Kontaktscheu ist Hilmar Schmitt nicht. Mit den Worten „Ich kenne die Nadine Angerer“, schloss der 69-jährige Rienecker Anfang August Bekanntschaft mit der Trainerin der Gemündener Torfrau der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft. Bundestrainerin Silvia Neid nahm wie 900 andere Fußballlehrer am Internationalen Trainerkongress in Augsburg teil, im Gegensatz zu Schmitt aber zum ersten Mal.
„Perplex“ sei Silvia Neid gewesen, sagt Hilmar Schmitt grinsend, als er ihr erzählte, dass er in seiner Gemündener Zeit Nadine Angerer habe aufwachsen sehen. Ihm ging es in Augsburg aber nicht in erster Linie darum, neue Bekanntschaften mit Prominenten zu schließen oder alte aufzufrischen. Vielmehr ist die dreijährliche Teilnahme am viertägigen Kongress des Bundes Deutscher Fußballlehrer (BDFL) verpflichtend zur Verlängerung des Trainerscheins ab der A-Lizenz aufwärts. Schmitt gehört dem BDFL seit 40 Jahren an und ist außerdem Talentsucher für den 1. FC Nürnberg.
„Neue Trends bei der Europameisterschaft 2012 – Entscheidungskompetenz in Abwehr und Angriff“, lautete das Hauptthema des 55. Kongresses, was Hilmar Schmitt enttäuschte – er hatte sich eine Analyse der Europameisterschaftsspiele der deutschen Mannschaft erhofft, „speziell des Katastrophenspiels gegen Italien“. Aber: „Das traute sich keiner anzusprechen.“ Aufschlussreich und ergiebig waren für ihn hingegen die Aussagen zur Entwicklung der Jugendarbeit im Fußball. „Mehr Pädagogik und Psychologie für erfolgreichen Fußball“ – diese Erkenntnis, die auch Schmitt teilt, setze sich beim DFB durch.
Fast alle Bundesligavereine richten Internate für ihren Nachwuchs ein, um Fußball und Bildung miteinander zu verbinden. Schule und Erziehung müssen wegen der Persönlichkeitsbildung der Spieler Vorrang haben. „Das ist der absolut richtige Weg“, habe Christian Streich, der Trainer der Freiburger Bundesligamannschaft, betont, unterstützt von Volker Finke (Sportdirektor in Köln) und Andreas Rettig (Manager in Augsburg).
Streich berichtete, dem DFB abgesagt zu haben, als der einen Freiburger Jugendspieler zum WM-Qualifikationsspiel geladen habe, da dieser gerade im Abitur stand. Der Abschluss sollte nicht gefährdet werden, weshalb ihn Streich auch vom regulären Training freigestellt habe.
In der Jugendwerbung herrschen teils „makabre Zustände“, weiß Schmitt. Talentsucher seien weltweit unterwegs und versuchen, schon Zehn- bis Zwölfjährige aus ihren Familien zu reißen, um sie an sich zu binden. Wegen übersteigerter Erwartungen der Eltern und der Jugendlichen gelinge das oft. Hilmar Schmitt kennt einen Fall „aus unserer Region“, in dem ein Bundesligaverein einen neunjährigen Jungen zu sich holen wollte – „die Eltern haben das Gott-sei-Dank geblockt“. Der Rienecker fordert: Unter 14 Jahren sollte man die Jugendlichen nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen.
Es gelte, die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Talente zu fördern oder nicht zu stören. Das werde später mit konstanter Leistung im Sport belohnt. Falscher Ehrgeiz der Eltern und die Verlockung des Geldes schaden dem, ist Schmitt überzeugt. Er hält von den Seminaren der sogenannten Fußballschulen nichts.
Ballspiele sollten breiten Raum im Schulsport einnehmen, was die Teamfähigkeit fördere. Wichtig für junge Fußballer sei eine intensive Betreuung vom Trainerteam, vor allem durch den Co-Trainer, der ihnen am nächsten stehe. Der DFB plant laut Schmitt, den Fußballvereinen lizenzierte Trainer als Berater für die Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen.