
Nach neun Jahren Seelsorge im Hochspessart kehrt Pfarrer Manfred Hock nach Lohr zurück, das er 2015 als Kaplan verlassen hat. Er ist seit 1. Oktober Pfarradministrator in der Pfarreiengemeinschaft "12 Apostel am Tor zum Spessart" in Lohr. Im Interview erzählt der Pfarrer, wie er wieder hier angekommen ist, und er spricht über die Tradition des Weihnachtfests:
Für mich persönlich ist es natürlich ein freudiges Fest – weil Jesus Christus geboren ist. Weihnachten ist immer größer gefeiert worden als Ostern, welches für uns Christen theologisch das wichtigere Fest ist. Jesus kam in die Welt, um uns an Ostern zu erlösen. Aber Weihnachten ist natürlich ein Fest, das man seit Kindesbeinen an feiert, auch in der Familie, mit Bräuchen, und das werde ich erst einmal in Gottesdiensten tun, aber dann am zweiten Feiertag auch mit Familie.
Es ist natürlich sehr vielfältig, weil wir 15 Gemeinden und insgesamt 18 Gottesdienstorte haben. Da bin ich natürlich nicht überall selbst, das ist nicht möglich. Aber in vier Gemeinden werde ich das Weihnachtsfest feiern, auch ganz unterschiedlich, sei es hier in der Stadtpfarrkirche oder auch in kleinen Gemeinden. Auch die Art, wie die Gottesdienste gestaltet sind, ist ganz unterschiedlich. Hier in der Stadtpfarrkirche haben wir eine Kantorei, die mitgestaltet. Auch in kleineren Kirchen gibt es Gruppen, die aktiv sind, von der Bläsergruppe, der Blaskapelle über Chöre bis zu Solisten.
Ehrenamtliche haben eine große Bedeutung. Das fängt in der Vorbereitung an. Das ist wie zu Hause auch. Es soll geschmückt werden. Vom Advent wird es dann plötzlich Weihnachten, also sehr viel festlicher. Wir haben eine Krippe, die aufgebaut wird, die auch wächst, indem immer mehr Figuren hinzukommen. Von diesen vorbereitenden Arbeiten abgesehen kommen wir zur Liturgie. Da haben wir Leute, die aktiv sind beim Singen, Orgelspielen, als Lektorin, Lektoren, die aber auch vorbereiten für unsere Kinderkrippenfeiern, die wir fast in jedem Ort haben. Das muss natürlich einstudiert werden, da gibt es teilweise Gewänder, die genäht werden. Also es gibt viel Arbeiten, bei denen man nur das Ergebnis sieht und dass es am Ende ein schönes Fest wird.
Also das, was wir so miterleben, auch was Statistiken zeigen, ist, dass der christliche Hintergrund von Weihnachten immer mehr in den Hintergrund rückt. Für manche ist es einfach nur Urlaub, ein bisschen zur Ruhe kommen, man fährt vielleicht auch weg oder man nutzt die Zeit zu Hause für eine Ruhe ohne Weihnachtsstress. Für den größten Teil ist es ein Fest der Familie, zu dem man sich natürlich Harmonie wünscht, endlich wieder mal zusammenkommen. Ob das immer so funktioniert, möchte ich bestreiten. Wenn man das ganze Jahr über keine Gemeinschaft pflegt, kann es auch in Weihnachtsstress ausarten, wenn dann viele zusammenkommen. Aber das Fest der Liebe, das Familiäre, das Zusammenkommen, denke ich, ist für viele ganz wichtig.
Das Wichtigste ist, wahrzunehmen, dass es Menschen gibt, die einsamer sind. Das zweite ist, dass man versucht, Angebote zu machen für Menschen, die einsamer sind. Das ist bei uns oft schon in der Adventszeit so, wenn sich – oft sind es Senioren, die verwitwet sind – dann zu einer besinnlichen Stunde treffen. Wenn auch der Kindergarten zum Seniorennachmittag kommt, um eine Freude zu bereiten. Ansonsten liegt es auch in der Verantwortung der einzelnen, sich beispielsweise um seine einsame Mutter zu kümmern, der Nachbarin mal Hallo zu sagen oder ihr ein paar Plätzchen zu bringen. Also es gibt viele Möglichkeiten, kleine Zeichen, die für viele Menschen viel wert sind.
Die Herausforderung ist, den wahren Sinn des Weihnachtsfests unter die Menschen zu bringen oder wachzuhalten. Es ist ja nicht so, dass es bei allen keine Bedeutung mehr hat, es gibt viele Menschen, die wirklich intensiv Weihnachten feiern, auch zu Hause in der Familie. Einerseits gilt es diese zu stärken, aber auch andere immer wieder daran zu erinnern, dass es nicht vornehmlich das Fest der Familie ist, dass es schon auch ein Fest der Liebe ist, aber da geht es um die Liebe Gottes, weil Gott zu uns kommt. Man muss generell aufpassen, dass man nicht immer gleich mit der Moralkeule kommt und sagt: "Ihr feiert falsch Weihnachten." Sondern man probiert es über Angebote für verschiedene Zielgruppen – mit Familiengottesdiensten zum Beispiel, wo es auch mal lauter zugeht als bei der Stillen Nacht in der Christmette.
