Das eine Ende des Fadens im Mund, den Rest in einer engen Schlaufe um die Hand und – zack! – mit einem schnellen Ruck ist ein Teil der Augenbraue gezupft. Hamed freut sich sichtlich über seinen Erfolg. Der junge Afghane fing am 1. September mit fünf jungen Frauen eine Ausbildung als Friseur an.
Seit Montag laufen für die sechs Auszubildenden die sogenannten Intensivwochen im Friseursalon Väth in Esselbach. In den zwei Wochen bekommen die angehenden Friseure Grundkenntnisse und -fähigkeiten beigebracht – und als Einstieg eben das Zupfen von Augenbrauen.
Sonja Väth betreibt zusammen mit ihrer Tochter Patricia noch Friseurgeschäfte in Marktheidenfeld, Wertheim und Lohr. „Im vergangenen Jahr hatten wir gar keine Auszubildenden“, sagt Chefin Sonja Väth. Nur wenige hatten sich damals beworben und niemand davon erwies sich als geeignet. Immer weniger junge Leute wollen den Friseurberuf erlernen. Laut dem Statistik-Portal Statista ist die Zahl der Auszubildenden im Friseurhandwerk seit 2008 von gut 40 000 auf etwa 22 800 gesunken. Und das obwohl im gleichen Zeitraum die Anzahl der Unternehmen in diesem Bereich leicht angestiegen ist.
Der Trend ist den sechs Auszubildenden im Friseursalon Väth aber egal. Sie haben sich alle bewusst für den Friseurberuf entschieden. „Hier kann man kreativ sein“, sagt die 16-jährige Sophia aus Marktheidenfeld. Ihre ein Jahr ältere Kollegin Sharleena hat nach der Schule erst ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht, um sich dann für den Beruf zu entscheiden. „Der Job ist sehr vielfältig und abwechslungsreich“, sagt die 17-Jährige. Die Freude an der Vielfalt sieht man der jungen Frau auch an der aktuellen Farbe ihrer Haare und Augenbrauen an – ein sattes Grün.
Alle Sechs haben vor ihrer Bewerbung ein Praktikum in einem der Läden der Familie Väth gemacht. Damit lernen die jungen Leute, was im Alltag als Friseur auf sie zukommt. „Und auch wir merken, ob sie zu uns passen“, sagt Sonja Väth. Die Friseurmeisterin will den Auszubildenden eine Chance geben, sich in dem Beruf zu beweisen, ihnen aber auch zeigen, „was sie daraus machen können“.
Der 23-jährige Hamed ist der Exot unter den neuen Ausbildenden. Weniger weil der geborene Afghane Asyl in Deutschland hat, sondern weil er ein Mann ist. Der einzige Mann, der im Moment überhaupt in einem Friseursalon der Väths arbeitet. „Leider gibt es zu wenig Männer, die eine Friseurlehre beginnen“, sagt Patricia Väth. Dabei würden Männer dem von Frauen dominierten Beruf gut tun, „da ist gleich eine andere Stimmung im Laden“, so Väth. In südlichen Ländern sei das Problem nicht so verschärft, da habe der Friseurberuf eine ganz andere Stellung in der Gesellschaft. Männer als Friseure seien dort völlig normal.
Und so lernt auch Hamed an seinem ersten Tag im Friseursalon in Esselbach ganz selbstbewusst das Zupfen von Augenbrauen mit einem Faden. Eine Technik, die ihm seine neue Kollegin Zeynep beibringt. Die junge Auszubildende im dritten Lehrjahr ist Türkin, wo diese Art der Haarentfernung verbreitet ist. „Alle unsere Mitarbeiter haben ihre besonderen Talente und Fähigkeiten, die sie dann ihren Kolleginnen vermitteln“, sagt Sonja Väth. Das Lernen endet nicht mit der Gesellenprüfung. Betriebsintern finden bei den insgesamt 22 Mitarbeitern der vier Väth-Filialen ständig Fortbildungen statt. „Niemand kann sofort alles“, sagt Väth, „und man lernt nie aus.“
Schon vor der Ausbildung hat die 16-jährige Michelle sich Kenntnisse im Friseurhandwerk angeeignet. Fünf Wochen lang hat sie sich in einem Intensivkurs an einer renommierten Friseurschule auf ihre Ausbildung vorbereitet. „Eine harte Schule, wo man exaktes Arbeiten lernt“, sagt Sonja Väth.
Die sechs Auszubildenden arbeiten und lernen vorwiegend in einer der vier Filialen. Einmal im Monat treffen sie sich gemeinsam zu einem Ausbildungstag in einem der Läden. Und hier zeigt sich für Sonja Väth eine der Schwächen im Raum Marktheidenfeld – der öffentliche Personennahverkehr. Die meisten Auszubildenden sind zu jung, um einen Führerschein zu haben. „Und die Busverbindungen sind furchtbar“, sagt Väth. Oft müssten die Eltern die Azubis zur Arbeit fahren. Doch die Eltern sind oft selbst berufstätig. So ist zum Beispiel die 16-jährige Samenta schon fast eine Stunde vor Öffnung des Ladens in Esselbach, weil in ihrem Heimatort Hasselberg kein zeitlich passender Bus fährt.
Ob alle sechs Auszubildenden nach ihrer Lehrzeit übernommen werden, kann Patricia Väth noch nicht sagen. „Grundsätzlich wollen wir möglichst viele nach der Gesellenprüfung bei uns halten“. Aber noch nie hatten sie so viele Auszubildende auf einmal. „Aber noch ist viel Zeit bis dahin und wer weiß, vielleicht sind wir dann um jeden Einzelnen froh, den wir übernehmen können“, so Väth.
Drei Jahre Lehre warten auf die sechs Auszubildenden – viel Zeit, um das Friseurhandwerk nach ihrer Fasson zu lernen.