Ein Katalysator für einen Mittelklassewagen ist ein überschaubares Ding - schätzungsweise 30 Zentimeter lang und einigermaßen erschwinglich. Der Katalysator, der momentan im Karlstadter Zementwerk Schwenk eingebaut wird, hat andere Dimensionen. Er ist 55 Meter hoch und kostet rund elf Millionen Euro. Aber: "Technisch passiert hier genau dasselbe wie im Katalysator beim Auto", erklärt Technischer Leiter Wolfgang Schwörer, der bei Schwenk für Verfahrenstechnik zuständig ist. Das Abgas wird nach demselben Prinzip gereinigt.
Im Inneren des Katalysators sind wie beim Auto Keramikelemente mit feinen Durchlasskanälen, beschichtet mit Edelmetallen. Diese werden von dem Abgas aus dem Drehofen durchströmt. Um die 300 000 Kubikmeter pro Stunde hindurchzusaugen, ist ein Rotationsventilator nötig, der eine Leistung von 2,5 Megawatt hat, also 2 500 000 Watt. Der Stromverbrauch dafür wird etwa drei bis vier Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Werks entsprechen, gibt Johann Trenkwalder zu bedenken.
Ökobilanz wäre nicht zielführend
Je nachdem, wie der Strom dafür erzeugt wird, verursacht dies wiederum irgendwo in einem Kraftwerk mehr oder weniger Abgase. Eine Gesamt-Ökobilanz unter diesem Gesichtspunkt wurde nicht erstellt. Das wäre auch nicht zielführend, da der Gesetzgeber unabhängig von den Ergebnissen einer Ökobilanz die Einhaltung aller Grenzwerte mittels technischer Lösungen fordert. Hinzu kommt, dass sich die Herkunft des Stroms physikalisch laufend ändert. Er kann ja auch aus Wind, Sonne und Wasser stammen. Schwenk rechnet mit Betriebskosten in Höhe von rund einer halben Million Euro jährlich.
Es geht darum, die Grenzwerte im Abgas für Stickstoffoxide und Ammoniak einzuhalten. Für Stickstoffoxid lagen sie bisher schon bei 200 Milligramm pro Kubikmeter Abluft. So wird es auch weiterhin bleiben. "Das sind übrigens national und international die schärfsten Grenzwerte für Stickoxide", merkt Schwörer an. Der Grund für solch scharfe Werte ist die Verbrennung von Sekundärbrennstoffen. Bekanntlich werden unter anderem Klärschlamm, Altreifen, Produktionsreste und nicht recycelbare Stoffe aus gelben Säcken verbrannt.
Chemisches Zusammenspiel
Wenn der Grenzwert für Stickoxide unverändert ist, warum dann überhaupt diese immense Investition in den Katalysator? Schuld ist der Grenzwert für Ammoniak. Er wurde von 60 auf 30 Milligramm pro Kubikmeter Abluft gesenkt. Man könnte ihn auch ohne Katalysator erreichen, aber dann würde im selben Moment der Wert bei den Stickoxiden ansteigen. Beide Stoffe stehen chemisch in Zusammenhang.
Vom Drehofen aus wird das Abgas zunächst wie bisher in dem 85 Meter hohen Betonturm - dem sogenannten Wärmetauscherturm - in einem Rohrsystem nach oben strömen. Dort dockt dann der neue Katalysator an. Das 350 bis 400 Grad heiße Abgas wird ihn von oben nach unten durchströmen.
Zur Trocknung von des Kalksteins
Nach der Reinigung wird das Abgas nebenan zu den Kugelmühlen geführt und trocknet dort das Muschelkalkgestein – den Haupt-Rohstoff für die Zementherstellung. Abschließend filtert ein Tuchfilter den allermeisten Staub heraus, ehe das Abgas "über Dach" abgeht, wie die Techniker sagen. Das geschieht wieder über den Kamin am großen Wärmetauscherturm.
Schon im Mai vergangenen Jahres hatte der Bau begonnen. Bis August hatte die Karlstadter Firma Liebstückel ein Sockelgebilde aus Beton errichtet, mit einer Grundfläche von acht mal acht Metern. Anschließend folgte der Stahlbau zusammen mit der Anlagentechnik, ausgeführt von der Schweizer Firma CemCAT.
Reparatur am Drehofen
Seit 17. Januar steht der Drehofen wie in jedem Jahr um diese Zeit still. Bei der Revision wurde ein 31 Meter langes Stück des Rohrofens getauscht. Er hat einen Durchmesser von 5,60 Metern. Ende Februar soll er wieder anlaufen. Bis Ende März werden Justierungen am Katalysator vorgenommen.
Und hier noch einige technische Erklärungen: Bei dem eingesetzten Verfahren handelt es sich um eine Selective Catalytic Reduction, abgekürzt SCR. Die im Rauchgas enthaltenen Stickstoffoxide (NOx) und Ammoniak (NH3) und Sauerstoff (O2) werden in Stickstoff (N2) und Wasserdampf (H2O) umgewandelt. Für die Reaktion wird Harnstoff ((NH2)2CO) zugesetzt. Das Verfahren ist bekannt aus der Ad-Blue-Technik bei Diesellastwagen.