolge kann er aber nicht verzeichnen, und als Vizedom in Aschaffenburg ist er nur kurz tätig, bis er aus unbekanntem Grund entlassen wird.

Ein umgänglicher Zeitgenosse scheint er nicht gewesen zu sein: Zum Beispiel klagt die Stadt Rieneck, dass Reinhard Bürgerhäuser und Liegenschaften aufgekauft hat, obwohl sein Vater solche Geschäfte verboten hatte.

Reinhard versucht sich auch als Unternehmer: Er betreibt das Kupfer- und Silberbergwerk im Biebergrund, lässt eine Glashütte im Reichengrund bei Partenstein errichten und mit rigorosen, im Sinne der Zeit »gut gemeinten« Ordnungen regelt er das soziale und wirtschaftliche Leben seiner »Untertanen«.

Fromm und christgläubig

Reinhard stirbt am 17. Dezember 1518 etwa um 5 Uhr nachmittags. Seine Witwe verschickt die Traueranzeigen: Mit »betrübtem Gemüt« teilt sie mit, dass er »durch Schickung des allmächtigen Gottes mit Versehung aller Sakramente nach christlicher Ordnung« wie ein »frommer christgläubiger Graf« verschieden sei und »die Schuld der Natur mit Beschließung seines letzten Endes bezahlt« habe.

Zum Begräbnis erscheint vielleicht der Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg persönlich, denn die Lohrer Bürgermeisterrechnung von 1519 Februar 22 verzeichnet, dass Zentgraf und Rat auf dem Rathaus Wein im Wert von fünf Turnosen vertrunken haben »als unser gnädiger Herr von Mainz einritt«. Beim eingangs genannten Begräbnistrunk sind es nur eineinhalb Turnosen.

Schwert und Streithammer

Bestattet wird der Graf nicht da, wo heute sein Epitaph ist, sondern »unten links bei der Sakristei«, wie Lohrs erster Geschichtsschreiber Georg Höfling 1835 noch berichten kann. Sehr martialisch steht Reinhard da, in der erhobenen rechten Hand den Streithammer, die linke auf das Schwert gestützt. Ein Lächeln wird nur angedeutet. Dem Grabmal wird es eines Tages schlecht ergehen: Reinhards nach der Mode stark ausgeprägte Schamkapsel wird in einer prüderen Zeit, noch vor der Mitte des 18. Jahrhunderts, einfach abgeschlagen.

Der 14-jährige Philipp steht nun vaterlos da, aber das Schicksal trifft ihn gleich noch härter: Mit fast den gleichen Worten wie Agnes den Tod Reinhards mitteilte, schreibt er am 20. Januar 1519, dass seine »liebe Frau und Mutter« Agnes in der Nacht dieses Tages verstorben sei. Wohl kaum aus Kummer: der zeitlich nahe Tod deutet auf eine ansteckende Infektionskrankheit hin.

Agnes' Grabstein wird neben dem ihres Mannes stehen. Die sogenannte Baumeister-Rechnung von 1519 verzeichnet: »10 Turnosen 3 Pfennige haben die Frauen der Ratsfreunde vertrunken nach Mittag, als man für den Dreißigsten unser Gnädigen Frauen seligen Gedächtnis begangen hat.« Nach 30 Tagen endet die Trauerzeit. Manchmal wurde Agnes als »die schönste Frau von Lohr« bezeichnet; aber das war, bevor man das Lohrer Schneewittchen erfand.

Philipp ist nun Vollwaise. Im Februar 1519 erhält er in Aschaffenburg die mainzischen Lehen, 40 Jahre lang wird er die Grafschaft regieren. Er führt sie in eine neue Zeit, wenngleich er ihren alten Glanz genauso wenig wie sein Vater wiederherstellen kann.

 
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