Schlechte Nachrichten von der Bosch Rexroth AG: Der größte Industrie-Arbeitgeber im Kreis Main-Spessart will an seinem Stammsitz Lohr im Bereich Ventilbau unterm Strich 75 Arbeitsplätze streichen. Der Betriebsrat kündigt Widerstand an.
Die Umstrukturierung soll sich nach Unternehmensangaben über fünf Jahre erstrecken und ohne betriebsbedingte Kündigungen gelingen. Im Laufe des Dienstags wurden rund 500 Mitarbeiter der betroffenen Bereiche über die bevorstehende Veränderung informiert.
Wie Judith Mühlich, Pressesprecherin des Unternehmens, gegenüber dieser Redaktion erklärte, ist der Stellenschwund in Lohr Ergebnis verschiedener Verlagerungen von Produktionsbereichen. Vom Abbau betroffen ist demnach das Werk II in der Partensteiner Straße. In der Kompakthydraulik in Lohr werden demnach 160 Stellen wegfallen, da hier die Fertigung von Einschraubventilen bis Ende 2025 auslaufen und an bereits bestehenden Standorten im weltweiten Fertigungsverbund (Italien, China, USA) gebündelt werden soll.
Bündelung in Lohr
Im Gegenzug zur Verlagerung dorthin sollen in Lohr bis 2025 im Werk I am Rande der Altstadt 85 Stellen im Bereich der Fertigung elektrohydraulischer Ventile aufgebaut werden. Allerdings, so Mühlich, handelt es sich auch hier um eine Verlagerung: Die Stellen, die nach Lohr kommen, entfallen am Rexroth-Standort in Homburg. Ziel sei eine Bündelung dieser Sparte in Lohr, sagt Mühlich. Parallel soll laut Mühlich die Fertigung von einfacheren Industrieventilen bis Ende 2023 an die kostengünstigeren Rexroth-Standorte in Blaj in Rumänien und Wujin in China verlagert werden, wodurch aber keine Stellen wegfallen sollen. In Blaj beschäftigt Rexroth aktuell rund 630 Mitarbeiter, in Wujin rund 700.
Die Umstrukturierung habe verschiedene Gründe. Zum einen spielten natürlich die Kosten eine Rolle, so die Unternehmenssprecherin. Gerade bei der Industriehydraulik gebe es einen hohen Preisdruck und verstärkten Wettbewerb aus Asien. Man spüre laut Mühlich auch die schwächelnde Autoindustrie, beispielsweise in der Form, dass Zulieferer nun verstärkt in den Markt für Bau- und Landmaschinen drängten, um ihre Kapazitäten auszulasten. Ergebnis ist eine Erhöhung des Konkurrenzdrucks auch auf diesen Märkten.
Als einen weiteren Grund nennt Mühlich Handelsbeschränkungen, beispielsweise beim Warenfluss nach China. Um diesen Beschränkungen zu entgehen, verlagere Rexroth Teile der Ventilfertigung nach China. Eine direkte Verbindung zur Corona-Krise gibt es beim nun angekündigten Stellenabbau laut Mühlich hingegen nicht. Die Entscheidung sei unabhängig davon zu sehen. Dazu, wie lange sie im Unternehmen bereits gereift ist, machte die Pressesprecherin keine Angaben.
Abfindungen anbieten
Bei einem Abbau von 75 Stellen verteilt über fünf Jahre müssten rein rechnerisch jedes Jahr 15 Arbeitsplätze entfallen. Mühlich geht davon aus, dass diese Größenordnung sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen zu erreichen ist. Zum einen wolle das Unternehmen Abfindungen anbieten. Zum anderen werde man den in Lohr vom Abbau betroffenen Mitarbeitern den Wechsel in andere Abteilungen anbieten, wobei natürlich die Qualifikation passen müsse. Nach Angaben von Mühlich werde es eventuell auch das Angebot von Umschulungen geben.
Die Leiter der entsprechenden Bereiche haben zusammen mit Vorstandsmitgliedern die Mitarbeiter der in Lohr betroffenen Abteilungen am Dienstag in vier verschiedenen Veranstaltungen informiert. Rund 500 Mitarbeiter seien insgesamt geladen gewesen, so Mühlich. Die letzte Veranstaltung fand am späten Abend in der Nachtschicht statt. Die Belegschaft habe die Botschaft recht ruhig und zunächst ohne große Nachfragen aufgenommen. Diese werde es jedoch sicher noch geben, sagt Mühlich. Die Werksleitung stehe für die Mitarbeiter für Fragen bereit, so die Sprecherin.
"Enttäuscht und entsetzt"
"Die Mitarbeiter sind enttäuscht und entsetzt", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Friedrich am Dienstagabend gegenüber der Redaktion. Der Betriebsrat nehme die Entscheidung "mit Unverständnis zur Kenntnis". Dem Standort Lohr würde mit der Kompakthydraulik "wieder ein wichtiges Standbein genommen". Dies lehne der Betriebsrat ab.
Der Betriebsrat wurde laut Friedrich am Dienstag erst kurz vor der ersten Infoveranstaltung über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt. "Das müssen wir jetzt erst mal verdauen. Dann werden wir unsere Schlüsse ziehen", betonte Friedrich. Man erwarte ein Gesprächsangebot der Geschäftsführung.
Auch aus dem saarländischen Homburg gibt es Gegenwind. Stephan Huber, der Betriebsratsvorsitzende des dortigen Rexroth-Werkes, kündigt im Telefonat an, dass die Belegschaft gegen den Abzug von 160 Stellen nach Lohr "auf jeden Fall kämpfen" werde.
Dass der Standort Homburg bei Umsetzung der Pläne rund ein Drittel seiner aktuell 550 Mitarbeiter verlieren würde, bezeichnet Huber als "Anfang vom Ende" und als "schleichenden Tod". Die Stimmung unter den Homburger Rexröthern sei seit der Verkündung der Schreckensnachricht am vergangenen Freitag "sehr niedergeschlagen".
Mit der Industriehydraulik, zu der die wegfallenden Jobs zählten, habe man in Homburg zuletzt noch Geld verdient. Mit der verbleibenden Mobilhydraulik könne man den Wegfall nicht auffangen. Im Jahr 2002 habe der Rexroth-Standort Homburg noch 1100 Mitarbeiter gezählt, berichtet Huber. Nach dem Abzug der Stellen nach Lohr wären davon nur noch knapp 400 übrig.
Furcht vor weiterer Verlagerung
Die Arbeit, die in Homburg von 160 Mitarbeitern erledigt werde, solle in Lohr von 85 bis 100 geschafft werden, schildert der Betriebsratsvorsitzende das, was ihm erklärt worden sei. Wie das funktionieren solle, wisse er nicht. Er gehe davon aus, dass die jetzt angekündigte Stellenverlagerung nach Lohr "nur ein Zwischenschritt" sei, sagt Huber. Er mutmaßt, dass die nach Lohr abziehenden Arbeitsplätze bald weiter ins Ausland verlagert werden könnten.