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Mühlbach
Schloss Mühlbach: Fürstbischöfe schützten ihre Mühlen
Aus der Geschichte Main-Spessarts (40):  Die Mühlen am Bach gaben Mühlbach den Namen. Das Schloss diente den Fürstbischöfen der Sicherung der Mühlen. Die Menschen hatten jahrhundertelang ihr Auskommen.
Das Schloss Mühlbach  mit der Seite hin zum Park.
Foto: Martina Amkreutz-Götz | Das Schloss Mühlbach  mit der Seite hin zum Park.
Martina Amkreutz-Götz
 |  aktualisiert: 27.04.2021 02:13 Uhr

Mühlbach mit seinen 470 Einwohnern gegenüber der Kreisstadt Karlstadt, auf der anderen Seite des Mains, ist historisch von zwei Gebäuden geprägt: der Burgruine Karlsburg auf der Höhe und dem Schloss in der Dorfmitte. Das Kastell war ein strategisch bedeutsames Bollwerk der Würzburger Fürstbischöfe gegen die Grafen von Rieneck und das Bistum Mainz. Dank des kleinen Ritterguts im Talkessel hatten die im Ort lebenden Menschen jahrhundertelang ihr Auskommen.

Der Fronberg – der mit Weinreben bewachsene Südhang unterhalb der Burgruine Karlsburg, von dem der Schlossgarten ein Teil ist – war von 742 bis zur Säkularisation 1803 unveräußerliches Würzburger Kirchengut. Die Fürstbischöfe gaben das Vorgängergebäude des heutigen Schlosses, ob als Wehr- und Zollturm, als Jagdschlösschen oder später als barockes Anwesen, Rittern oder Ministerialen zum Lehen. Es waren Adelige von meist niederem Rang und den kirchlichen Grundherren treu ergeben, manchmal auch mit ihnen verwandt und deshalb vertrauensvolle Auserwählte für Gütervergaben auf Zeit. Die Fürstbischöfe verfolgten nur ein Ziel: den Schutz des Quellwassers zur Sicherung ihrer Mühlen.

Die Gesellschaft basierte auf dem Lehenswesen

Das Lehenwesen wurde im Heiligen Römischen Reich ab dem 11. Jahrhundert die Gesellschaftsordnung schlechthin. Der Lehensnehmer verpflichtete sich, dem Lehensherrn treu zu dienen, vor allem als Waffenbruder in Kriegszeiten. Der Grundherr wiederum sorgte für dessen Schutz. Der Lehensnehmer hatte auf dem Gut, das er verwalten musste, ein ausgedehntes Nutzungsrecht. Mit der Pflege der in den Jahrhunderten wachsenden Liegenschaften des Mühlbacher Ritterguts im Wald, in der Flur und in den Weinbergen – im Jahre 1913 waren es mit dem Schlossberg über sechs Hektar – beschäftigten sie einheimische Bauern, Winzer und Taglöhner. Aus den erwirtschafteten Erträgen erhielt der Grundherr Abgaben und Steuern.

Nach dem Tod des Lehensträgers konnte das Lehen vom Vater auf den Sohn übergehen, oder es fiel an den Grundherrn zurück, der es neu belehnte. War der Grundherr einverstanden, durften diese Pflichten und Nutzungsrechte verkauft werden, nicht aber der Grundbesitz selbst. Dieses System bestimmte jahrhundertelang das Schicksal des Mühlbacher Ritterguts. Die hier belehnten Vasallen des Fürstbischofs hatten fast alle auch weitere Einkünfte, Zehnte und Güter in den umliegenden Orten.  

Der Park mit Schloss und Fischteich.
Foto: Martina Amkreutz-Götz | Der Park mit Schloss und Fischteich.

