Einen Überblick und Denkanstöße geben will die neue Sonderausstellung im Schulmuseum in Lohr-Sendelbach. Sie zeigt die Entwicklung vom reinen Anschauungsunterricht im Fach Naturkunde im 19. Jahrhundert über den Beginn von Tier- und Pflanzenschutz Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum aktiven Umweltschutz der Schüler von heute auf. Schlagworte wie Klimaschutz, Energiewende, „Natura 2000“, „Fridays for Future“ oder zuletzt die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen Verstößen gegen das Naturschutzrecht zeigen die Aktualität des Themas.
Wenn dies auch bereits mit der Aufklärung Ende des 18. Jahrhunderts seinen Ursprung nahm, so war der Naturkundeunterricht des 19. Jahrhunderts doch noch ein reiner Anschauungsunterricht. Der Lehrer dozierte über Themen aus Biologie und Erdkunde, in höheren Klassen auch aus Physik oder Chemie. Die Aktivität der Schüler bestand darin, mitzuschreiben und zu zeichnen oder dem Lehrer nach Aufruf zu antworten.
Mit der Botanisiertrommel auf Wanderung
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden im Heimatunterricht anhand von Tierpräparaten vorwiegend Tiere aus der Heimat durchgenommen. Bei Wanderungen sammelten die Kinder mit sogenannten Botanisiertrommeln Pflanzen, um diese später im Klassenzimmer zu pressen und mit ihnen kunstvolle Herbarien anzulegen.
In den Schulbüchern wurden zwar sowohl Pflanzen als auch Tiere noch in Schädlinge und Nützlinge eingeteilt, doch langsam setzte ein Umdenken ein. Erste Tierschutzkalender, die von den um die Jahrhundertwende zahlreich gegründeten Tierschutzvereinen herausgegeben wurden, zeigten süße Tierkinder oder plädierten dafür, Nutztiere ordentlich zu halten. Sie waren vom heutigen Begriff des Tierschutzes jedoch noch weit entfernt.
Der Marktheidenfelder Pädagoge Cornel Schmitt, mehrere Jahre auch in Lohr als Leiter der Präparandenschule (Schule zur Ausbildung von Lehrern) tätig, setzte in den 1920er Jahren neue Schwerpunkte: „Ziel des Naturkundeunterrichtes ist es, zum Sehen und Hören, zur Beobachtung, zum elementaren Forschen anzuregen, das Schöne in der Natur zu verstehen, schätzen und lieben zu lernen.“
Richtungsweisende Bücher von Cornel Schmitt
Sein Buch „Von unsern Brüder in Busch und Feld“ holte die Tiere aus ihrer bisherigen Daseinsberechtigung als Fleisch-, Wolle-, Fell- und Federlieferanten und willige Arbeitshilfen für den Menschen und stellte sie als gleichberechtigte Lebewesen dar. Seine Bücher „Heraus aus der Schulstube“ oder „Der biologische Schulgarten“ sind heute noch richtungsweisend.
Vorlagen und Gesetzesentwürfe aus der Weimarer Republik führten dazu, dass 1935 das erste Naturschutzgesetz Deutschlands erlassen wurde, das auch die Naturschutzgesetze nach 1945 beeinflusste.
Am 12. Dezember 1952 beschlossen die Kultusminister: „In allen einschlägigen Schulfächern, besonders im naturwissenschaftlichen und erdkundlichen Unterricht und bei Wanderungen der Volks-, Mittel- und höheren Schulen …ist den Fragen des Naturschutzes und der Landschaftspflege besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die erzieherischen und gemütsbildenden Werte, die den Gedanken und Bestrebungen der Naturschutzbewegung und der Landschaftspflege innewohnen, sind in geeignetem Zusammenhang fruchtbar zu machen.“
Zusammenhänge erleben und begreifen
Schon an dem neuen Namen des Unterrichtsfaches „Heimat- und Sachkunde“ wird deutlich, dass sich der Unterricht weg von der eindimensionalen Betrachtung von toten, ausgestopften Tieren und der Natur entnommenen, gepressten Pflanzen hin zum Erleben und Begreifen von Zusammenhängen und Schutz derselben entwickelte. In den Schulbüchern findet man nun Themen wie „Müllvermeidung“, „Waldsterben“ u.a.
Waren die Schüler noch vor hundert Jahren folgsame Untertanen des Lehrers, so werden sie heute zu mündigen Bürgern erzogen, die in Demonstrationen auf die Straße gehen, um für ihre Überzeugungen in Hinsicht Klima- und Umweltschutz einzustehen und aktiv Veränderungen zu fordern.
„Sicherlich ist die Forderung nach einem nachhaltigeren, umfassenderen Schutz der Natur noch nie so dringlich erhoben worden wie in unseren Tagen. Immer weitere Kreise der Öffentlichkeit werden sich darüber klar, daß diese Probleme heute mit zu den wichtigsten Aufgaben der Menschheit überhaupt gehören…", heißt es in einem Schulbuch von 1954 zum Thema Naturschutz. Vergleicht man ihn mit den heute noch bestehenden und sich größtenteils verschärften Problemen, drängt sich die Frage auf, was in den letzten 70 Jahren im Umweltschutz passiert ist. Wird weiterhin nur wirtschaftlicher Nutzen und finanzieller Ertrag in den Vordergrund gestellt, können die Klimaerwärmung, die Ressourcenverknappung oder die Überbevölkerung nicht gestoppt werden.
Das Lohrer Schulmuseum in Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet (für Gruppen nach Absprache andere Zeiten möglich).