Man merkt: Rexroth ist im Gespräch. Auf der Hannover Messe, der bedeutendsten Industriemesse der Welt, wirkt der 550 Quadratmeter große und in blendendem Weiß gehaltene Stand der Lohrer Antriebs- und Steuerungsspezialisten wie ein Magnet. Im Vergleich zu den umliegenden Ausstellungsflächen ist das Gedränge auffallend dicht, rund um die Rexroth-Zylinder, die sich heben und senken, rund um blau-schwarze Motoren und Gehäuse, die sich drehen oder einfach nur stehen.
Besucher aus dem In- und Ausland schauen, deuten, reden. Ob es der frisch verliehene Technologiepreis Hermes Award ist, der sie an den Rexroth-Stand gelockt hat? Möglich. Allerdings vermarktet das Unternehmen die Auszeichnung, die es im großen Rahmen der Messeeröffnung am Sonntag erhalten hat, in Hannover noch eher defensiv.
Dr. Karl Tragl, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens erwähnte den mit 100 000 Euro Preisgeld und reichlich Renommee verbundenen Lohn für die Entwicklung des neuen Softwarekonzepts in seiner Rede während der Rexroth-Bilanzpressekonferenz (wir berichteten am Mittwoch) erstaunlicherweise nur am Rande. Auch auf dem Messestand weisen nur eine dezentes Plakat und die in einer kleinen Vitrine neben einem schlichten Steuerungskasten platzierte Urkunde auf die jüngste Rexroth-Auszeichnung hin.
Dennoch: Das mit dem Hermes Award ausgezeichnete Konzept der offenen Vernetzung der im Maschinenbau zum Einsatz kommenden Rexroth-Steuerungen mit gängigen Programmiersprachen der IT-Welt ist eines der Hauptthemen in den Gesprächen am Rexroth-Stand, an dem rund 60 Mitarbeiter gegenüber den Besuchern Rede und Antwort stehen.
Auch Rexroth-Chef Tragl ist sich sicher, dass sein Unternehmen mit dem Projekt Open Core (Offenes Herz) und der dahinterstehenden Öffnung seiner Steuerungskerne für Kunden einen wegweisenden Schritt getan hat. „Das ist die Zukunft der Automatisierung“, hofft er darauf, dass die neue Rexroth-Technologie seinem Unternehmen einen Vorsprung im Ringen um die Gunst der Kunden bescheren wird.
Entwickelt wurde das Open-Core-Konzept von Software-Experten des in Wombach angesiedelten Geschäftsbereiches Electric Drives & Controls. Dort, im Lohrer Industriegebiet Süd, hat Rexroth erst im vergangenen Jahr einen großen Contaianerkomplex errichtet, um Büroräume für bis zu 100 zusätzliche Softwareentwickler zu schaffen.
Entwicklerausbau soll weitergehen
Trotz der aktuell schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird Rexroth an diesen Ausbauplänen festhalten, sagte Unternehmenssprecherin Jana Ullsperger gegenüber der Main-Post. Die Vernetzung von Softwareentwicklung und Maschinenbau gewinnt zunehmend an Bedeutung. Vor diesem Hintegrund handle es sich bei dem Ausbau in Wombach um ein „strategisches Kernthema, das auch bei schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen vorangetrieben wird“.
Die neuerrichtete „Containerstadt“ im Industriegebiet spielt aktuell aber nicht nur bei der Aufstockung der Entwicklerkapazität eine Rolle. Laut Ullsperger dienen die Büroflächen auch als Ausweichquartier für die geplante Renovierung anderer Büros.
Insgesamt plant Rexroth in näherer Zukunft offenbar einige räumliche Veränderungen. Dass Rexroth den seit 2008 angemieteten ehemaligen BayWa-Markt am Weinbergweg im November räumen wird, ist seit einigen Tagen öffentlich. Darüber hinaus laufen laut Ullsperger derzeit Planungen, wo und in welchem Umfang Rexroth künftig in Lohr Räume anmietet.
Rexroth gibt Freifläche nicht her
Keine Veränderung wird es jedoch auf der großen Freifläche an der Bürgermeister-Dr.-Nebel-Straße geben. Das Areal hatte Rexroth vor einigen Jahren nach langer Vorarbeit der Stadt gekauft, ursprünglich mit der Idee, dort einen großen Bürokomplex zu bauen. Die Wirtschaftskrise 2008/2009 ließ diese Pläne ganz tief in der Schublade verschwinden. Aktuell ist der Neubau eines Bürogebäudes für Rexroth kein Thema mehr, der Verkauf des ungenutzten Areals aber auch nicht. „Flächen, die zwischen unseren Fabriken liegen, haben grundsätzlich strategischen Wert“, begründet Ullsperger das dauerhafte Festhalten von Rexroth an dem Grundstück, das die Stadt damals unter großen Anstrengungen in der Hoffnung auf zügige Bebauung zur Verfügung gestellt hatte.