Für Heimatforscher ist Mühlbach mit seinen Mühlen am Bach ein Teil der Drei-Einheit mit der Burg und dem Königshof Karlburg. Es taucht erstmals mit dem Namen Miulbach 1286 in einer Weinbergs-Urkunde am Fronberg auf. Doch Menschen werden sich wohl schon 400 Jahre früher am Fuße der Burg niedergelassen haben. Vermutlich kamen sie aus den Dörfern in der Nähe und betrieben einfache Mahlwerke am Bach, was dem Dorf seinen Namen gab. Sie versorgten die Bewohner des castellum und der villa Karlburg mit dem Grundnahrungsmittel Mehl.

Nur in Laudenbach und in Mühlbach floss genügend Quellwasser dem Main zu. Bis Harrbach gab es linksmainisch keinen ausreichenden Zufluss mehr. Die Mühlen standen unter dem besonderen Schutz der Fürstbischöfe. Der Mühlbach, auch Broili-Quelle genannt, entspringt unterhalb des Fronbergs im heutigen Schlosspark und strömte im Jahre 1934 unablässig mit etwa 60 Litern pro Sekunde durch das Dorf dem Main zu. Im Laufe von 600 Jahren speiste er sechs Mahlwerke (Mehl-, Öl-, Papier-, Loh- und Kalk-Mühlen).

Die Beschützer des Quellwassers

Zu den frühen von den Fürstbischöfen eingesetzten Beschützern des Wassers gehören vermutlich ab 1303 die Herren von Wiesenfeld, von Hochheim (ab 1405) und von Lichtenstein (ab 1438). Jörg von Lichtenstein verkauft das Nutzungsrecht 1483 an seinen Verwandten Philipp Jakob von Schweigern mit sechs Morgen Weinbergen am Fronberg, die auf dem Gelände des heutigen Schlossparks lagen.

Valentin Diemar von Rieneck wird die Erweiterung des Wohn- und Wehrturms, des „Thurms zu Mulbach“ (= Bezeichnung für den Vorgängerbau des späteren Rittergutes), zugeschrieben. Die Jahreszahl 1486 findet sich heute im Spitzbogen des gotischen Portals an der Westseite des Gebäudes. Erst zwischen 1770 und 1780 werden Mauersteine aus der 1525 im Bauernkrieg zerstörten Karlsburg in die Verbreiterung des Schlossgebäudes verbaut.

Nach Diemar von Rieneck fällt das Rittergut für die nächsten 100 Jahre an die Familie von Schweigern zurück, deren Vertreter den Namenszusatz „zu Mulbach“ tragen. Mit „Vältin“ folgt erneut ein Valentin Diemar von Rieneck, der 1595 das Gut an Dietrich Echter von Mespelbrunn verkauft, einem jüngeren Bruder von Fürstbischof Julius Echter. 70 Jahre bis zum Aussterben der Familie 1665 währt die Echter’sche Herrschaft in Mühlbach.

Postengeschacher: Fürstbischof verteilte Ämter

Der Fürstbischof und Herzog von Franken verteilt großzügig hohe kirchliche und politische Ämter unter der ihm vertrauten Blutsverwandtschaft – damals ein übliches, weit verbreitetes Postengeschacher in Adelskreisen. Dietrich ist auch Herr über Büchold, Zellingen, Veitshochheim und Rippberg. Der Rothenfelser Amtmann, der bevorzugt in seinem Wasserschloss in Rippberg bei Walldürn und im Bücholder Schloss wohnt, stirbt 1601 mit 47 Jahren.

1595 erlaubt ihm sein Bruder Bischof Julius den Bau einer eigenen Mühle. Es ist ein Tabu-Bruch. In den 200 Jahren zuvor lehnten die fürstlichen Herren über das Mühlen- und Wasserrecht ähnliche Wünsche ab, um ihren bestehenden Mühlen nicht das Wasser abzugraben. Das Würzburger Wassergericht verfügt Ende 1595, dass die zinsfreie Echter-Mühle die eine Hälfte des Wassers bekommt, während sich die Müller der drei unteren Mühlen die andere Hälfte teilen müssen. Über Jahrhunderte kommt es wegen des Wassers immer wieder zu Streitigkeiten und zu Prozessen. Erst 1911 anerkennt Schlossbesitzer Johann Baptist Broili die Wasserbezugsrechte des letzten verbliebenen Müllers.