Ich war im letzten Teil des Berufslebens beim Industrieverband VDMA. Man hatte es dort mit Wettbewerbern zu tun, die sich von der Natur her erst einmal nicht unbedingt mögen. Sie hatten trotzdem eine gemeinsame Basis im Verband, weil sie gemeinsame Interessen hatten. Es ging darum, Menschen zusammenzuführen und ein gutes Miteinander zu schaffen. Dieses gute Miteinander ist das, was wir hier auch brauchen – bei aller Unterschiedlichkeit in der Kirche: Es gibt Menschen, die sehr an den Traditionen hängen. Es gibt Menschen, die die Kirche gern revolutionieren würden, sei es inhaltlich, aber auch in der Art, wie man Gottesdienste feiert. Der Pfarrer ist da der Brückenbauer oder derjenige, der sagt: Unser Spektrum ist etwas Tolles im katholischen Leben. Man muss immer davor warnen, dass man denkt, die einen haben recht und die anderen nicht, sondern es gibt verschiedene Formen, das Glaubensleben zu gestalten. Und wenn das aus dem Inneren herauskommt, wenn es eine ehrliche Form ist, dann muss man auch dem anderen zugestehen, dass es eine gute Form ist.
Ich wünsche mir, dass Ehrenamtliche gestärkt werden in dem Mut, Dinge anzupacken aus dem Glauben heraus. Dass wir Angebote bereitstellen, um sie zu fördern, dass wir sie inhaltlich schulen – beispielsweise als Wortgottesleiter, wie wir es in einem Kurs gerade getan haben. Dass sie dann auch eine Sendung bekommen und ihren Platz im kirchlichen Leben finden. Also dieses selbst Anpacken als kleine Gemeinschaft, beispielsweise als kleiner Ort oder als Interessensgruppe, das ist etwas Wichtiges. Aber dazu muss man die Menschen motivieren, dass sie es tun, dass sie ihre Hemmung überwinden. Am besten sage ich: Wir stehen hinter euch, tut es einfach. Natürlich sind dann die Hauptamtlichen gefordert zu unterstützen, aber der Anteil der ehrenamtlichen Arbeit war immer schon sehr groß und ich denke, er wird in Zukunft noch bedeutender werden. Dort, wo Menschen was anpacken, wird es eine lebendige Gemeinschaft sein. Dort, wo der Bedarf anscheinend nicht so groß ist, gibt es eben eine Grundversorgung.
Als Pfarrer sage ich, indem sie geistliche Angebote nutzen und das möglichst nicht erst am Weihnachtstag, sondern schon in der Vorbereitung. Wir haben viele Angebote im Advent, die oft ein bisschen ruhiger sind als das, was wir in der Geschäftswelt erleben. Wie wir es vielleicht auch in einem Betrieb erleben, wo Weihnachtsfeiern ganz anders gestaltet werden als unsere immer noch besinnlichen Angebote. Der Trubel ist einfach größer geworden. Die Weihnachtsmusik, die man wirklich hört in den Wochen und Monaten vor Weihnachten, ist ja keine Adventsmusik, sondern eben schon Weihnachtsmusik, so dass einige dann Weihnachten vielleicht gar nicht mehr so richtig feiern können.
Interessant ist, dass viele den Begriff Advent noch deuten können in "Ankunft" oder diese "Erwartung" auf die Sache, aber in der Umsetzung in der Praxis, dort, wo wir leben, da ist einfach schon Weihnachten – ab Oktober.
Ein weiterer interessanter Aspekt zum Advent ist, dass Menschen heute nicht mehr warten können. Das fängt bei der Online-Bestellung an, am liebsten noch vor Mitternacht und am nächsten Morgen um 10 Uhr ist es im Haus. Oder dass man im Oktober schon einen Nikolaus kaufen kann, dem man wahrscheinlich dem Kind dann auch schenkt. Es ist so, dass wir die Wohnungen schon frühzeitig weihnachtlich schmücken, und ich kenne das noch anders von diesem Warten auf Weihnachten, wo wir gemerkt haben, da wächst auch die Vorfreude. Also dieses nicht warten können ist gleichzeitig mit dem Verlust der Vorfreude verbunden. Und das ist etwas ganz Schreckliches, wenn man sich auf nichts mehr freuen kann, weil es eben gleich da ist. Das Abwarten können ist leider bei vielen verloren gegangen. Es wird schnell was gekauft, es wird schnell was genossen, dann ist es aber auch genauso schnell wieder verloren und verpufft. Ja, und dann kommt schnell das Nächste.