Die Spessartforstberechtigten wollen ihre jahrhundertealten Holznutzungsrechte in den Staatswäldern des Spessarts nicht für einen Nationalpark aufgeben oder einschränken lassen. Das wurde am Freitag in der mit 550 Besuchern völlig überfüllten Turnhalle in Weibersbrunn bei einer außerordentlichen Versammlung des Verbandes der Spessartforstberechtigten deutlich. An deren Ende zeigten die Anwesenden einem Nationalpark bei einer symbolischen Abstimmung nahezu geschlossen die „Rote Karte“.
Mit dieser Meinungsbekundung im Rücken will der Verbandsvorsitzende Walter Schreck, Bürgermeister von Weibersbrunn, am 10. Februar in das Infogespräch gehen, zu dem die Bayerische Umweltministerin Bürgermeister und Mandatsträger des Spessarts nach Aschaffenburg eingeladen hat.
Wesentlicher Bestandteil der Versammlung war der Vortrag des Juristen Josef Geislinger. Er hat in einem Gutachten die Frage beleuchtet, inwieweit ein Nationalpark mit dem Fortbestand der Forstrechte in Einklang gebracht werden könnte. Das Gutachten hat nicht der Holzrechtlerverband in Auftrag gegeben, sondern der Staatsforst.
Die jahrhundertealten Forstrechte ermöglichen laut Geislinger rund 60 000 Bewohnern von 28 Spessartgemeinden, in weiten Teilen des Staatswaldes kostenlos Brennholz zu gewinnen. Das Recht ist eng beschränkt auf Tage und Waldabteilungen, die der Forst freigibt. Es gestattet das kostenlose Sammeln von bis zu 88 Zentimeter langen und knapp fünf Zentimeter dicken Prügeln. In den 1970er Jahren machte der Staatsforst den Holzrechtlern auf freiwilliger Basis und jederzeit widerrufbar über die eigentlichen Forstrechte hinaus das Zugeständnis, auch dickeres Holz aufzuarbeiten und dafür die Motorsäge einzusetzen.
Die Ausführungen Geislingers lassen sich so zusammenfassen: Die ursprünglichen Spessartforstrechte haben bis heute Gültigkeit. Es handelt sich um eine ins Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit zwischen Freistaat und Gemeinden, aus der sich für die Bürger ein Nutzungsrecht ergibt. Die Ausübung der Rechte setze Holznutzung im Staatswald voraus, da nur so das Oberholz anfalle, dessen Nutzung den Rechtlern zusteht. Da es in der Kernzone eines Nationalparks keine Holznutzung gebe, seien die Forstrechte mit dem Schutzgebiet „nicht kompatibel“, so Geislinger.
Gegenüber der Redaktion erklärte der Jurist nach seinem Vortrag auf Nachfrage, dass der Staatsforst seiner Einschätzung nach sogar verpflichtet sei, Holzernte zu betreiben, um den Rechtlern die Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen. Rechtlich fixiert sei dies zwar nirgendwo. Aber bei der Vereinbarung der ursprünglichen Rechte sei davon auszugehen gewesen, dass es im Staatswald immer Holznutzung geben werde. Laut Geislinger wäre es nahezu unmöglich, die Rechte gegen den Willen der Rechtler auszuhebeln. Dazu müsse der Staat Enteignungsverfahren gegen jeden einzelnen der rund 60 000 Berechtigten führen. Die Folgerung des Juristen: „Wenn die Rechtler ihre Rechte auch diesmal verteidigen, sehe ich keinen Weg zu einem Nationalpark.“ Diesen Satz quittierte das Publikum mit viel Applaus.
Wie der Verbandsvorsitzende Schreck erklärte, hat das die Ausweisung eines Nationalparks anstrebende Umweltministerium bei einem Gespräch mit ihm betont, dass die Holzrechte selbst im Falle einer Nationalparkgründung nicht angetastet werden. Stattdessen wolle man ein Konzept erarbeiten, das die ortsnahe Brennholzversorgung garantiere.
Demnach habe das Ministerium vorgeschlagen, den Holzrechtlern aus dem Staatswald statt der Baumkronen sogar Stammholz zur Verfügung zu stellen. Das, so Schreck, würde die im Kern nur für dünne Prügel geltenden Holzrechte „schon etwas aufwerten“. Allerdings sei auch von einer Bezahlung des hochwertigeren Holzes zu „marktüblichen Preisen“ gesprochen worden, sagte Schreck zum Schrecken der Holzrechtler. Die machten ihre Meinung am Ende bei einer Abstimmung deutlich: Nein zum Nationalpark, Ja zum uneingeschränkten Fortbestand der Holzrechtepraxis.
Die wenigen Stimmen, die eine andere Meinung vertraten, quittierte das Publikum mit Pfiffen und Buhrufen. Rothenbuchs Bürgermeister Gerd Aulenbach beendete daher schnell seinen Versuch, dafür zu werben, erst einmal auf das konkrete Angebot des Ministeriums zu warten. Ein anderer Rothenbucher appellierte eindringlich, die Gelegenheit für Verhandlungen zu nutzen. Das auf dünne Prügel beschränkte Forstrecht sei im Grunde wertlos und gehe an der heutigen Praxis des Brennholzmachens vorbei. Man solle versuchen, eine zeitgemäßere Lösung rechtlich zu fixieren, sagte der Rothenbucher und erntete immerhin etwas Applaus.
Bevor die Versammlung mit dem Spessartlied endete, führte Schreck mit einem Video einen weiteren Grund vor Augen, wieso er gegen einen Nationalpark ist. Es zeigte einen Saufang, der im Nationalpark als Mittel zur Schwarzwildreduktion dient. Darin werden durch Futter angelockte Wildschweinrotten gefangen und erlegt. Eine Vorstellung, die Schreck, selbst Jäger, erschaudern lässt.