zurück
Lohr
Schulmuseum erhält besonderes Stammbuch
Peter Büdel  (rechts) mit dem Stammbuch in den Händen und Museumsleiter Eduard Stenger im Lohrer Schulmuseum.
Foto: Bettina Merz | Peter Büdel (rechts) mit dem Stammbuch in den Händen und Museumsleiter Eduard Stenger im Lohrer Schulmuseum.
Eduard Stenger
 |  aktualisiert: 13.07.2024 02:35 Uhr

Das Lohrer Schulmuseum ist um ein bedeutendes Exponat reicher. Es handelt sich um ein Stammbuch (besser bekannt als Poesiealbum) des in Würzburg 1791 geborenen Arztes Michael Joseph Weber aus dem frühen 19. Jahrhundert, der unter anderem von 1824 bis 1829 als Arzt in Bütthard wirkte. Der Lehrer i. R. Peter Büdel hat nun das Stammbuch aus dem Besitz seiner Familie dem Schulmuseum als Schenkung überlassen.

Nach dem Tod des Vaters hatte sein Sohn Karl Theodor Weber, später Bezirkstierarzt in Lohr, das väterliche Stammbuch bis zu seinem Tod im Jahr 1900 sorgfältig verwahrt. Wohl aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen kam es später in den Besitz der Familie des Rektors Hans Büdel (1911 bis 1994).

Auf Wunsch des damaligen Lehrstuhlinhabers für Geschichte und Medizin an der Würzburger Universität, Professor Gundolf Keil, beschrieb der Würzburger Hausarzt und Geburtenhelfer Walter Michael Brod, Ehrenbürger der Universität Würzburg (seit 1992), dieses ihm bekannte Stammbuch in einem fünfseitigen Artikel im Mainfränkischen Jahrbuch für Geschichte und Kunst 1995 und weist damit auf die besondere Bedeutung dieses Stammbuchs hin.

Geschichte des Stammbuchs

Das Stammbuch, auch als "Album amicorum" (Album der Freunde) bekannt, kam ab der Mitte des 16. Jahrhunderts in Umlauf. Es geht zurück auf die spätmittelalterlichen Gästebücher des Adels. Später wurden die meist querformatigen Büchlein, oft in Schuberform, von Freunden, Verwandten und Gönnern als Zeichen ihrer Freundschaft mit handschriftlichen kurzen Texten versehen, verwendet.

Im 18. Jahrhundert entstand eine eigene Industrie, die vorgefertigte Grafiken als "Stammbuchblätter" anbot, die individuell beschriftet und dann eingeheftet wurden. Vor allem bei den Studenten erfreute sich das Stammbuch großer Beliebtheit. Es diente ihnen auch zum Sammeln von Empfehlungsschreiben der Professoren und anderer für sie wichtigen Persönlichkeiten und war so gewissermaßen eine Art Legitimation, wenn sie sich bei einer anderen Universität vorstellten. Der Ausdruck "jemandem etwas ins Stammbuch schreiben" bezieht sich wohl auf diese Gewohnheit.

Vor allem Beweise einer "wahren und ewigen Freundschaft" sollten die Einträge in Loseblattform in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts sein. Ab 1850 kam das Stammbuch beziehungsweise Freundschaftsbuch nach und nach außer Mode.

Vom Poesiealbum abgelöst

Nun übernahmen mit entsprechenden Widmungen versehene Couleurartikel die Funktion des Freundschaftssouvenirs, wie sie noch heute bei den Studentenverbindungen üblich sind. Das Poesiealbum trat an die Stelle des Freundschaftsbuchs und wurde eine vor allem bei Mädchen beliebte Form der Zuneigung und Freundschaftsbezeugung. Die meisten Stammbuchblätter entsprechen den damals üblichen Formulierungen. Anlässe sind vor allem Freundschaftsbeweise und Abschied.

Darstellungen  von oben nach unten:  Bernsfelden, die Kapelle zu Oberwittighausen in Baden sowie  Gaurettersheim und Tiefenthal. 
Foto: Repro: Stenger | Darstellungen von oben nach unten: Bernsfelden, die Kapelle zu Oberwittighausen in Baden sowie Gaurettersheim und Tiefenthal. 

