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GEMÜNDEN
Schätze hinter Doppeltüren
Zu den Archivalien im Gemündener Stadtarchiv zählen nicht nur alte Unterlagen, sondern auch Kuriositäten wie dieses Modell der Lok des Königszuges von Ludwig II.
Foto: Michael Mahr | Zu den Archivalien im Gemündener Stadtarchiv zählen nicht nur alte Unterlagen, sondern auch Kuriositäten wie dieses Modell der Lok des Königszuges von Ludwig II.
Michael Mahr
 |  aktualisiert: 17.07.2024 11:06 Uhr

Cremefarbene Stahlschränke mit verschlossenen Doppeltüren in langen Reihen – so präsentiert sich das Gemündener Stadtarchiv den Besuchern. Was sich hinter den Doppeltüren verbirgt, das weiß Werner Fella aus dem Effeff. Als langjähriger Archivpfleger Gemündens war er maßgeblich daran beteiligt, das historische Gedächtnis der Stadt zu ordnen.

Es bedarf daher nur eines Griffs, dann hat Werner Fella das älteste Buch des Archivs aufgeschlagen, das Ratsbuch mit Aufzeichnungen aus der Zeit des 30-jährigen Kriegs. Zusammen mit Norbert Schuch hatte Fella das Buch entdeckt, als sie alte Unterlagen in einem Karton sichteten. Trotz des extrem schlechten Zustands war die Bedeutung des Buches schnell klar. Fella deutet auf die gut lesbare Jahreszahl 1632 in einer Zeile ganz unten auf der ersten Seite.

Aufzeichnungen aus dem 30-jährigen Krieg

Das Buch, dessen Papier an den Rändern angefressen war, und dem die Heftung fehlte, wurde mit Hilfe von Spenden aufwendig restauriert, so dass die städtischen Aufzeichnungen der Jahre 1632 bis 1634 sowie die Schuld- und Kaufbriefe der Jahre 1634 bis 1638 auch für künftige Generationen erhalten bleiben.

Inzwischen seien auch alle Gemeindearchive im Altlandkreis Gemünden in Topform, „dank Werner Fella“, konstatiert Bruno Schneider, sein Nachfolger als Archivpfleger. Zumindest was eine Gemeinde angeht, weist Fella das Lob jedoch zurück. Das Gemeindearchiv in Fellen habe Schneider geordnet, der von dort stammt, stellt er ausdrücklich fest.

„Das können sie“

Der Schulleiter der Mittelschule in Burgsinn ist schon lange Heimatpfleger, und beschäftigte sich schon als solcher intensiv mit den historischen Hinterlassenschaften in der Region. Und weil Fella das Interesse Schneiders kannte, hat er ihn als Nachfolger vorgeschlagen. So wie er selbst 1991 auf Vorschlag seines Vorgängers Walter Schenk zum Ehrenamt des Archivpflegers kam, weil er sich schon in seinem Heimatort Weyersfeld mit dem Archiv beschäftigt hat. „Das können Sie“, hatte Schenk ihm damals gesagt. Und: „Da ist nicht viel zu tun.“

Fella hatte in mehr als 25 Jahren eine ganze Menge zu tun, aber Archivpfleger kann tatsächlich grundsätzlich jeder werden. Das Ehrenamt bedarf keiner vorgeschriebenen Ausbildung. „Interesse reicht“, stellen Fella und Schneider fest. Denn was man an Wissen benötigt, das könne man sich in einem Grund- und einem Aufbaukurs aneignen, die die Generaldirektion für die staatlichen Archive Bayerns anbietet.

Buchstabe für Buchstabe lesen

Womit man sich als Archivpfleger in jedem Fall beschäftigen sollte: Man muss „Schriften können“, so Werner Fella. Die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebrauchte deutsche Schrift mit ihren zackigen Buchstaben müsse man zum Beispiel lesen lernen. „Das dauert“, ist sich Fella klar. Denn heute werde diese Schrift nicht mehr in der Schule gelehrt. Erst einmal „liest man Buchstabe für Buchstabe“.

„Selbst wenn man's kann, heißt das noch nicht, dass man tatsächlich alles lesen kann“, weiß Fella aus Erfahrung. Schließlich ist nicht jede Handschrift auch eine Schönschrift. Trotz dieser Tücken treffe man immer wieder einmal Jugendliche, die alte Urkunden fehlerfrei lesen könnten, so die beiden Archivpfleger.

„Eine kleine Ausstellung wäre prima“

Doch im Grunde finde die Archivarbeit bei der Jugend wenig Echo, bedauert Bruno Schneider. Eines seiner Ziele ist es, das ein wenig zu ändern. Denn eigentlich stehe die Beschäftigung mit Archivarbeit in den Lehrplänen für die Gymnasien. Die Betreuung von Praxis-Seminaren oder Facharbeiten könnte er sich gut vorstellen.

Ihm schwebt vor, auch die breite Öffentlichkeit mit den Schätzen aus dem Stadtarchiv besser vertraut zu machen. Das könnte zum einen über den Internetauftritt geschehen. „Eine kleine Ausstellung wäre auch prima.“ Wahltage, wenn viele Bürger in öffentliche Gebäude kommen, um ihre Stimme abzugeben, könnten dafür ein gutes Forum bieten.

Schneider ist sich auch darüber im Klaren, dass ihn als Archivpfleger auch die technische Entwicklung in Zukunft beschäftigen wird, die Digitalisierung. Immer mehr Unterlagen fallen in elektronischer Form an. „Was neu reinkommt, ist digital.“ Daten seien aber nicht auf Dauer haltbar, so Schneider, egal ob auf CDs oder auf Festplatten.

Die Datenschutz-Grundverordnung der EU, die seit kurzem beachtet werden muss, beschäftigt Schneider ebenfalls. Würden Vereine alte Unterlagen aus Datenschutzgründen vernichten, könnten historisch interessante Informationen verloren gehen.

Archivpfleger

In Bayern beraten die staatlichen Archive nichtsstaatliche Eigentümer wie die Kommunen bei der Sicherung und Nutzbarmachung ihres Archivguts. Diese Beratung übernehmen die ehrenamtlichen Archivpfleger. Sie helfen unter anderem bei der Erstellung von Benützungsordnungen, bei der Bewertung und Aussonderung von Unterlagen, bei der Ordnung und Verzeichnung von Archivalien oder bei der Einrichtung von Archivräumen. Archivpfleger sollen mit Heimatpflegern eng zusammenarbeiten und auch Kontakt halten zu Vereinen, die an der Arbeit der Archive interessiert sind, etwa historischen Vereinen.
Werner Fella zwischen den Reihen von Stahlschränken des Stadtarchivs von Gemünden.
Foto: Michael Mahr | Werner Fella zwischen den Reihen von Stahlschränken des Stadtarchivs von Gemünden.
Von 1991 bis Ende des vergangenen Jahres fungierte Werner Fella als Archivpfleger der Stadt Gemünden.
Foto: Michael Mahr | Von 1991 bis Ende des vergangenen Jahres fungierte Werner Fella als Archivpfleger der Stadt Gemünden.
Bruno Schneider (links) ist Nachfolger von Werner Fella als Archivpfleger der Stadt Gemünden.
Foto: Michael Mahr | Bruno Schneider (links) ist Nachfolger von Werner Fella als Archivpfleger der Stadt Gemünden.
 
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