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PFLOCHSBACH
Riesen-Bärenklau – die Zeitbombe tickt auch am Main
Riesen-Bärenklau: Er vermehrt sich rasant, ist schwer zu bekämpfen. Zudem ist er für Menschen buchstäblich brandgefährlich.
Riesen-Bärenklau südlich von Pflochsbach: Bis zu 50 000 Samen kann eine einzige Pflanze produzieren. Etliche Pflochsbacher haben der gefährlichen Pflanze vor Jahren den Kampf angesagt, mit Erfolg. Nur ein Eigner machte nicht mit. Jetzt wuchert die Herkulesstaude etwas südlicher.
Foto: Roland Pleier | Riesen-Bärenklau südlich von Pflochsbach: Bis zu 50 000 Samen kann eine einzige Pflanze produzieren. Etliche Pflochsbacher haben der gefährlichen Pflanze vor Jahren den Kampf angesagt, mit Erfolg.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:02 Uhr

Das ist eine tickende Zeitbombe.“ Dieter Stockmann nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um den Riesen-Bärenklau geht. Herkulesstaude heißt er auch, dieser Einwanderer, den Menschen meiden sollten wie der Teufel das Weihwasser: Denn bei Hautkontakt und Sonnenschein gibt es üble Verbrennungen. Nachvollziehbar, dass Stockmann, im Landkreis eigentlich für Natur- Tier- und Pflanzenschutz zuständig, vor dem Eindringling warnt.

Rechtliche Handhabe fehlt noch

Allein: Stockmann und das Landratsamt sind nicht zuständig. Dem Amt fehlt bis heute eine rechtliche Handhabe. Verantwortlich sind bislang Eigentümer jener Grundstücke, auf denen der Bärenklau wuchert. Der Herkulesstaude Herr zu werden, ist jedoch eine Sisyphos-Aufgabe.

Denn der Doldenblütler samt aus – und das nicht schlecht. Die Samen werden in Bäche und letztlich in den Main gespült, auch von Autoreifen weitertransportiert. Und sie sind vier, fünf Jahre keimfähig. So breiten sie sich aus – seit Jahren.

Die Keimzelle im Landkreis Main-Spessart schlechthin liegt südlich von Pflochsbach. 2006 berichtete die Main-Post von ersten Exemplaren dort. Sieben Jahre später beherrschten die bis zu drei Meter hohen Stauden dort 2000 Quadratmeter. Stockmann schlug Alarm.

Spezialfirma rückte an

Die Eigentümer und Nutzer der Grundstücke wurden hellhörig und nahmen die Herausforderung an. Eingehüllt in Ganzkörperschutzanzüge rückten vor vier Jahren Mitarbeiter einer Spezialfirma den rund 1000 gefährlichen Pflanzen auf den Leib und entfernten die Samenstände. Allein dafür investierten die Pflochsbacher bis zu 20 000 Euro.

Sie räumten Müll weg, rodeten die Fläche, planierten sie, entsorgten problematische Reste und deckten die Fläche ab, um verbliebene Samen und Pflanzenteile zu ersticken. „Wir haben Glück gehabt, dass mit tatkräftiger Hilfe der Grundeigentümer in diesem Bereich keine neuen Pflanzen dazugekommen sind“, lobt Stockmann. „Hut ab, das war eine tolle Aktion! Sie waren wirklich sehr kooperativ. Das verdient unser uneingeschränktes Lob. Wenn wir damals nicht eingegriffen hätten, wär' das inzwischen explodiert. Wir haben es im allerletzten Moment noch geschafft, hier reinzugehen.“ Der „Problembereich 2012/13“ sei damit unter Kontrolle.

Probleme auf Nachbargrundstück

Doch die biologische Zeitbombe tickt andernorts weiter. Direkt im Anschluss, in Richtung Erlach, hat der Bärenklau eine etwa ebensogroße Fläche erobert. Doch bei ihrem Eigentümer und Nutzer biss Stockmann bislang auf Granit: „Da kommen wir nicht unbedingt zurecht“, deutet er an. Zwar hätten diese bei Gesprächen „große Worte geschwungen“. Passiert aber sei nichts. Mittlerweile müsse man dort ebenso vorgehen wie vor sieben Jahren auf der benachbarten Fläche.

Doch könne das Amt die Eigentümerin nicht zwingen: Stockmann zufolge fehlt die Rechtsgrundlage dafür. „Uns sind die Hände gebunden.“ Entsprechende Gesetze würden zwar vorbereitet. Doch könne es noch Jahre dauern, bist diese in Kraft treten. Eine Zusammenarbeit mit den Grundstückseigentümern sei nur auf freiwilliger Basis möglich. Das Amt könne nur aufklären und allenfalls Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.

