Unerwartet erfolgreich war die Suche nach Lohrer Spuren des Ehrenbürgers Josef Schloßmann. Der erfolgreiche jüdische Kaufmann, dessen Tod unter den unsäglichen Bedingungen im Ghetto Theresienstadt sich am 4. Januar zum 76. Mal jährte, hat Lohr 1930 die Schloßmannhütte gespendet. Wolfgang Vorwerk, Vorsitzender des Lohrer Geschichts- und Museumsvereins, suchte mit Wanderfreunden des Spessartvereins nach Relikten der Hütte auf dem Buchenberg über Sendelbach.
Schloßmann, geboren 1860 in Wiesenfeld, aufgewachsen in Lohr, als Textilkaufmann in Berlin zu Wohlstand gekommen, war 1930 für seine Wohltätigkeit zum Lohrer Ehrenbürger ernannt worde. Die Schloßmannhütte hatte er bei seiner Ehrenbürgerernennung gestiftet. Jetzt wurden den die Fundamente der in der Nazizeit zerstörten Hütte wieder aufgespürt.
Nachfrage aus Schweden
Ausgelöst hat diese spannenden Spurensuche eine Nachfrage aus Schweden, berichtet der Regionalhistoriker und frühere Diplomat Vorwerk: "Als ich im November 2018 von den schwedischen Schloßmann-Urenkelinnen Maude Bjorklund und Gösta Kärlin gefragt wurde, ob es etwas von ihrem Urgroßvater zu sehen gäbe, wenn sie nach Lohr kommen würden, nannte ich als das mit Abstand Wichtigste, dass die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde durch die Nazis vom Lohrer Stadtrat nie anerkannt wurde."
Das habe der Stadtrat 1985 öffentlich erklärt. Das Porträtfoto ihres Urgroßvaters habe in der Ehrenbürger-Galerie im Neuen Rathaus seinen angestammten Platz. Das Elternhaus am Oberen Marktplatz in Lohr, das Rothschildhaus, ist in den 60er Jahren dem Sparkassenbau gewichen.
Und was die von ihrem Urgroßvater 1930 dem Lohrer Fremdenverkehrsverein gestiftete Schutz-hütte anbelange, so existiere sie wohl schon seit den 1940er Jahren mit Zutun der Nazis nicht mehr. Es sei in Vergessenheit geraten, wo sich die Hütte genau befand.
Fundamente unterm Laub
Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember, konnte Vorwerk den Urenkelinnen ergänzend berichten, dass an diesem Tage die Fundamentreste der Schloßmann-Hütte von 1930 unter einer dicken Laubschicht wieder zum Vorschein gekommen waren. "Ich bin darüber sehr glücklich", teilte er nach Schweden mit. So gebe es wenigstens einen Ort, der konkret mit ihrem Urgroßvater in Verbindung gebracht werden könne.
Mit Wanderfreunden aus Sendelbach, die den Buchenberg kennen, war Vorwerk auf Nachsuche gegangen: Tino Dettenrieder, Walter Siegler und auf dem Weg den Buchenberg hoch stieß noch auf Heinz Kollmann dazu.
"Wir hatten bei einer Wanderung mit dem Spessartverein nach Mariabuchen am Vortag eher zufällig über die Hütte gesprochen. Walter Siegler konnte sich noch erinnern, dass er in seiner Kindheit in den 50er Jahren oft dort oben war, dass es damals noch Fundamentreste gegeben habe." Tino Dettenrieder berichtete, er sei vor etwa zehn Jahren von dem inzwischen gestorbenen Sendelbacher Alfred Weis an den Platz geführt worden, wo man noch Fundament-Reste gesehen habe.
Hügelgräber statt Hüttenreste
Doch heute? Zunächst fand sich nichts, was auf Relikte einer Hütte hindeuten könnte. Zwei auffällige Hügel auf der Höhe stellten sich als die beiden Hügelgräber heraus, die schon lange bekannt und auch als Flur-Denkmäler kartographisch erfasst sind.
"Wir hatten schon etwas enttäuscht den Rückweg angetreten und noch einen nicht mehr bewohnten Fuchsbau, den uns Heinz Kollmann zeigen wollte, in Augenschein genommen." Dabei wurde Tino Dettenrieder oberhalb des Fuchsbaus, etwa 100 Meter südlich der Hügelgräber fündig.
Steine des Hüttenfundaments tauchten unter einer dicken Laubschicht auf. Das Fundament umfasste eine Fläche von 4 Meter mal 3,60 Meter. Das entspricht in etwa den Hüttenmaßen, die sich auf der Aufnahme von der Einweihung 1930, die Walter Siegler dabei hatte, erkennen lassen.
