Eine Woche lang ging die Angst um in Arnstein – zumindest am Badesee. Bösartige, unterseeische Monster fischten dort im Trüben und verübten heimtückische Angriffe auf unbedarfte Badefreunde. Ziel dieser hinterfotzigen Attacken waren zum Glück nur die Füße der Arglosen.
Gut, es waren lediglich kleine Bisse, nur ein paar Millimeter lang und kaum tief, aber auch hier gilt es den Anfängen zu wehren, schließlich weiß man ja nicht, wie es später weitergeht. Gibt man diesen Viechern die kleine Zehe, so wollen sie irgendwann sicherlich den ganzen Fuß. Da kann man nur froh sein, dass in diesem See das Nacktbaden strengstens verboten ist. Wer weiß, wo das sonst noch hinführen könnte.
Und was sind das wohl für Ungeheuer? Kleine Fische, behauptet irgend so ein Biologe, seien für diese Übergriffe verantwortlich, weil sie ihre Brut am Boden des Sees verteidigen wollen. Fische! Aber welche Fische? Harmlose Guppys, Clownfische oder etwa Hechte, Zitteraale, Muränen und was es im Unterwasser-Gruselkabinett noch so alles gibt?
Andere haben die drei Schildkröten in Verdacht, die dort auch ihr Zuhause gefunden haben. Doch diese weisen alle Schuld kategorisch von sich. Sie seien schließlich ganz normale Sumpf- und keine Schnapp-Schildkröten. Wieder andere vermuten womöglich mystische Ungeheuer auf dem Seegrund und denken dabei an Loch Ness, an die Midgard-Schlange oder gar an Skylla und Charybdis.
In manchen Gewässern hausen ja auch verwunschene Fabelwesen wie Quellnymphen, die dort im Schlamm ihre frühere Schuld abbüßen müssen und jetzt allerhand Schabernack mit den noch Lebenden treiben. Vielleicht gibt oder gab es da den einen oder anderen aus Arnstein, der für diese Rolle geeignet wäre, und Erfahrungen mit Schlamm und Bissigkeiten gemacht hat.
Die Arnsteiner Stadtverwaltung hat in dieser Affäre ganz souverän reagiert. Als gelernte Juristin hat die Bürgermeisterin Anna Stolz Anzeige gegen Unbekannt gestellt und den Wasserbiestern per einstweiliger Verfügung untersagt, den eingezäunten Quarantänebereich unerlaubt zu verlassen. Ein Schild am Ufer belegt das eindeutig. Unbestätigten Informationen zufolge soll aber die Lesefähigkeit dieser Lebewesen doch sehr eingeschränkt sein.
Bis zum Schluss bleibt dennoch die quälende Frage nach den schmählichen Verursachern auf dem Seengrund, dieser liegt ja völlig im Trüben. Vielleicht gibt es doch einen tapferen Arnsteiner Stadtrat, der der Sache wie Friedrich Schillers „Taucher“ auf den Grund geht. Doch sei hier auch auf die Warnung des Dichterfürsten verwiesen: „Der Mensch versuche die Götter nicht. Und begehre nimmermehr zu schauen, was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen!“