Aufatmen war bei den Campern angesagt. Einstimmig entschied der Stadtrat, dass es weiterhin Sanitäranlagen für den Campingplatz beim Freibad geben soll und der Platz somit nicht verlegt werden muss. Aber eigentlich hatten die Camper gar keinen Grund, den Atem überhaupt anzuhalten. Denn laut Bürgermeister Paul Kruck sei nie die Rede davon gewesen, dass der Platz verlegt werden soll. Eine Lösung mit Sanitärräumen im Freibad sei nie vom Tisch gewesen. Schließlich dürfe man sich doch noch Gedanken machen.
Vermutlich hatten die Camper in der vergangenen Bauausschusssitzung einfach nur nicht demütig genug – wie ihnen vom Bürgermeister geraten wurde – dem gesprochenen Wort gelauscht. Da die Sanitärräume für den Campingplatz noch bestehen, kann es zumindest nicht an ungeputzten Ohren liegen, dass die Camper bei der Entscheidungsverkündung verstanden haben, dass der Bauausschuss mehrheitlich gegen Sanitärräume für den Campingplatz im neuen Funktionsgebäude des Schwimmbads gestimmt hat und deshalb der Platz nach Mühlbach ziehen muss. Wahrscheinlich haben sie sich einfach verhört.
Die Camper hätten also auch ohne Toiletten und Duschen weiterhin an Ort und Stelle bleiben können. „Camping ist der Zustand, wenn der Mensch seine eigene Verwahrlosung als Erholung empfindet“, sagte Erwin Pelzig einmal. Glaubt man dem Kabarettisten, sind ein Keramikthron und eine geflieste Nasszelle für einen Camper womöglich ohnehin zu viel Luxus und nicht notwendig.
Dennoch versuchte der Bürgermeister nur, die Camper zu beschwichtigen. Schließlich sollten sich die Gemüter nicht noch weiter erhitzen, woran letztendlich sowieso die Presse und deren verfälschende Berichterstattung schuld sei.
Ein Campingplatz in Mühlbach, im Schatten der Karlsburg hätte jedenfalls ganzjährig für kühle Köpfe gesorgt. Immerhin nahmen sich die Camper vor der Stadtratssitzung ein Beispiel an bekannten (Nacht-)Schattengewächsen und färbten ihre Gesichter durch Rufen und Pfeifen hochrot ein.
Der Demonstrationszug zum Rathaus wird bald auch Motiv in einigen Fotoalben oder sozialen Netzwerken sein. So ein Moment will festgehalten werden. Einige der Camper zückten immer wieder ihre digitale Armverlängerung (ihr Smartphone) und drückten auf den Auslöser. Dabei vergaßen manche von ihnen beinahe, ihre fotokopierten Protestschilder in die Luft zu strecken und zu rufen: „Mühlbach liegt am Arsch der Welt, in Karscht lassen wir unser Geld. Wer will denn schon nach Mühlbach gehen, da wird man nie die Sonne sehen.“ Eventuell kam der einheitliche Beschluss der Stadtratsmitglieder zustande, weil dem einen oder anderen bereits das Gewissen in den Ohren lag – vielleicht waren es aber auch nur die Trillerpfeifen der Camper.
Die Mühlbacher hingegen ließ die ganze Diskussion ziemlich kalt. In den vergangenen Wochen beschwerten sie sich jedenfalls nicht lautstark, dass sie gar keinen Campingplatz bei sich haben wollen. Denn der ganze Schatten will auch erst einmal geteilt werden. Letztendlich sollte man nicht ausschließlich auf die Sonnen-, sondern auch auf die Schattenseiten des Lebens blicken.