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LAUDENBACH
Schwere Unruhen vor 150 Jahren in Laudenbach und Wiesenfeld
am
 |  aktualisiert: 09.06.2016 03:44 Uhr

Ein „fürchterliches Spektakel in unserem Ort – antijüdische Unruhen in Wiesenfeld und Laudenbach im Jahr 1866“ – über dieses Thema hielt auf Einladung des Förderkreises ehemalige Synagoge Pfarrer Hans Schlumberger in Laudenbach einen Vortrag. Der Vorsitzende Georg Schirmer begrüßte dazu rund Besucher im alten Rathaus in Laudenbach.

Fast auf den Tag genau vor 150 Jahren ereigneten sich schwere nächtliche Übergriffe gegen die jüdischen Bewohner von Laudenbach und Wiesenfeld. Gruppen junger Männer streiften Nacht für Nacht durch die Gassen und warfen Steine gegen jüdische Häuser, schlugen Fensterscheiben ein, beschädigten Dächer, prügelten mit Stöcken gegen die Türen und versetzten die jüdischen Ortsbewohner in Panik und Schrecken. In Laudenbach mussten tagelang Soldaten in die Häuser einquartiert werden, um die Situation zu entschärfen. Wie konnte es dazu kommen?

Hans Schlumberger, ein ausgewiesener Kenner der jüdischen Geschichte in Mainfranken beleuchtete in seinem Vortrag detailgetreu die Hintergründe der Ereignisse. Im 19. Jahrhundert sollte die jüdische Bevölkerung in Bayern in einem langsamen Emanzipationsprozess Bürgerrechte erhalten. Seit Hunderten von Jahren als Menschen zweiter Klasse behandelt und von den jeweiligen Territorialherren hauptsächlich aus ökonomischen Gründen interessant, sollten Juden nun den Christen gleichgestellt werden.

Vor allem die Beteiligung der jüdischen Bewohner an der „Allmende“, den uralten Rechten der Bauern an der Wald-, Wasser- und Weidenutzungen, war Anlass für den größten Unmut der christlichen Bevölkerung und Auslöser für die Tumulte. Durch den nächtlichen Terror eingeschüchtert, verzichteten in Wiesenfeld die Juden schließlich freiwillig auf ihre verbrieften Rechte an den Gemeindenutzungen. Für die Laudenbacher Juden begannen damit die Übergriffe.

Nachdem nächtelang ihre Häuser attackiert wurden, erschienen am 22. Mai 1866 die jüdischen Brüder Süßer beim Bezirksamt Karlstadt und baten die übergeordneten Behörden um Schutz: „Wir haben bisher mit den christlichen Familien im besten befreundeten Verhältnisse gelebt, gegenwärtig schauen uns dieselben nicht mehr an, geben vielmehr nur Hass und Erbitterung zu erkennen.“

Der Ortsvorsteher, die örtliche Gendarmerie und die „Schleichwachen“ erklärten, die Juden durch ihr „freches Gebaren“ und ihren Wucher den Unmut selbst mit heraufbeschworen. Der Terror und die nächtlichen Übergriffe auf die jüdischen Häuser nahmen von Tag zu Tag zu. Erst nachdem über 100 Soldaten nach Laudenbach abkommandiert wurden, entschärfte sich die Situation. Am 10. Juni 1866 zog das Militär aus Laudenbach ab.

Es wurden damals sechs Tatverdächtige festgenommen, aber nur zwei für je einen Monat Haft verurteilt. Die Gemeinde Laudenbach musste mit einem immensen Betrag den Militäreinsatz selbst begleichen. Obwohl sie massiv dagegen protestierten, wurden auch die Juden selbst anteilig zu den Kosten herangezogen.

Engagiert diskutierten die Anwesenden im Anschluss an den Vortrag und stellten Bezüge zur heutigen Zeit her. Die fast täglichen Übergriffe auf die Unterkünfte von Asylbewerbern in Deutschland würden verdeutlichen, dass die vor 150 Jahren vorgefallenen Ereignisse immer noch hochaktuell seien und sich an den Schwierigkeiten der Integration bis heute nur wenig geändert habe.

 
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