Bei Floristen ist der Meistertitel eine Seltenheit. Sabine Schmitt von der Blumenwerkstatt „zweigeteilt“ in Karlstadt hat die anspruchsvolle Fortbildung in der Akademie für Naturgestaltung in Österreich erfolgreich absolviert. Ihr Meisterstück ist die Interpretation einer Shakespeare-Komödie in einer Naturskulptur.
In Waldorfschulen, so lautet die Legende, tanzen die Kinder ihren Namen. Auf der Meisterschule für Floristen – kein Witz – werden Theaterstücke in großformatigen Blumen- und Naturskulpturen wiedergegeben. Nach einer zweijährigen Ausbildung an der Akademie für Naturgestaltung im Stift Zwettl bei Wien hat die 27-jährige Karlstadterin Sabine Schmitt vergangene Woche ihre umfangreiche Meisterprüfung abgelegt. Kernstück des praktischen Teils war, die Figur des Oberon aus William Shakespeares „Sommernachtstraum“ mit floristischen Mitteln nachzuempfinden.
„Gelesen hab' ich das Stück nicht“, gibt Schmitt zu. „Ich habe damit angefangen, aber dann habe ich's mir lieber als Film angeschaut.“ Doch das lässt sich Schmitt nicht anmerken, wenn sie ihre über zwei Meter große Skulptur beschreibt. Über den „Sockel aus Wasser und Licht, der das weibliche Element der Titania verkörpert“ und Oberon, der sich „wie ein Wirbelsturm chaotisch und asymmetrisch erhebt“, dargestellt von den Schlingpflanzen und Waldmaterialien, referiert Schmitt als sei es völlig naheliegend, Weltliteratur in Pflanzensprache zu übersetzen (siehe Video). Die anderen Prüflinge durften sich beispielsweise mit „Nathan, der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing oder Tolstois „Anna Karenina“ auseinandersetzen. Einige der anderen Prüfungsaufgaben – ein Brautstrauß, ein Kranz – waren weniger abstrakt.
„In Deutschland ist der Meistertitel keine Pflicht für Floristen“, erklärt Michaela Kübert, Schmitts Chefin in der Karlstadter Blumenwerkstatt „zweigeteilt“. „Jeder kann einen Blumenladen eröffnen.“ Kübert selbst hat keinen Meistertitel, aber die Befähigung auszubilden. Sabine Schmitt war vor neun Jahren ihr erster Azubi.
Vor zwei Jahren kam die gebürtige Himmelstadterin auf die Idee, den Meistertitel anzustreben – an der Meisterschule Nürnberg. An einem Freitag erhielt sie damals die Absage aus Nürnberg, weil der Kurs dort mangels Interessenten nicht zustande kam. Anstatt abzuwarten, ob es zwei Jahre später beim nächsten turnusgemäßen Start eines Meisterjahrgangs klappen würde, meldete sich Schmitt kurzerhand an der Akademie für Naturgestaltung in der Nähe von Wien an – und musste schon am Sonntag dort anfangen.
In den zwei Jahren des Lehrgangs war sie viermal für je zweiwöchige Ausbildungsblocks an der Akademie. „Da wird auch Samstag und Sonntag unterrichtet“, berichtet Sabine Schmitt. „Und massenweise Hausaufgaben hat Sabine auch bekommen“, ergänzt Michaela Kübert. Stressig und anspruchsvoll sei die Ausbildung gewesen. Was Schmitt in Österreich gelernt hat, hat sie an die Mitarbeiter von „zweigeteilt“ weitergegeben.
Während an anderen Meisterschulen mit künstlichen Farben und Keramik gearbeitet wird oder der wirtschaftliche Aspekt einer Unternehmensführung großen Raum einnimmt, liegt der Schwerpunkt der renommierten Akademie für Naturgestaltung darauf, „die Blüte und das Handwerk“ in den Mittelpunkt zu stellen und auf künstliche Materialien beim Erstellen von Gebinden zu verzichten. „Ich habe wahnsinnig viel über Farben gelernt, über Kontraste und Harmonie“, sagt Schmitt.
16 Frauen und zwei Männer haben in der vergangenen Woche die Meisterprüfung abgelegt, darunter neben Schmitt nur drei Deutsche. Es gab eine fünfstündige schriftliche Prüfung, eine 45-minütige mündliche und insgesamt zehn Stunden praktische Prüfung mit verschiedenen Aufgaben, verteilt auf zwei Tage.
Die Oberon-Skulptur war das Kernstück der Prüfung. Sabine Schmitt ist stolz darauf. Aber sie hat nicht vor, in nächster Zeit einen Hamlet aus Reisig und Nelkenblüten zu basteln.