Wie ein Krebsgeschwür

„Wenn die nichts machen, wird von diesen Stellen aus eine weitere Streuung stattfinden – das ist wie ein Krebsgeschwür. Wenn es nicht restlos ausgemerzt wird, kommt es immer wieder“, warnt Stockmann. Die Pflochsbacher Fläche ist laut Stockmann die derzeit größte mit Herkulesstauden bewachsene im Landkreis. Insgesamt seien dem Amt rund 100 Standorte bekannt, viele davon auf Flächen in öffentlichem Eigentum: auf Bauschuttdeponien und Grüngutlagerstätten, auf denen die Pflanze entsorgt wurde.

Die Samen sind schwimmfähig, werden auch in den Main gespült, weitergetragen. Eineinhalb Kilometer südlich von Pflochsbach, am anderen Mainufer zwischen Neustadt und Rodenbach, auf dem schmalen Uferstreifen zur Staatsstraße 2315 hin, haben noch junge Pflanzen etwa 600 Quadratmeter Wiese erobert.

Ständig neue Hinweise

Dieter Daus, Pressesprecher der Stadt Lohr, reagiert auf Anfrage fast schon genervt auf das Stichwort Bärenklau. „Ständig neue Hinweise“, stöhnt er, Dutzende allein im Stadtgebiet, in der Wöhrde heuer sogar schon im Blühstadium. „Das ist ein Kampf gegen Windmühlen.“

Auf Privatgrundstücken habe der Eigentümer die „Verkehrssicherungspflicht“. Sobald Gefährdungspotenzial erkannt werde, informiere die Stadt den Eigentümer und das Landratsamt. Entlang von Geh- und Radwegen werde sie selbst tätig.

Gefahr im Verzug

So machte es vor zwei Jahren auch schon die Gemeinde Neustadt: Als am Radweg zwischen Neustadt und Rothenfels einzelne Pflanzen auftauchten, wurde der Gemeindearbeiter entsandt. „Da war Gefahr im Verzug“, so Neustadts Bürgermeister Stephan Morgenroth.

Des Imkers Freud' . . .

Am Flussufer unweit des Neustadter Gewerbegebiets aber ist er nicht zuständig, das ist bereits Rodenbacher, also Lohrer Gemarkung. Und Privatgrund dazu. Darüber freuen dürften sich allenfalls Imker, weil ihre Bienen den Nektarreichtum der riesigen Dolden durchaus zu schätzen wissen. Den Anglern, die dort ihre Ruten auswerfen, bleibt zu wünschen, dass sie um die Gefährlichkeit der Pflanze wissen – und sich vorsehen, vor allem bei Sonnenschein.

Der Riesen-Bärenklau, auch Herkulesstaude genannt

Die aus dem Kaukasus stammende Pflanze wurde im 19. Jahrhundert nach Europa eingeschleppt. Seit einigen Jahrzehnten breitet sich die bis zu etwa vier Meter hohe Pflanze immer weiter aus. Jede Pflanze produziert bis zu 50 000 Samen, die schwimmfähig und mehrere Jahre lang keimfähig sind.

Für den Menschen kann die Herkulesstaude gesundheitsgefährdend sein, unter Umständen lebensbedrohlich. Die ganze Pflanze, besonders ihr Saft, enthält Furanocumarine. Bei Berührung und Sonneneinstrahlung können sich nach 24 bis 48 Stunden schwere Hautentzündungen mit starker Blasenbildung entwickeln, Verbrennungen dritten Grades gleich, und führen gelegentlich zu mehrwöchigen Klinikaufenthalten. Sie heilen nur langsam ab und hinterlassen narbenähnliche, strichförmige Hyperpigmentierungen.

Die Bekämpfung der Staude ist schwierig. Die Ausbreitung kann durch das Abschneiden der Samenstände im Juli verhindert werden, allerdings nur mit Schutzkleidung. Daneben gilt das Ausgraben als effektivste Methode.

Über die Herkulesstaude und andere invasive Neophyten referiert Hilmar Keller, Kreisfachberater Gartenbau und Landespflege am Landratsamt am Mittwoch, 18. Oktober, um 19 Uhr im Pfarrheim Ruppertshütten. Er ist erreichbar unter Tel. (0 93 53) 7 93 17 75. rp

 
 
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