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Hofstetten
Romandebüt: Wie leidet der Junge Werther im 21. Jahrhundert?
Armin Rittel wollte eigentlich einen Science-Fiction-Roman schreiben, doch es kam anders. Im Interview erzählt der Hofstettener, mit welchem Satz ihn Jim Morrison inspiriert hat.
Der Autor mit dem alten und dem neuen Werther
Foto: Jennifer Weidle | Der Autor mit dem alten und dem neuen Werther
Jennifer Weidle
Jennifer Weidle
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:16 Uhr

Armin Rittel (49) ist passionierter Hobbyfotograf, schreinert sein Möbel selber, und hat nun seinen ersten Roman veröffentlicht. Der in Hofstetten lebende Autor arbeitet hauptberuflich im Krankenhaus und erklärt, wie Goethes "Werther" in die heutige Zeit übertrug und wie er es mit einem Team aus Laien geschafft hat, einen Roman zu veröffentlichen.

Frage: Fotografie ist schon lange Ihr Hobby, nun sind Sie auch noch Autor. Was liegt Ihnen näher?

Armin Rittel: Mir ist beides wichtig und auf beide Arten kann ich meine Gefühle ausdrücken: Einmal "beschreibe" ich mit der Kamera, einmal mit Worten. Im Grunde genommen unterscheiden sich nur die Output-Medien. Ich mag es, wenn beides ineinander greift: Gelegentlich schreibe ich für unsere Dienstgemeinschaft, ich verknüpfe dabei meine Fotos mit meinen Gedanken.

Ihre Dienstgemeinschaft, damit meinen Sie ihren Arbeitsplatz?

Rittel: Genau, ich arbeite im Labor im Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt, schon seit 1995. Ich bin Medizinisch-Technischer-Assistent und mache Blutanalysen. Ich bin der, der das Röhrchen mit ihrem Blut bekommt, es dann in diverse Analyse-Geräte steckt und hinten kommen die Werte raus.

Ihr Buch haben Sie zum Teil auch im Krankenhaus geschrieben.

Rittel: Richtig, ich habe teilweise im Nachtdienst geschrieben, wann immer ich eine "kreative Nische" gefunden habe. Ich hatte das Buch online immer dabei. Dieses stückchenweise Arbeiten hat es mir aber besonders schwer gemacht, eine kontinuierliche Erzählstimme zu finden.

Sie haben als absoluter Laie ein Buch geschrieben, wie lange haben Sie daran gearbeitet?

Rittel: Ich habe 2015 mit dem Buch begonnen. In dem Jahr verstarben meine Eltern kurz hintereinander. An dem Punkt wurde mir klar, dass es Zeit ist, damit zu beginnen. 2021 war es dann endlich ferig.

Wie kamen Sie darauf einen Roman zu schreiben?

Rittel: Diesen Traum verfolge ich schon lange. Leider waren meine Versuche eher dilettantischer Natur, zudem fehlte es stets an Durchhaltewillen. Absurderweise war ein Satz aus dem Film "The Doors" die Initialzündung. Jim Morrison wurde darin gefragt, was er sich für sein Leben vorstelle und die lapidare Antwort war: "Fett werden und ein Buch schreiben".

Und dann? Sind Sie fett geworden und haben ein Buch geschrieben?

Rettel: (lacht) Ich habe schon vorher Kurzgeschichten und Gedichte verfasst. Oft versuchte ich darin Gefühle nachvollziehbar darzustellen, also: Warum ist jemand wütend, traurig oder einsam? Was ich letztendlich auch in meinem Roman versucht habe. Das Fettwerden hat allerdings noch nicht geklappt.

Ich kann mir vorstellen, dass man nicht einfach so drauflos schreibt. Wie haben Sie sich auf das Buch vorbereitet?

Rittel: Das Schreiben ist ein Handwerk, das man sich erarbeiten kann. Es gibt Blogger, die im Internet über das Schreiben schreiben. Stichwort: Schreibwerkstatt. Jemand, der mir indirekt sehr viel beigebracht hat, ist Marcus Johanus. Früher hat er über die Technik des Schreibens gebloggt. Heute ist er erfolgreicher Autor und bloggt eher über seine Bücher.

Hinter einem erfolgreichen Romane steht, neben den Schreibenden, ein Team aus Profis: Wie war das bei Ihnen?

Rittel: Meine Frau ist Grundschullehrein und hat korrigiert. Etwa sechs Leute aus meinem Freundeskreis waren eingebunden: Eine Übersetzerin, ein Künstler, eine Diplompsychologin und weitere. Alle haben testgelesen und ich habe das Feedback dann eingearbeitet. Ich finde, für ein Laienteam ist das eine großartige Leistung.