Schloßmann bei Einweihung da
Am 11. Mai 1930 war die Hütte dem Fremdenverkehrsverein, dem Sanitätsrat Hans Hönlein vorstand, im Beisein von Josef Schloßmann übergeben worden. In der Lohrer Zeitung vom 29. November 1930 steht: "Ein Häuslein, aus Holz nur, doch von gefälligem Aussehen, sauber und blank im Innern, mit Bank und Tisch zur Einkehr und Verweilen."
Gefunden wurden schon bei der ersten Begehung Ziegelstücke sowie eine verwitterte Bauklammer, die bei Holzbauten Balken zusammenhält. Hersteller der Doppelmulden-Falzziegel war F.v.MÜLLER EISENBERG PFALZ, wie Walter Siegler aus Bruchstücken zusammenpuzzelte.
Die Hütte lag nach GPS-Messungen von Walter Siegler 323 Meter über dem Meeresspiegel. auf Breitengrad 49,998 und Längengrad 9,587 Längengrad. Der Weg von Sendelbach aus ist bis heute steil. Der 70-jährige Josef Schloßmann ließ sich damals auf dem heute noch existierenden Holzabfuhrweg, der von der Steinfelder Straße aus zur Höhe des Buchenbergs führt, in seinem Mercedes bis zur Hütte fahren.
Nie allerdings ist die damalige Absicht des Fremdenverkehrsvereins verwirklicht worden, vom vielbegangenen tiefer gelegenen Waldweg Sendelbach-Steinbach eine Verbindung zur Schloßmann-Hütte zu schaffen. Vielleicht hatten das die Nazi-Machthaber ab 1933 blockiert, denn Geld scheint vom Fremdenverkehrsverein bereitgestellt worden zu sein.
Blick nach Sackenbach
Die Hütte befand sich nur wenige Meter von der Hangkante des Walds des Freiherrn von Hutten. Die Frontseite zeigte, wie auch ein Trittstein am Eingang belegt, auf diese Hangkante in Richtung Westen, also nach Sackenbach und zum Hauptbahnhof. Bei der Begehung Begehung am 20. Dezember deutete sich im laublosen Wald die Aussicht an. Im Sommer ist der Blick zugewachsen. Früher war dies ganz offensichtlich anders.
Die Lohrer Zeitung vom 29. November 1930 berichtet: "Das Häuschen wendet seine offene Seite der Stromstrecke oberhalb Lohr zu und den Mittelpunkt des Blickfeldes bildet das gleich einem Spielzeug hingelagerte Sackenbach." Die Lindig-Siedlung gab es noch nicht. 1930 hieß "man's die schöne Aussicht", wie ein Sendelbacher damals zitiert wird. Der gebürtige Steinbacher, heute in Lohr lebende Josef Kuhn schwärmte in seinen unveröffentlichten Erinnerungen ebenfalls von der Hütte: "Die Schloßmannshütte übte eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf uns Kinder aus." Noch mehr schwärmte Kuhn aber vom Aussichtsturm daneben, der allerdings im Bericht über die Einweihung am 11. Mai 1930 nicht erwähnt wird. Stand der Turm schon vorher oder war er Teil der Gesamtspende Schloßmanns? Das ließ sich nicht zweifelsfrei klären.
Ein neuer Schloßmann-Blick?
Warum ist die Hütte wie vom Erdboden verschwunden? Mutwillig sei sie 1943 von Jugendlichen "abgefackelt" worden, hörte Vorwerk, Brandspuren fanden sich nicht. Oder wurde sie in den Kriegsjahren, als es nichts gab, von der Bevölkerung als »Steinbruch« verwendet? Was auch immer richtig ist, den Nazis passte die Schloßmann-Hütte eben sowenig wie die Ehrenbürgerschaft.
Der Geschichtsvereinsvorsitzende Vorwerk fragt: Wäre nicht in diesem Sinne, den Nazis zum Trotz, die Einrichtung eines neuen Schloßmann-Blicks auf dem Buchenberg erwägenswert? Beispielsweise könnte er oberhalb des Sendelbacher Wasserhäuschens mit Blick auf Lohr angelegt werden. Die Aussicht befände sich etwa auf halber Bergeshöhe und wäre damit sehr viel zugänglicher als eine erneute Anlage auf der Bergspitze.
Vorwerk hofft: "Vielleicht gäbe es damit eines Tages sogar doch noch etwas, was wir den Urenkelinnen und anderen Nachfahren von Josef Schloßmann bei einem Besuch Lohrs zeigen könnten? Ich weiß aus meinen Kontakten mit der Familie, dass die Freude groß wäre!"