Die Aktion Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig findet deutschlandweit großen Anklang. Der Terminkalender des Künstlers quillt über und beinahe täglich kommen neue Anfragen hinzu. Nach Karlstadt ist Gemünden erst die zweite Stadt im Landkreis Main-Spessart, in der am 28. September Stolpersteine verlegt werden.
Die Idee, eine solche Aktion in Gemünden durchzuführen, hatte Ulf Fischer, seit er auf die Arbeit des Künstlers aufmerksam geworden ist. Als klar war, dass die Unterfränkischen Kulturtage in diesem Jahr in Gemünden stattfinden, wurde aus der Idee ein konkretes Vorhaben. Den Kontakt zu Demnig hatte der 62-Jährige hergestellt, als der Künstler in Karlstadt die ersten Steine verlegte. „Es ist ein Glück, dass er ein paar Tage vorher in Würzburg ist, so müssen wir nicht erst lange auf einen Termin warten“, erzählt Fischer.
Schwierige Spurensuche
Seither versucht Fischer, das Schicksal der letzten in Gemünden verbliebenen jüdischen Mitbürger zu klären. Keine ganz einfache Aufgabe, da mit der Zerstörung des Rathauses im Jahr 1945 auch alle Dokumente verloren gingen. Also musste Fischer andere Quellen auftun, um an Informationen zu kommen. Die fand er zum einen in der Facharbeit des Abiturienten Martin Kaiser, der im Jahr 1983 viele Zeitzeugen nach dem Schicksal der jüdischen Mitbürger in Gemünden befragt hatte.
Außerdem nahm Fischer Einsicht in das Gedenkbuch, das im Staatsarchiv in Koblenz lagert und in dem die Namen aller jüdischen Bürger aufgeführt sind, die deportiert wurden. Das Problem hier: In den Listen führen die beiden Städte Gemünden am Main und Gemünden an der Wohra keine Beinamen, so dass es schwierig ist, die einzelnen Personen ihrem tatsächlichen Wohnort zuzuordnen.
Nach und nach glich Fischer die vorhandenen Informationen miteinander ab. Alles in allem lassen sich nach den bisherigen Recherchen des 62-Jährigen sechs Personen eindeutig identifizieren, die in Gemünden lebten und Opfer des Nationalsozialismus geworden sind. Eine davon ist Heinemann Grünbaum, der am 2. August 1865 in Adelsberg geboren wurde. Er ist am 11. Februar 1943 im Konzentrationslager gestorben. Grünbaum soll verheiratet gewesen sein. Doch Fischer konnte bislang weder den Namen noch das Schicksal der Ehefrau eindeutig klären. Das Paar wohnte in der Mühltorstraße 142, das entspricht der heutigen Scherenbergstraße 11.
In der Obertorstraße 237 (heute 15) wohnte den Informationen zufolge Heinrich Grünbaum, der in Mittelsinn geboren wurde. Auch er soll verheiratet gewesen sein, aber wie schon im Fall von Heinemann Grünbaum findet sich kein Hinweis über den Verbleib der Ehefrau. Heinrich Grünbaum selbst ist 1942 bei einem Osttransport ums Leben gekommen.
Auch Fanny Weinberg, geborene Kahn, die in der Obertorstraße 26 (früher 62) gelebt hat, wurde ein Opfer des Nationalsozialismus. Sie starb am 12. November in Minsk. Nathan Sichel und seine Frau Laura, die am Fischmarkt 2 in Gemünden lebten, starben in Theresienstadt. Erna Blum, die 1888 als Erna Schild geboren wurde und in Gemünden in der heutigen Scherenbergstraße 11 lebte, wurde am 20. Oktober 1941 im polnischen Litzmannstadt ein Opfer des Nationalsozialismus.
Appell an die Bevölkerung
Diese sechs Namen und die damit verbundenen Schicksale werden auf den Gedenksteinen, die Gunter Demnig in Gemünden verlegt, verewigt sein. Aber Fischer hofft darauf, bis Ende des Monats noch weitere Schicksale zu klären. Da sich die ihm zugängigen Quellen erschöpft haben, appelliert er nun an die Gemündener Bevölkerung. „Vielleicht besitzt jemand noch Informationen, die weiterhelfen können“, so Fischer. Sponsoren für die 95 Euro teueren Gedenksteine haben sich bereits genug gemeldet. „Wir haben sogar mehr Sponsoren, als wir bislang Steine verlegen können“, erzählt der Diplom-Ingenieur.
Ende des Monats muss Fischer die Namen an Demnig weitergeben, damit er die Steine rechtzeitig fertigen kann. Zur Verlegung aller Steine am Montag, 28. September, ist ein umfangreiches Rahmenprogramm geplant. Dazu gehört auch, dass die Steinpaten, den Inhalt der Inschrift „ihres“ Steins verlesen werden.