Um ihr Buch zu veröffentlichen, mussten Sie einen Verlag suchen. Welche Optionen hatten sie und wie sind Sie da herangegangen?

Rittel: Ich habe die verschiedenen Möglichkeiten im Internet recherchiert. Bei einem klassischen Verlag hätte es noch länger gedauert; dafür hatte ich keine Geduld. Ich habe mich dann für einen der Self-Publisher entschieden. Hier konnte ich mein Buch, zusätzlich zum eBook, auch als Print Version bekommen – außerdem übernehmen die Einiges an Marketing. Ich mache sowas nicht gerne.

Kommen wir mal konkret zu ihrem Buch. Dieses hat viele Parallelen zu Goethes "Die Leiden des junger Werther", das viele noch aus der Schulzeit kennen. Wie kam es dazu und warum?

Rittel: Eigentlich wollte ich einen Science-Fiction Roman schreiben. Doch ich hatte so einige Ideen im Kopf, die sich zu einem Netz sponnen. Irgendwann fiel mir die Ähnlichkeit zum Werther auf. Ich dachte mir: warum sollte ich nicht versuchen, diesen Stoff als Leitfaden für meine Geschichte zu nehmen.

Ihr Hans Werther ist also der unglücklich verliebte Werther von Goethe. Wie haben Sie es geschafft ihn in unsere Zeit zu holen?

Rittel: Ich wollte Werther zum einen moderner machen und in mein Lebensumfeld – Mitte des Lebens, verheiratet, Kind – holen, aber doch ähnliche Konflikte beschreiben, wie im Original; bis hin zum Selbstmord. Ein wichtiger Schritt war auch, aus dem verhätschelten Bübchen einen Hausmann zu machen – also einen Gegenpol zu bilden. Das habe ich mir sehr bewusst überlegt.

Was hat Sie sonst noch zu ihrer Geschichte inspiriert?

Rittel: Oft spontane und aktuelle Dinge: Weil seinerzeit das Gerücht umging, dass Spielwaren Bauer in Gemünden schließen würde, änderte ich mein Setting vom Secondhand- zum Spielwaren-Laden. Das gab einen neuen Impuls für meine Planung. Hauptsächliche Inspirationsquelle ist das Leben um mich herum, das ich genau beobachte.

Was uns natürlich zu der Frage führt, ob der Roman autobiografisch ist. Ist er?

Rittel: In der Tat, ich bin 49 und eine Midlifecrisis würde gut passen. Ganz so einfach ist es aber nicht. Tatsächlich habe ich einfach ein melancholisches Gemüt. Dadurch habe ich oft einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Ich habe wahnsinnig viele Emotionen; das hilft mir beim Schreiben und Fotografieren.

Was sind Ihre Lieblingsmotive?

Rittel: Besonders mag ich meine Lightpainting-Motive und Makro-Aufnahmen. Ich hoffe immer, dass ich mit meinen Fotos die Herzen der Menschen erreiche, und sie somit darüber zum Nachdenken anregen kann.

Schon viele von Rittels Naturfotos wurden in der Main-Post veröffentlicht.
Foto: Armin Rittel | Schon viele von Rittels Naturfotos wurden in der Main-Post veröffentlicht.
Worüber sollten die Menschen mehr Nachdenken?

Rittel: Über Umweltschutz zum Beispiel. Das Thema liegt mir sehr am Herzen. Ich lebe in einem Passivhaus mit naturnahem Garten. Naturliebe ist mir vom Elternhaus eingeimpft worden: Meine Mama ist mit meiner älteren Schwester und mir jeden Sonntag spazieren gegangen. Das war nur eine Runde ums Dorf, aber wir haben immer ein Feuerchen machen dürfen. Sie hatte Brot dabei, das wir rösten durften. Das ist hängen geblieben.

Ihr Hans überlebt am Ende, im Gegensatz zu Goethes Werther, warum?

Rittel: Ganz ehrlich? Ich wollte ihn eigentlich umbringen, aber er war mir dann zu sehr ans Herz gewachsen. Ich denke, es muss immer einen Hoffnungsschimmer geben.

Zur Person

Armin Rittel wurde 1971 in Hammelburg geboren. Er lebt heute in Hofstetten bei Gemünden, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein Debütroman "Was ich mir mit Dir erträumte" erschien am 8. Februar 2021. Er hat 304 Seiten und ist im Buchhandel erhältlich als eBook, Taschenbuch oder gebundene Version ab 2,99 Euro.
Quelle: jen
 
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