Wappen früherer Bewohner über dem Hauseingang: oben links Echter, daneben Pappenheim, unten Sickingen
Foto: Martina Amkreutz-Götz | Wappen früherer Bewohner über dem Hauseingang: oben links Echter, daneben Pappenheim, unten Sickingen

Um die eigenen Herrschafts- und Einflussbereiche zu vergrößern, nutzt der Adel auch die Verheiratung zwischen gleich- und höhergestellten Dynastien. Diese Heiratspolitik ist auch in Mühlbach die nächsten 200 Jahre gut nachvollziehbar. Von 1665 bis 1699 besitzt die Familie Kottwitz von Aulenbach das Rittergut. Georg Philipp Kottwitz von Aulenbach ist Würzburger Geheimrat und Amtmann von Karlstadt, seine Frau Anna Maria von Dernbach eine Enkelin von Dietrich Echter und eine Nichte von Fürstbischof Peter Philipp von Dernbach. 1681 macht Kottwitz von Aulenbach das ganze Dorf Stadelhofen zum Lehen für seine Kinder. Die Familie hat zudem Güter in Laudenbach, Aschfeld und Gössenheim sowie Anteile am Schloss Urspringen.

1698 stirbt die Adelsfamilie Kottwitz von Aulenbach im Mannesstamm aus. Zwei Töchter führen die Familientradition im Schloss Mühlbach weiter: Maria Susanna Lukretia mit ihren Ehemann Johann Friedrich Freiherr von Dalberg sowie ihre Schwester Maria Sidonia Philippina Ernestina Lukretia mit ihrem Ehemann Johann Ferdinand von und zu Sickingen. Dieses Paar hat 18 Kinder und erneuert 1712 sein Eheversprechen in der Mühlbacher Pfarrkirche.

Unter ihrem Sohn Ferdinand Christoph Peter erhöht die Würzburger Hofkammer 1774 die Mauer, die den heutigen Schlosspark von den bischöflichen Weinbergen am Fronberg trennt und bei Starkregen vor herabstürzenden Schlammmassen sichern soll. Diese Fronbergsmauer wird 1962 beim Bau der Erschließungsstraße ins neue Baugebiet „Am Fronberg“ um 40 Zentimeter aufgestockt. 1975 werden 39 Anker 16 Meter tief in den felsigen Fronberg gerammt, weil Straße und Berg auf die Schlossmauer drücken.

Gediegenes Wohnen: Maria Broili Anfang des 20. Jahrhunderts im Roten Zimmer.
Foto: Familienarchiv Broili/Straub | Gediegenes Wohnen: Maria Broili Anfang des 20. Jahrhunderts im Roten Zimmer.

Der letzte „Blaublüter“ im Mühlbacher Schloss ist Otto Heinrich II. Freiherr von Gemmingen-Hornberg, der durch seine Frau Marie Charlotte in die Sippe der von Sickingen und Kottwitz-Aulenbach einheiratet. Er ist Gesandter und Minister am Wiener Hof und gelangt nach Schlössertausch mit seinem Schwager Franz von Sickingen 1795 an das Mühlbacher Schloss. Der Freund von Wolfgang Amadeus Mozart, Freimaurer, Verfechter der Aufklärung, Verleger und Schriftsteller wohnt, umgeben von wertvollen Kunstwerken der Sickingen, in gediegener Atmosphäre. Doch mit seinem Geld agiert der Baron unglücklich, sodass das Schlossgut 1823 zur Versteigerung aufgerufen wird.

