Du Schatz, das könnt' ich doch auch machen.“ Daniela Schleich saß in der Badewanne, als ihr diese fixe Idee in den Sinn kam. Ihr Schatz, Olaf Schleich, hatte in seiner Fahrzeuglackiererei im Altfelder Gewerbegebiet massive Probleme mit seinem Lackierermeister. Auf diesen aber war der 44-Jährige aus Tiefenthal angewiesen, da er selbst „nur“ Karosseriebau, Fahrzeugelektrik und Kfz-Mechanik gelernt, aber in keinem Fach eine Meisterprüfung gemacht hat. Ein Meisterbrief aber ist unerlässlich, wenn man in einem Betrieb wie dem seinen, der nach 14 Jahren ein Dutzend Beschäftigte zählt, auch weiterhin ausbilden will.
Mit Ende 30 noch mal durchstarten? Mit drei Kindern aus zwei Ehen im Schlepptau? Als gelernte Steuerfachangestellte mit Mittlerer Reife in einer völlig anderen Branche neu beginnen? Und das ohne Lehrzeit, mit nur der wenigen Erfahrung, die sie im Betrieb ihres Ehemanns gesammelt hatte? „Es war eine Schnapsidee“, war ihr damals schon bewusst. Doch nach einem höchst intensiven Jahr wurde aus dieser Schnapsidee Wirklichkeit: In wenigen Tagen wird sie ihren Meisterbrief in Händen halten. Mehr noch: Bei der Meisterfeier in Frankfurt wird Schleich zudem als eine der Besten ausgezeichnet.
Kein Wunder, dass sie schwärmt vor Freude. Sie, die „Mutti der Klasse“, nur mit Sondergenehmigung zu dem begehrten Meisterkurs zugelassen, hat sich hochgearbeitet. Nur 14 Bewerber bekamen den Zuschlag für diesen ersten Kompaktkurs am Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) Weiterstadt bei Darmstadt. Hessen liegt deutlich näher als die bayerische Alternative Regensburg oder gar die sächsische in Dresden. Aber: Die anderen Meisterschüler waren zehn bis 18 Jahre jünger als sie; alle hatten eine Lehre hinter sich, fünf von ihnen waren gar Stipendiaten – während Schleich überwiegend im Büro tätig war und nur ab und zu in der Lackiererei mitgeholfen hatte.
Dass es ein Kraftakt sein und ein Jahr Dauerstress bedeuten würde, war ihr klar, als sie im Oktober 2012 antrat. Ein halbes Jahr weilte sie die ganze Woche über in Weiterstadt. Montag Büro, Dienstag um 6 Uhr auf die Autobahn, die ganze Woche über pauken, pauken, pauken, Samstag 17 Uhr Rückkehr und dann Hausarbeiten. Nur der Sonntag blieb für die Familie. Während sie einen Teil der Kurse in Würzburg absolvierte, verbrachte sie Abend für Abend in der Werkstatt: Üben, Lackieren, Ausprobieren. „Das ist gelaufen wie ein Zahnrädle“, sagt sie. „Wenn die Eigenmotivation stimmt, kann man fast alles erreichen.“
Sie muss gestimmt haben. Denn die erste hohe Hürde war die Theorie. „Was andere in drei Jahren lernen, musste sie sich in sechs Wochen aneignen“, zeigte sich selbst Olaf beeindruckt.
Auch ihn hat der ehrgeizige Plan seiner Frau Nerven gekostet. Es sei vorgekommen, dass sie ihn nachts um zwei Uhr geweckt habe, blickt er zurück, nur um zu fragen: „Wie war das nochmal?“ Daniela Schleich wollte alles wissen, alles verstehen. „Ich hab jeden gelöchert“, gibt sie zu. Ob Airbrush, Werbe- und Autolackierung – „ich hab' alles aufgesaugt“. Sie träumte von Klebern und Schleifmitteln, Pigmenten und Klarlacken. „Ich hab mir alles richtig reingezogen,“ sagt die angehende Meisterin.
„Hauptsache bestanden – vier gewinnt.“ Mit diesem Ziel hatte sie ihr Abenteuer begonnen. Am Ende stand in Theorie die 1,0. „Ich war so gut, weil es mich interessiert hat“, macht sie deutlich, in den letzten Ausbildungswochen dermaßen sattelfest, dass sie sich sogar erlaubte, die Schule zu schwänzen – um selbst Unterricht zu geben: Das BTZ Weiterstadt hat sie vom Fleck weg als Dozentin engagiert.
Nächste Woche wird der Meisterbrief im Büro hängen. Dann hofft sie auch auf ein bisschen mehr Akzeptanz bei der Kundschaft. Nicht selten habe sie Beratungsgespräche geführt, an deren Ende der Kunde dann doch fragte: „Kann ich jetzt noch ihren Mann sprechen?“ – auch wenn dieser keinen Deut mehr zu erklären vermochte als seine Frau.
„Es war eine richtig schöne Zeit“, sagt Daniela Schleich, nur wenige Wochen nach der Abschlussprüfung im November. Was auch daran gelegen habe, dass sich die zwei Frauen und das Dutzend Männer im Kurs „blendend verstanden“ hätten. „Wir waren ein Team. Manchmal haben wir zu siebt gelernt“, verdeutlicht sie.
Das ist mehr als ein Lippenbekenntnis: Mit Georg Lorenz brachte sie nämlich einen ihrer Klassenkameraden, mit dem sie in Weiterstadt die Schulbank gedrückt hat, mit nach Altfeld. Der 23-Jährige aus Mörfelden hatte sich schon bei seiner Gesellenprüfung als Bundessieger empfohlen. Er ist nun angestellt bei Olaf Schleich und in Kürze einer von insgesamt vier Meistern in der mittlerweile 14-köpfigen Belegschaft des Allround-Betriebs.
„Durch diese Schnapsidee haben sich beruflich neue Dinge aufgetan, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte“, macht Daniela Schleich auch anderen Spätstartern und Umsteigern Mut. Kurz vor ihrem 40. Geburtstag sieht sich die Tiefenthalerin an ihrem Ziel angekommen. „Das ist einfach meine Welt.“
Glückwunsch, Hut ab, alles gute für die Zukunft!