Es ist ein Fall, der in Musikerkreisen für Gesprächsstoff sorgt: Ein Ensemble der Sing- und Musikschule der Stadt Lohr wurde dabei ertappt, wie es kopierte Noten verwendet hat. Da dies urheberrechtlich verboten ist, musste die Musikschule beziehungsweise die Stadt mehrere tausend Euro berappen. Gestellt hat die Forderung die Verwertungsgesellschaft (VG) Musikedition. Sie vertritt die Urheberrechte von Notenverlagen. Unklar bleibt, wie es nun mit der Notenpraxis in der Musikschule weitergeht.
Was war geschehen? Bei der Veranstaltung "Klingendes Lohr" im Juli musizierte in der Innenstadt auch ein Instrumentalensemble der städtischen Musikschule. Nach Darstellung von Christian Krauß, Geschäftsführer der VG Musikedition, war dabei "zufällig und privat" ein Mitarbeiter der in Kassel angesiedelten Gesellschaft vor Ort. Er habe bemerkt, dass das Musikschulensemble "fast ausschließlich aus kopierten Noten" spielte.
Deswegen habe man der Stadt im Nachgang "nahegelegt", einen Lizenzvertrag zum legalen Kopieren von Musiknoten abzuschließen, so Krauß. Konkret habe man angeboten, dass sich die Stadt – wie viele andere öffentliche Musikschulen – einem Rahmenvertrag anschließt, den die VG Musikedition bereits vor einigen Jahren mit dem Verband Deutscher Musikschulen geschlossen hat.
Der Vertrag regelt, dass Musikschulen gegen eine an der Schülerzahl bemessene Gebühr in großem Umfang Noten kopieren dürfen. Das kostet pro Vokal- und Instrumentalschüler 7,37 Euro. Für die städtische Musikschule mit ihren rund 529 Schülern würde sich so also eine Jahresgebühr von rund 3900 Euro errechnen.
Stadt will sich momentan nicht äußern
Doch die Stadt habe sich geweigert, einen solchen Lizenzvertrag abzuschließen, schildert Krauß. Deswegen habe die VG Musikedition "pflichtgemäß und zu branchenüblichen Tarifen" eine Rechnung für die Nachlizenzierung gestellt. Ergebnis: Für das einmalige Benutzen der kopierten Noten während des Auftritts beim "Klingenden Lohr" wurden laut Krauß rund 3000 Euro fällig. Den Betrag habe die Stadt mittlerweile bezahlt.
Im Lohrer Rathaus will man sich mit Verweis auf das "laufende Verfahren" nicht zu dem Vorgang äußern. Auch die Musikschulleiterin stehe nicht für ein Gespräch zur Verfügung, so der städtische Pressesprecher Dieter Daus.
Christian Krauß, der Geschäftsführer der VG Musikedition, gesteht, dass er sich darüber gewundert habe, dass die Stadt das Angebot eines Lizenzvertrags zum Kopieren von Noten ausgeschlagen habe. "Damit wäre die Sache für uns erledigt gewesen." Der Pauschalvertrag sei eine "sehr günstige und legale Möglichkeit", kopierte Noten verwenden zu können.
"Das Werk der Komponisten ist zu schützen"
Rund die Hälfte der gut 900 öffentlichen Musikschulen in Deutschland nutze diese Möglichkeit, so Krauß. Bei den übrigen Musikschulen gehe man davon aus, "dass sie sich an geltendes Recht halten", also nur gekaufte Originalnoten verwenden. Das Lohrer Beispiel zeige freilich, dass diese Vorstellung wohl ein "Wunschtraum" sei, sagt Krauß.
Beim Verband Bayerischer Musikschulen fällt die Bewertung des Lohrer Vorgangs ziemlich eindeutig aus: "Das Werk der Komponisten ist zu schützen, das Kopieren von Noten daher verboten. Punkt", sagt Geschäftsführer Wolfgang Greth.
Man weise Musikschulen seit Jahren darauf hin, dass sie entweder nur von Verlagen gekaufte Originalnoten verwenden dürften oder eben einen Lizenzvertrag abschließen müssten. Den Anteil der Musikschulen, in denen stattdessen verbotenerweise kopierten Noten genutzt werden, schätzt Greth auf einen einstelligen Prozentwert.
Greth geht jedoch davon aus, dass künftig immer weniger Musikschulen riskieren, beim Einsatz ohne Erlaubnis kopierter Noten ertappt zu werden. Nicht nur, weil sich Fälle wie der der Musikschule Lohr herumsprechen, sondern auch, weil die VG Musikedition vermehrt kontrolliere, so Greth. Er geht jedenfalls nicht davon aus, dass der Vorfall beim "Klingenden Lohr" Zufall war.
Erster Fall in Bayern
In Bayern ist die Lohrer Musikschule laut Greth bislang die einzige, die beim Einsatz ohne entsprechende Lizenz kopierter Noten ertappt wurde. Bundesweit hingegen gibt es laut Claudia Wanner, Pressesprecherin des in Bonn angesiedelten Verbandes Deutscher Musikschulen (VDM), unter den 933 im VDM organisierten öffentlichen Musikschulen noch einige weitere vergleichbare Fälle.
Das Verständnis für solche Fälle hält sich allerdings auch beim VDM in Grenzen. Man weise die Musikschulen seit Jahren auf die Rechtslage hin und empfehle den Abschluss eines Lizenzvertrags mit der VG Musikedition zu den vergünstigten Konditionen, so Wanner. Die Kosten seien dabei im Vergleich zum Kauf von Originalnoten "deutlich niedriger".
"Nutzungsrechte gelten. Sie sind einzuhalten", sieht auch Wanner keinen Spielraum. Sie betont den Sinn der gesetzlichen Regelung: Musikverlage und Komponisten seien auf die Einnahmen aus dem Verkauf von Noten oder aus den Lizenzverträgen angewiesen. Es sei "nicht fair gegenüber den Komponisten", wenn man versuche, durch das Kopieren von Noten Geld zu sparen, sagt Wanner und zieht einen Vergleich: "Musiklehrer wollen mit ihrer Arbeit ja auch Geld verdienen."
Wie die Lohrer Musikschule künftig mit der Frage der Notenbeschaffung umgehen wird, bleibt angesichts des Schweigens des Rathauses zu dem Fall vorerst offen. Die VG Musikedition indes macht sich nach Aussage ihres Geschäftsführers Christian Krauß Gedanken, wie sie angesichts der Weigerung der Stadt, einen Lizenzvertrag abzuschließen, nun weiter verfährt. Zwar gehe man davon aus, dass sich die städtische Musikschule "künftig rechtskonform verhalten" werde. Womöglich werde man dies aber auch stichprobenartig kontrollieren. Vielleicht ja beim nächsten Klingenden Lohr.
Jeder, aber wirklich jeder, der Musik in der Öffentlichkeit macht (Blaskapellen, Chöre, Orchester, Partybands...) weiß darum.
Wer es trotzdem macht und sich erwischen läßt ist selbst Schuld