Der erste Bürgerliche ist ein jüdischer Kaufmann

1824 erwirbt der jüdische Kaufmann Joseph Mayer das Schloss mit Zimmern, die nicht alle von Öfen beheizt sind, und dazu die Ökonomie mit Brennerei, Rindern und Schweine, Stallungen, Scheunen, Kelter und Gesindezimmer sowie 15 Hektar Anbaufläche.

Johann Baptist Broili war Landwirt, Winzer und Zementhersteller
Foto: Familienarchiv Broili/Straub | Johann Baptist Broili war Landwirt, Winzer und Zementhersteller

Mit der Witwe Sabina Broili, der ersten Frau als Eigentümerin des Mühlbacher Gutes, beginnt 1827 eine 145 Jahre dauernde Familientradition, die erst 1972 endet. Die geschäftstüchtige Herrin selbst lebt in Würzburg. Aber mit ihrem Sohn Ferdinand dem Älteren, der 1837 ins Schloss einzieht, 1856 das Gelände der Karlsburg kauft und in seinem Sohn Johann Baptist einen klugen und weitsichtigen Landwirt, Winzer und Romankalkbrenner als Nachfolger hat, erlebt das Schlossgut nach der Ära Kottwitz und Sickingen wieder einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung.

Broili umgibt sich mit kostbarem Mobiliar, Geschirr und Kunstwerken. Seine Söhne Ferdinand der Jüngere und Joseph werden angesehene Professoren und Wissenschaftler in München und Berlin. Alleinerben sind ab 1941 Ferdinands Tochter Lucia Broili, verheiratet mit dem Physiker Dr. Harald Straub, und ihre Nichte Sylvia Murken. Lucia, die mit ihrer Familie 1954 in die USA auswandert, beauftragt zur Pflege des Anwesens Mühlbacher Familien, die im Schloss wohnen dürfen. Lucia Straub verkauft 1955 die Ökonomie an deutsch-rumänische Einwanderer und 1961 die Ruine Karlsburg an den Landkreis Karlstadt. 1986 erwirbt Martin Kraft aus Mühlbach den Wirtschaftsbetrieb und saniert die alten Gebäude. Sein Bruder Robert führt seit 1999 auf dem Grundstück eine eigene Kfz-Werkstatt. Im Hof fand bis 2010 jährlich das Mühlbacher Weinfest statt.

Die Schlossbesitzer Franz und Maria Forster mit Henrik Straub (stehend) und seiner Ehefrau Mariana (links). Henrik ist der Sohn von Lucia Broili und verbrachte seine Jugend im Schloss. Das Bild im Hintergrund zeigt Ferdinand Christoph von Sickingen.
Foto: Martina Amkreutz-Götz | Die Schlossbesitzer Franz und Maria Forster mit Henrik Straub (stehend) und seiner Ehefrau Mariana (links). Henrik ist der Sohn von Lucia Broili und verbrachte seine Jugend im Schloss. Das Bild im Hintergrund ...

Franz Forster aus Karlstadt kauft 1972 das Schloss mit dem ummauerten Park und dem Vorhof. In den nächsten Jahrzehnten ertüchtigt und saniert die Familie das marode Schlossgebäude, legt teilweise den Park mit dem Teich neu an und öffnet sein Anwesen für kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen. Fragt man Franz Forster, warum er das damals langsam verfallende Schloss mit dem wild wachsenden Park gekauft habe, antwortet der passionierte Angler mit einem Augenzwinkern: „Ich wollte das gute Quellwasser für mein Forellenzuchtbecken.“

Zur Autorin: Martina Amkreutz-Götz war 37 Jahre Redakteurin der Main-Post in Karlstadt. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des Geschichts- und Heimatvereins Mühlbach 1987 und Mitglied im Historischen Verein Karlstadt. Sie arbeitet an einer Buchveröffentlichung über das Mühlbacher Schloss.

 
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