
Über diesen Anblick dürfte schon so mancher gestaunt haben, der auf der B 26 zwischen Neuendorf und Sackenbach (Lkr. Main-Spessart) unterwegs ist: Fast das ganze Jahr hindurch sind dort immer wieder Surfer zu beobachten. Sobald der Wind ordentlich weht, lassen sie sich auch von einstelligen Wassertemperaturen nicht davon abhalten, mit Brett und Segel auf den Fluss zu gehen. Zu beobachten ist dann ein faszinierendes Spektakel, das freilich mitunter schon beim Zuschauen frösteln lässt.
Michael Weidner ist einer derjenigen, der jede Gelegenheit zum "Binnensurfen" auf dem Main nutzt. Der Sendelbacher hatte als Jugendlicher im Urlaub die erste Berührung mit dem Wassersport. Doch mangels passender Gelegenheit, das Urlaubshobby vom Meeresstrand in den Spessartalltag zu übertragen, sei er dann "ewige Zeiten nicht mehr gesurft", erzählt der 43-jährige Familienvater.
Leidenschaft wiederentdeckt
Vor vier Jahren sei es dann ein neuerlicher Strandurlaub gewesen, der ihn die alte Leidenschaft fürs Surfen habe wiederentdecken lassen, so Weidner. Nach einem Surfkurs in Holland kaufte er sich eine gebrauchte Surfausrüstung. Die selbst gesetzte Bedingung sei jedoch gewesen: "Wenn ich es wieder anfange, dann muss ich es regelmäßig machen."
Weidner erinnerte sich daran, dass er Ende der 1980er Jahren gelegentlich Surfer auf dem Main oberhalb der Steinbacher Schleuse gesehen hatte – und machte dort einfach einen Versuch. Rund 160 Meter ist der Fluss etwa einen Kilometer oberhalb der Schleuse breit, genug für ein ordentliches Maß an Surf-Vergnügen.
Bahnen ziehen quer zum Fluss
Wesentliche Voraussetzung ist freilich, dass der Wind passt. Aus Südwest bis West, also aus Richtung Lohr, muss er möglichst kräftig wehen, damit die Surfer quer zum Fluss ihre Bahnen ziehen können. "Die besten Bedingungen herrschen bei Hochwasser, weil dann die Strömung zusätzlichen Auftrieb gibt", sagt Weidner.
Der limitierende Faktor ist jedoch der Wind. Am Anfang, so erzählt Weidner, sei er alle ein bis zwei Wochen aufs Wasser gegangen. Für richtiges Surf-Vergnügen habe der Wind jedoch nur alle drei oder mehr Wochen gereicht, vor allem im Herbst und Frühjahr.
Mittlerweile ist Weidner meist deutlich häufiger zum Surfen auf dem Main. Das hängt mit neuen technischen Entwicklungen rund um den Surfsport zusammen. Tragflächen unter dem Brett und flexibel handhabbare Windflügel (siehe Hintergrund) machen Surfen schon bei geringeren Windstärken möglich.
Möglichkeiten ausgeweitet
Die Zahl der Tage, an denen man auf dem Main bei Steinbach surfen könne, habe sich so verdreifacht, sagt Weidner. Die längeren Ausflüge, die er zu Beginn seines Wiedereinstiegs ins Surfen beispielsweise an den Altmühlsee unternommen habe, seien daher weitgehend entfallen.
Über die Jahre hat sich in Steinbach eine kleiner Surferszene entwickelt. "Gemeinsam macht es mehr Spaß", erklärt Weidner. Er spricht von zehn Mitsurfern, die sich in loser Runde verabredeten, sobald das Internet passende Windverhältnisse vorhersagt. Die Altersspanne reiche von 13 bis 60 Jahren.
Während der Wind stimmen muss, spielen die Temperaturen für die Hartgesottenen kaum eine Rolle, "außer vielleicht bei minus fünf Grad", lacht Weidner. Er hält sich beim Surfen mit einem fünf Millimeter dicken Neopren-Anzug und darunter einem speziellen Shirt als Windschutz halbwegs warm.
Stürze sind eher selten
Als Anfänger, wenn man öfter im Wasser lande, machten sich niedrige Wassertemperaturen eher bemerkbar, so Weidner. Er selbst ist freilich so geübt, dass solche Stürze eher selten sind. Drei und mehr Surfstunden am Stück sind für ihn daher regelmäßig drin.
Wobei er und andere auch immer wieder für nur kurzes Surf-Vergnügen nach Steinbach fahren, manch einer gar in der Mittagspause. Das Gleiten über das Wasser mache einfach Spaß, beschreibt Weidner die Faszination und spricht von einem "irren Gefühl" in dem Moment, wenn einen die Tragfläche unter dem Brett aus dem Wasser hebt und man "mit Leichtigkeit über das Wasser schwebt".
Interessenten willkommen
Er sei schon wiederholt von Passanten angesprochen worden, beschreibt Weidner die Resonanz auf das Treiben der Surfer. Er animiert alle, die Interesse haben, es einfach mal auszuprobieren. "Wenn es der Wind zulässt, sind wir da", umreißt Weidner, wann auf dem Main bei Steinbach Surf-Betrieb herrscht.
Und sollte der Wind ordentlich wehen, aber nicht aus Südwest bis West, sondern beispielsweise aus Nord? "Dann geht's oberhalb der Schleuse bei Harrbach", lässt Weidner erkennen, dass die Binnensurfer ihre Reviere am Main gefunden haben.