Auf den ersten Blick sieht es so aus wie bei einem Preisschafkopf. Die Tische stehen einzeln im Saal, sie sind nummeriert und an jedem stehen vier Stühle. Nur die hohen Fenster, die Zeichnungen an der Wand und die große Schultafel erinnern daran, dass es ein Klassenzimmer ist, in dem gleich 24 Akteure dem Schafkopfspiel huldigen. Außerdem ist der Mann, der durch die Reihen geht, nicht der Turnierleiter oder der Wirt, sondern der Schulleiter Alfons Schlereth.
Er hatte die Idee, mit den Drittklässlern der Grundschule im Gemündener Stadtteil Langenprozelten (Lkr. Main-Spessart) sechs Unterrichtseinheiten „Schafkopfspielen“ abzuhalten. Natürlich mit Zustimmung der Eltern. „Wir spielen in der vierten Klasse Schach, hatten auch schon Mühle im Programm, warum nicht Schafkopfen?“ Der erfahrene Pädagoge hält das Schafkopfspiel für pädagogisch wertvoll, nicht nur weil man zählen und sich die Farben und die Wertigkeit der Karten merken muss. Auch das Verlieren kann man lernen und den Teamgedanken, weil beim normalen Spiel ein Partner gerufen wird. „Außerdem wird viel kommuniziert. Das ist das glatte Gegenteil wie bei einem Computerspiel.“
Den letzten Anstoß zum Schafkopfunterricht gab Schlereth ein Bericht in dieser Zeitung vor einigen Wochen, in dem ein junger Bankangestellter in Lohr einen VHS-Kurs angeboten hat, auch um das Spiel vor dem Aussterben zu bewahren. Denn zu einem Wirtshaus gehörten die Kartpartien, wie der Stammtisch und die Theke. Wie mit der ursprünglichen Wirtshauskultur ging es auch mit den oft an einem Wochentag fest ausgemachten Schafkopfrunden bergab. Sie sind selten geworden. Allenfalls bei Schafkopfturnieren, gelegentlich auch bei dem in der Region dazugekommenen Skat, messen die Kartbrüder und -schwestern heute Können beim unterhaltsamen Spiel. In Langenprozelten ist es der Verein Kameradschaft, der im Vereinslokal Betz diese Tradition pflegt, und einige der befragten Schüler bestätigten, dass der Vater oder der Opa dort mitmacht.
Zurück zur Schafkopfstunde: Nach einer kurzen Vorrede des Lehrers und der Erinnerung, dass neben dem normalen Spiel auch Solo, Wenz, Geier und Bettel gespielt werden dürfen, geht es los. Die Ermahnung, es ruhig angehen zu lassen, ist nach einigen Minuten vergessen. Zu sehr fasziniert das Spiel, es setzt Emotionen frei. Schlereth geht von Tisch zu Tisch, gibt dezente Hinweise und ausführlichere Erklärungen dort, wo die Grundkenntnisse durch das Elternhaus nicht vorhanden sind.
Mitunter beratschlagen sich die Spieler auch gegenseitig, und so mancher zeigt schon einmal seine Karten der Konkurrenz. Wichtig ist, dass das Spiel läuft – und der Spaß dabei ist eindeutig. „Natürlich gibt es neben den Fortgeschrittenen, die daheim mit den Großeltern spielen, auch manche Mädchen, die das nicht so interessant finden“, sagt Schereth. Aber das sei beim Schachspiel ähnlich.
Aus dem Blick eines schafkopferprobten Beobachters, dem vieles selbstverständlich erscheint, wird klar, was die Schüler an Grundlagen erst lernen müssen. Das fängt bei der Technik des Mischens und Ausgebens an: „Es ist gut für die Feinmotorik“, und hört bei grundlegenden Tipps auf: „Da dürfst Du deinen ächene Mann nit ro stech“, oder „jetzt musst Du schmier, ihr zwä seid doch zamm“.
Die Ratschläge des fürs fränkische Brauchtum aufgeschlossenen Lehrers werden aufmerksam angenommen. Im Übrigen sind die Bedingungen realistisch: Weil die Besetzung nicht ganz aufgegangen ist, sitzt an einem Tisch sogar ein „Brunzkarter“, was man in der Schule natürlich „Ersatzmann“ nennen muss. Ansonsten sind sich die Nachwuchskarter offensichtlich ihrer Verantwortung, die Tradition des Kartenspiels weiterzutragen, bewusst. Schließlich äußerten sie schon nach der dritten Lektion den Wunsch: „Herr Schlereth, könne mir ach ämoal vorne im Gasthaus Betz spiel? – Mir trinke ach nur Limo.“
Schafkopf-Sprüche
Mit dem Unter gehst nicht unter
Da Farbtrümpfe in der Wertigkeit geringer sind als Ober und Unter, ist es in vielen Spielsituationen angebracht, als Trumpf einen Unter einzusetzen.
Kurzer Weg, lange Farbe
Der „kurze Weg“ ist der gegnerische Spieler, der direkt neben dem Ausspieler sitzt. Wenn jetzt der Ausspieler von einer Farbe mehrere Karten hat („lange Farbe“) bringt er den Gegenspieler durch das Ausspielen genau dieser Farbe in Zugzwang.
Langer Weg, kurze Farbe
Wenn der Gegenspieler in der Ausspielfolge weiter weg sitzt (also an dritter oder vierter Stelle), dann ist es spieltaktisch günstiger, eine Farbe auszuspielen, von der man nur eine Karte hat.
Trumpf ist die Seele vom Spiel
Wenn man „gerufen“ wird, also die Ass (eigentlich das Ass, aber im Fränkischen heißt es „Die Ass“) besitzt, die ein Mitspieler aufruft, dann sollte man Trumpf spielen (vorausgesetzt natürlich, man hat Trumpf im Blatt).
Mit der Bummbel gibt's Gerumpel
Sinnleerer Begleitspruch, wenn man eine Karte der Farbe Schell ausspielt. Die „Bummbel“ ist die Farbe Schell (hochdeutsch Schellen). Der Spruch macht spieltaktisch keinen Sinn. Das Wort „Bummbel“ wird auch gerne gesagt, wenn man die Schell-Ass als Partner ruft („Ich ruf die Bummbel“).
Kommt sie, geht sie
Stammtischspruch: Nach einem Rufspiel will ein Spieler so provozieren, dass das aufgerufene Ass auch ausgespielt wird: Meist wird es dann nämlich gestochen.
Bummbel treibt die Öber zamm
Soll vor einem Rufspiel die Ansage sein, dass mit der Schell-Ass Laufende zusammenkommen. Öber ist Fränkisch für die Mehrzahl von Ober-Karten.
In Thüngersche ist mal einer beim Mischen gestorben
Ausspruch im Raum Würzburg, wen einer zu lange die Karten mischt.
Du g'hörschd erst emol in die Koardschuel nach Detter bevor dass du migekoardt konnst
Spruch im Raum Hammelburg zu einem Schafkopf-Anfänger.
Oder beim kalkulierten Trumpf-Einsatz: "Ä Ünnerle is Weihwasser" im Raum Gemünden.