"Die Zierden dieser Blätter entstammen dem weitgesteckten biedermeierlichen Repertoire der auf Freundschaft und Zuneigung, auf Abschied und Trennung bezüglichen Motive. Wir finden unter anderem Blumen und Früchte, Urnen, Säulen und Gedenksteine", weiß Walter Michael Brod. Was das Stammbuch aber besonders bedeutsam macht, sind vor allem die zahlreichen Weber-Stammbuchblätter aus der Zeit als Arzt ab 1824, die mit Ortsansichten geschmückt sind. Es sind die Orte Höttingen, Allersheim, Gaurettersheim und Tiefenthal, die seit der Gebietsreform von 1972 inzwischen zum Landkreis Würzburg gehören sowie die Orte Bütthard, Oberwittighausen und Bernsfelden.

Vielleicht erste Ortsansichten

"Die Pinselführung der Wiedergaben der Ortsansichten im Grenzgebiet zwischen dem bayerischen und baden-württembergischen Franken drängt dem Betrachter die Erkenntnis auf, dass nur eine Hand die kleinen Aquarelle hergestellt hat, vielleicht von den Gebern oder vom Beschenkten in Auftrag gegeben (…) es kann gut sein, dass wir in diesen Abbildungen erste, überlieferte, authentische Ortsansichten vor uns haben. (…) Auf Ansichten dieser Dörfer stoßen wir erst wieder nach dem Aufkommen der Ansichtspostkarte, die nach 1865 der Geheime Postrat Stephan, der spätere Generalpostmeister des Deutschen Reiches entwickelte.", erklärt Walter Michael Brod. Ein Stammbuchblatt mit der Ansicht von Gaurettersheim ist übrigens nicht mit einem Text versehen, was obige Vermutung bestätigen könnte.

Nun wird das in rotem Leder gebundene Stammbuch in Schuberform mit seinen vielen Blättern im Archiv des Lohrer Schulmuseums an eine lange vergangene Zeit erinnern und könnte Teil einer geplanten Sonderausstellung über die Biedermeierzeit werden.

Der wiederentdeckte Schatz

Das Stammbuch, auch als "Album amicorum" (= Album der Freunde) bekannt, kam ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Umlauf. Es geht zurück auf die spätmittelalterlichen Gästebücher des Adels. Später wurden die meist querformatigen Büchlein, oft in Schuberform, von Freunden, Verwandten und Gönnern als Zeichen ihrer Freundschaft mit handschriftlichen kurzen Texten versehen, verwendet.
Im 18. Jahrhundert entstand eine eigene Industrie, die vorgefertigte Grafiken als "Stammbuchblätter" anbot, die individuell beschriftet und dann eingeheftet wurden. Vor allem bei den Studenten erfreute sich das Stammbuch großer Beliebtheit. Es diente ihnen auch zum Sammeln von Empfehlungsschreiben der Professoren und anderer für sie wichtigen Persönlichkeiten und war so gewissermaßen eine Art Legitimation, wenn sie sich bei einer anderen Universität vorstellten. Der Ausdruck "jemandem etwas ins Stammbuch schreiben" bezieht sich wohl auf diese Gewohnheit. Vor allem Beweise einer "wahren und ewigen Freundschaft" sollten die Einträge in Loseblattform in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sein.
Ab 1850 kam das Stammbuch beziehungsweise Freundschaftsbuch nach und nach außer Mode. Nun übernahmen mit entsprechenden Widmungen versehene Couleurartikel die Funktion des Freundschaftssouvenirs, wie sie noch heute bei den Studentenverbindungen üblich sind.
Das Poesiealbum trat an die Stelle des Freundschaftsbuchs und wurde eine vor allem bei Mädchen beliebte Form der Zuneigung und Freundschaftsbezeugung.
mebme
Ansichten von (oben nach unten): die Hetezen-Mühle bei Bütthard, der Ort Bütthard und die Apotheke in Bütthard. 
Foto: Repro: Stenger | Ansichten von (oben nach unten): die Hetezen-Mühle bei Bütthard, der Ort Bütthard und die Apotheke in Bütthard. 
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Lohr
Freunde
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Karl Theodor
Studentenverbindungen
Söhne
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top