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GEMÜNDEN
Schlag gegen die Adressbuch-Schwindler
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Fillies
 |  aktualisiert: 24.04.2013 12:50 Uhr

Der „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ (GWE GmbH) ist das Handwerk gelegt. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg hat der Bundesgerichtshof am 6. Februar das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2012 bestätigt. Demnach darf die „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ unter Strafandrohung ihre irreführenden Faxe nicht mehr versenden. Auch in Unterfranken gibt es etliche Geschädigte der GWE, wie die Main-Post mehrfach berichtete.

Seit etwa vier Jahren hatte die Firma mit Sitz in Düsseldorf bundesweit an Firmen und Büros, aber auch Vereine, Kindergärten, Privatpersonen und sogar ans Pfarramt Langenprozelten ein fast amtlich aussehendes Fax verschickt, auf dem Angaben zur Adresse und zur Branche zu überprüfen und zu ergänzen („muß durch Sie ergänzt werden“) waren. Adressbuch-Schwindel heißt diese Masche. Das Fax, so die Aufforderung, sollte unterschrieben zurückgefaxt werden – „gebührenfrei“. Tatsächlich aber wurde mit der Unterschrift ein Zweijahresvertrag über einen Eintrag auf der Internetseite der GWE geschlossen, wofür über 1000 Euro fällig wurden. Ein „Nutzlosregister“ nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt – völlig überteuert obendrein.

Zuletzt hat im Raum Gemünden nach Kenntnis der Redaktion die „Freiwillige Feuerwehr Löschzug Aschenroth“ ein solches Fax bekommen, am 4. Februar, also zwei Tage, bevor das Düsseldorfer Urteil endgültig rechtskräftig wurde. Bei der Aschenrother Feuerwehr hatte man richtig reagiert: Ab in den Papierkorb mit dem Fax! Bei Weitem nicht alle Empfänger waren so misstrauisch. Die Rechtsanwälte Ulrike Jäger (Karlstadt), Claus Hebeler (Marktheidenfeld) und Bernhard Schneider (Gemünden) betreuten einige Mandanten, die das Fax arglos ausgefüllt hatten und zahlen sollten. Gibt man in der Internet-Suchmaschine Google den Begriff „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ ein, erscheinen 526 000 Treffer, zumeist Beschwerden über Abzockerei.

Nach geleisteter Unterschrift nicht zahlen zu müssen, war besonders für Unternehmer nicht einfach. Zivilrechtlich war zu klären, ob es sich bei den Faxen beispielsweise um arglistige Täuschung handelt oder um gültige Verträge; insbesondere Unternehmer sind verpflichtet, auch das Kleingedruckte genau zu lesen. Tatsächlich entschieden die Amtsgerichte Köln, Bergisch Gladbach und Düsseldorf 2011 in drei Fällen für die GWE. Nach weiteren Klagen urteilte das Düsseldorfer Amtsgericht allerdings bereits im November 2011, das Fax sei ein „zur Täuschung im Rechtsverkehr geeignetes Formular“ und der Vertrag somit sittenwidrig. So entschied dann auch das Landgericht Offenburg im Mai 2012 und ergänzte, das Fax werde planmäßig zur „Irrtumserregung“ eingesetzt.

Dass der Vordruck darüber hinaus auch wettbewerbswidrig ist, hatte das Landgericht Düsseldorf bereits im April 2011 festgestellt und einer damit einer von den Industrie- und Handelskammern unterstützten Klage des Deutschen Schutzverbandes gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) stattgegeben. Die Berufung der GWE dagegen lehnte das Oberlandesgericht Düsseldorf am 14. Februar 2012 ab, was jetzt wiederum der Bundesgerichtshof bestätigte.

„Das Fax ist ein zur Täuschung im Rechtsverkehr geeignetes Formular.“
Amtsgericht Düsseldorf über das Fax der Gewerbeauskunft-Zentrale

Noch nicht rechtskräftig ist das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2012 in einem zweiten vom DSW angestrengten Verfahren. Darin wird der „Gewerbeaufsicht-Zentrale.de“ verboten, Rech- nungen, Mahnungen oder Inkasso-Schreiben an die Leute zu schicken, die das Fax unterschrieben und zurückgefaxt hatten.

Mehrfach hatte die Main-Post-Redaktion, die ebenfalls diese Faxe erhielt, seit Juli 2011 vor der „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ gewarnt. Doch offenbar war das Geschäftsmodell auch in Unterfranken so erfolgreich, dass die Masche munter weiterlief. Vergangenes Jahr zum Beispiel erhielt ein Gemündener Rentner mit dem Nachnamen Baum ein solches Fax. Weil er es für ein Schreiben der Stadtverwaltung hielt, aber nie ein Gewerbe hatte, notierte er „bitte löschen“ auf dem Formular und faxte es unterschrieben zurück. Prompt kam die Rechnung, später die Androhung der Zwangsvollstreckung – für die Eintragung einer Baumschule! Peter Ortmann von der GWE sagte damals auf Anfrage der Main-Post dazu: „Wir haben ihn in die Datenbank aufgenommen, weil er seine Adresse eingetragen und unterschrieben hat.“ Dass Rentner Baum eine Baumschule betreibe, habe die GWE auf einer anderen Internetseite gelesen.

Auch wenn der Spuk der teuren Gewerbeauskunft vorbei ist, sind ähnliche Abzock-Versuche mittlerweile gang und gäbe. Zum Beispiel bekam der Obst- und Gartenbauverein Hofstetten im Januar Post von einem „Handels und Gewerbe Register“ mit einer (nicht existenten) Adresse in Aschaffenburg. Für eine Änderung im Vereinsregister, unter Angabe eines Aktenzeichens des Amtsgerichts Würzburg, sollte der Verein 401,03 Euro bezahlen – die angegebene Kontonummer gehört zu einem Bankkonto auf Malta! Nach einer Recherche im Internet läuft die Masche der „HGBR Aschaffenburg“ bereits seit etwa zwei Jahren, wie zahlreiche Geschädigte beklagen. Die Hofstettener Gartenbauer waren zum Glück misstrauisch und zeigten den Fall bei der Polizei an.

 
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