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GEMÜNDEN
Samstags tafeln mit der Tafel
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 19.10.2020 11:06 Uhr

Zwischen 60 und 70 Bedürftige kommen samstags zur Gemündener Tafel neben dem Rot-Kreuz-Haus, um Lebensmittel zu holen – Nahrungsmittel, die sonst weggeworfen würden, weil zu viel produziert wurde oder weil sie nicht mehr ganz frisch sind. Aber nicht jeder geht diesen Schritt: „Ich kenne etliche in Gemünden, denen es schlecht geht, die sich aber schämen, die Dienste der Tafel in Anspruch zu nehmen“, erzählt Tafelleiter Peter Auktor. Manche leugnen, dass es ihnen schlecht geht – suchen aber gleichzeitig im Müll nach Essbarem.

Samstag, wenn Essensausgabe ist, ist kaum ein Durchkommen in der Tafel. Dicht gedrängt stehen die Bedürftigen mit ihrem Berechtigungsschein in den Räumen des ehemaligen Eisenbahnerhäuschens aus rotem Klinker. Ohne den Schein, den etwa Hartz-IV-Empfänger beim Roten Kreuz bekommen, gibt es nichts. Und 1,50 Euro „Abholgebühr“ muss jeder bezahlen. 60 bis 70 Bedürftige kommen jeden Samstag, darunter ältere Frauen mit geringer Rente, viele Russlanddeutsche, aber auch junge Familien, die wenig Geld haben.

Um den Andrang etwas zu steuern, werden die „Kunden“ in sechs Gruppen eingeteilt. In einem rollierenden Verfahren fängt in einer Woche Gruppe 1 an, in der nächsten Gruppe 2 und so weiter. Es sollte zwar nicht so sein, sagt Auktor, aber manchmal könne „nach hinten raus“ manches knapp werden. Mehr als die jetzige Anzahl an Bedürftigen könnte die Tafel deshalb kaum versorgen. In der Regel funktioniere es gut, die Leute seien dankbar. Sollte es einmal Beschwerden über jemanden geben, schreibt ihm Auktor einen Brief. Das tat er etwa, als ihm vor zwei Jahren zu Ohren gekommen ist, dass jemand bei der Tafel abgeholtes Brot gleich wieder an die Enten im Mühlgraben verfütterte.

„Ich hätte erst mal einen Kurs bei einem Metzger machen sollen.“
Peter Auktor zur Portionierung von Fleischlieferungen

In den Räumen der Tafel stehen kistenweise Essiggurken, Fünf-Liter-Dosen mit gedämpftem Weißkraut, Flaschen mit Grillsauce, die nicht mehr lange haltbar ist. In den Kühlschränken und Gefriertruhen stapeln sich Tortellini, Joghurtbecher, Rippchen und Kasseler. Das Fleisch aus einer Großschlachterei musste Auktor eigenhändig portionieren. „Ich hätte erst mal einen Kurs machen sollen bei einem Metzger.“

Spannend sind die Wege, auf denen die Nahrungsmittel zur Gemündener Tafel kommen: Samstags fahren Helfer mit einem Rot-Kreuz-Bus zu einem Großmarkt nach Würzburg, wo sie Obst und Gemüse holen, das sonst weggeworfen würde. Danach klappern zwei Autos im Raum Gemünden Supermärkte und Bäckereien nach Ware ab.

Doch das alleine reicht nicht. Zusätzlich gibt es in Schweinfurt ein großes Tafel-Logistikzentrum, das Nordbayern sowie Teile von Hessen und Thüringen versorgt. Dort kommen von Firmen palettenweise Tiefkühlpizzen an, Fleisch oder auch Eis. Die Tafeln im Landkreis helfen sich dann gegenseitig beim Transport und bei der Verteilung. Das Mindesthaltbarkeitsdatum der Lebensmittel läuft oft bald ab. Auktor: „Die Tafel ist insofern ein Entsorgungsunternehmen.“ Sie seien da aber nicht zimperlich: Genommen und ausgegeben werden auch Dinge, die schon abgelaufen sind – solange sie nicht schlecht sind, sich etwa ein Joghurtdeckel wölbt.

