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Rotes Kreuz klagt über Wettbewerbsverzerrung
Unklar ist, ab wann Fahrdienstmitarbeiter bezahlt werden müssen. Nun versucht der Abgeordnete Alexander Hoffmann in Berlin eine Klärung hereizuführen.
Das Rote Kreuz klagt über Wettbewerbsverzerrung im Bereich der Fahrdienste. Thomas Schlott, Sabine Sitter, Edwin Pfeifer und Eberhard Sinner (von links) fordern gleiche Bedingungen für alle Anbieter.
Foto: Wolfgang Dehm | Das Rote Kreuz klagt über Wettbewerbsverzerrung im Bereich der Fahrdienste. Thomas Schlott, Sabine Sitter, Edwin Pfeifer und Eberhard Sinner (von links) fordern gleiche Bedingungen für alle Anbieter.
Wolfgang Dehm
 |  aktualisiert: 01.07.2019 02:11 Uhr

Das Rote Kreuz und andere Wohlfahrtsverbände bieten seit Jahrzehnten Fahrdienste an, das heißt, sie bringen mit ihren Kleinbussen behinderte Menschen tagtäglich zu ihren Einrichtungen und wieder nach Hause. Seit einigen Jahren machen den Wohlfahrtsverbänden jedoch zunehmend Privatanbieter Konkurrenz – die aufgrund günstigerer Preise oftmals den Zuschlag bekommen.

Aus Sicht des Roten Kreuzes kommt es bei der Vergabe von Fahrdiensten seit einigen Jahren zu Wettbewerbsverzerrungen, weil die Mindestlohnvorgaben unterschiedlich interpretiert würden. Aktuell versuche der Bundestagsabgeordnete Alexander Hoffmann auf Bitte des Roten Kreuzes diese Wettbewerbsverzerrung abzustellen, hieß es bei einem Pressegespräch am Mittwoch, an dem die beiden Rotkreuz-Kreisgeschäftsführer Thomas Schlott (Main-Spessart) und Edwin Pfeifer (Miltenberg/Obernburg) sowie der Kreisverbandsvorsitzende Eberhard Sinner (Main-Spessart) und seine Stellvertreterin Sabine Sitter teilnahmen.

Stark vereinfacht zusammengefasst geht es um Folgendes: Normalerweise ist es so, dass die Bezahlung eines Fahrdienstmitarbeiters beginnt, wenn dieser an der Betriebsstätte seines Arbeitgebers mit dem Kleinbus losfährt, um die zu befördernden Personen zu Hause abzuholen und zu ihrer Einrichtung zu bringen. Ende der bezahlten Arbeitszeit ist normalerweise dann, wenn der Kleinbus nach Erledigung des Auftrags an der Betriebsstätte des Arbeitgebers abgestellt wird.

BRK zahlt in der Regel ab Start und Ende am Wortort des Fahrers

Beim Roten Kreuz ist es so, dass die Fahrdienstmitarbeiter die Kleinbusse oft an ihrem Wohnort parken und von dort aus direkt zu den abzuholenden Personen starten. Da dies meist keinen großen Unterschied gegenüber einer Abfahrt an der Betriebsstätte macht, zahle das Rote Kreuz die gesamte Fahrzeit von der Wohnung des Fahrdienstmitarbeiters und wieder zurück. Das Rote Kreuz zahle seinen Fahrdienstmitarbeitern 9,39 Euro in der Stunde, sagte Schlott; der Mindestlohn liege bei 9,19 Euro.

Nachdem das Rote Kreuz in jüngster Zeit Aufträge an private Fahrdienste verloren habe, weil deren Angebote 20 Prozent günstiger gewesen seien, habe man nachgeforscht, wie das sein könne, sagte Schlott. Schließlich habe man herausbekommen, dass die private Konkurrenz ihren Mitarbeitern lediglich die Fahrzeit zwischen Abholung der ersten Person und Ankunft an der Zieleinrichtung bezahle, die als Betriebsstätte ausgegeben werde. Nach Einschätzung des Roten Kreuzes gibt das Mindestlohngesetz dies nicht her.

Schlott, Pfeifer, Sinner und Sitter machten deutlich, dass sie nichts gegen Wettbewerb in dieser Branche hätten, allerdings etwas gegen eine Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedliche Auslegung des Mindestlohngesetzes.

Hilfsorganisationen fordern gleiche Bedingungen für alle

Sie forderten, dass die kommenden Ausschreibungen transparent und unter für alle gleichen Bedingungen stattfinden müssten. Aktuell sei es so, dass faire Mitbewerber wie beispielsweise Malteser, Johanniter oder Arbeiter-Samariter-Bund die gleichen Probleme hätten, wie das Rote Kreuz: sie kämen bei Ausschreibungen selten zum Zug.

Welcher Anbieter genommen wird, darüber entscheidet laut Schlott die Bezirksregierung; bei den Auswahlkriterien spiele vor allem der Preis eine Rolle. Seinen Worten nach hätten viele Einrichtungen lieber einen Wohlfahrtsverband als Partner anstelle eines privaten Anbieters.

Sabine Sitter wies noch darauf hin, dass das günstigste Angebot nicht unbedingt das wirtschaftlichste sein müsse. Eberhard Sinner gab zu bedenken, dass in einem Katastrophenfall auf die Busse des Roten Kreuzes zurückgegriffen werden könne; ziehe sich das Rote Kreuz aber aus den Fahrdiensten zurück, fehlten diese Fahrzeuge im Notfall.

Sowohl in MSP wie in Miltenberg Mitarbeiter verloren

Bei den Fahrdienstmitarbeitern handelt es sich laut Schlott zu 95 Prozent um geringfügig Beschäftigte, die restlichen arbeiteten in Teilzeit. Der Kreisverband Main-Spessart habe derzeit 50 bis 60 Fahrdienstmitarbeiter und 20 Kleinbusse. Bei einem Jahresumsatz von rund 400 000 Euro ergebe sich ein Defizit, das fast im sechsstelligen Bereich liege. In den letzten Jahren habe man rund 50 Mitarbeiter an Mitbewerber verloren, da diese dorthin wechselten, wo es Arbeit für sie gebe.

Der Kreisverband Miltenberg/Obernburg hat laut Edwin Pfeifer aktuell 90 Fahrdienstmitarbeiter und 35 Fahrzeuge. Der Jahresumsatz liege bei 800 000 Euro, das jährliche Defizit bewege sich im fünfstelligen Bereich. Im vergangenen Jahr habe man einen seit 45 Jahren bestehenden Fahrauftrag und 60 Mitarbeiter an einen Privatanbieter verloren.

 
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