Auktor kam die Idee zur Gründung der Tafel im Januar 2006, nachdem er einen Bericht im Fernsehen gesehen hatte. Er besprach sich mit Franz Gerhard, der den Esparanza-Verein leitete, und erfuhr von Ernst Michler in der Stadtverwaltung, dass es in Gemünden genügend Bedürftige gebe. Also fragte er bei Lebensmittelgeschäften und Bäckereien an, ob sie Ware an eine Tafel abgeben würden. Sie würden. Das Rote Kreuz übernahm sogar die Trägerschaft.

Doch dann mussten Räume gefunden werden. Keine einfache Aufgabe. „Ich bin von Pontius zu Pilatus gelaufen“, sagt Auktor. Nichts. Miete wäre gegangen – für teures Geld. Zudem stellte sich anfangs der Tafelverband quer, weil eine Tafel in Gemünden zu nahe an den Tafeln in Lohr, Karlstadt und Hammelburg liege. Die Lohrer Tafel war jedoch mit den Gemündener Bedürftigen überfordert.

Auktor blieb hartnäckig: Die Tafel wurde gegründet. Räume fanden sich in der heutigen, damals leer stehenden Touristinformation. Nach zwei Jahren in den beengten Verhältnissent, wo es keine Lagerräume gab, zog die Tafel um in das heutige Gebäude neben dem Roten Kreuz. Dort waren einst Zivildienstleistende untergebracht. Auktor ist dankbar, dass er keine Miete zahlen muss, ein wenig größere Räume wären jedoch wünschenswert. Die Frage ist, ob sich die Tafel dies leisten kann. So haben andere Tafeln Räume, wo die Bedürftigen auch Kaffee trinken können, da eine Tafel auch eine soziale Funktion hat. Zudem fehlt der Platz für weitere Kühlschränke oder gar eine Kühlzelle wie in den anderen Tafeln im Landkreis. Manchmal helfe das Kreuzkloster aus – sofern es Kühlkapazitäten frei hat.

63 Helfer hat die Gemündener Tafel inzwischen, die bei der Ausgabe unterstützen, portionieren, organisieren, Ware holen – ehrenamtlich, versteht sich. Das reiche, sagt Auktor. Nur in der Urlaubszeit oder wenn viele krank sind, werde es knapp. Dem inzwischen 76-jährigen pensionierten Polizisten wird es selbst allmählich zu viel. Er würde sein Amt gern in jüngere Hände abgeben, bisher habe sich jedoch niemand gefunden.

Überschussware: Rippchen und Kasseler.
| Überschussware: Rippchen und Kasseler.
Palettenweise Anlieferung: gekühlte Tortellini.
| Palettenweise Anlieferung: gekühlte Tortellini.
 
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  • thomas.damm
    Glückwunsch Hr. Auktor zu der Gründung der Gemündener Tafel.
    Toll das Sie alles alleine gemacht haben und die Lohrer Tafel es nicht geschafft hat die Gemündener Bedürftigen zu stemmen. Die Lohrer haben ja auch nicht das now how - so etwas zu machen.
    Das die Lohrer Tafel, die erste Tafel in Main Spessart war und den anderen Tafeln (Karlstadt, Gemünden und Marktheidenfeld) geholfen hat sich zu gründen, einen Lieferdienst (für Behinderte und ältere Menschen), ein Tafelmobil (das kleinere Orte im Umland versorgt) ins Leben gerufen hat und immer ein offenes Ohr für seine Partnertafeln hat, dass scheint nicht zu interessieren.
    Aber es ist gut so, hauptsache die Bedürftigen profitieren von den Tafeln
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  • fheilgenthal@t-online.de
    Nein, ich denke das ist nicht gut so und mit der gegenüber Herrn Auktor und seinen 63 Helfern gegenüber geäußerten Polemik der gemeinsamen Sache nicht dienlich. Schade.
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  • thomas.damm
    Es ist keine Polemik, nur die reinen Tatsachen habe ich beschrieben. Die Zusammenarbeit unter den Main-Spessart Tafeln ist sehr gut und das wird auch weiterhin so sein.
    Die Lohrer Tafel muss nichts beweisen und alle anderen Tafeln auch nicht, doch ein wenig Feingefühl und Tatsachennähe wäre durchaus wünschenswert.
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