"Unsere Generation hatte viel Glück", resümiert Albert Hieronimus kurz vor seinem 75. Geburtstag, den er am Mittwoch, 6. April, begehen kann. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Bosch Rexroth AG in Lohr begründet es vor allem so: "Wir durften über 70 Jahre in Frieden leben." Zufrieden blickt der Mathematiker auf ein erfülltes Berufsleben zurück. Zwar war er bereits am 31. Januar 2011 offiziell aus dem Rexroth-Vorstand ausgeschieden, hatte aber bis Mitte letzten Jahres zahlreiche Aufsichts- und Beiratsposten wahrgenommen, darunter drei in Indien.
Nach Lohr wechselte der bärenstarke Rheinländer Mitte 1993, um beim größten Industriebetrieb der Region die Nachfolge des langjährigen kaufmännischen Geschäftsführers Dieter Klingenberg anzutreten. Ab Juli 1997 gehörte er dem Vorstand der Mannesmann Rexroth AG an.
Im Leitungsgremium blieb er auch nach der Übernahme des Lohrer Traditionsunternehmens durch den Bosch-Konzern um die Jahrtausendwende. Zuständig war er dann für das Personalwesen, die Informationsverarbeitung und das Zusammenführen von Rexroth und der Bosch Automationstechnik. Es sei "das Beste gewesen, was uns passieren konnte: von einer so renommierten Firma übernommen zu werden", ist der Jubilar auch heute überzeugt.
Am 1. September 2003 übernahm Rexroths oberster Personalchef den Vorsitz der Geschäftsführung der indischen Bosch-Tochter Motor Industries Company Limited in Bangalore. Der Konzern betraute ihn dort mit der Leitung eines Automobilzulieferers mit über 10.000 Angestellten.
Vor neuen Aufgaben
Als der Rexroth-Vorstandsvorsitzende Manfred Grundke überraschend als geschäftsführender Gesellschafter zur Firma Knauf nach Iphofen wechselte, kehrte Hieronimus zum 1. Februar 2008 als Rexroth-Vorstandschef nach Lohr zurück. Statt bald in den Ruhestand zu gehen, stand der 60-Jährige plötzlich vor einer neuen schwierigen Aufgabe: Seine ganze Sorge galt in der Zeit der Finanzkrise, möglichst viele Beschäftigte der Rexroth-Gruppe zu behalten. Rexroth hatte damals schon über sechs Milliarden Euro Jahresumsatz und mehr als 35.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Kenntnisreich und durchsetzungsstark führte Hieronimus Rexroth souverän, bis Nachfolger Karl Tragl Mitte 2010 den Vorsitz übernahm. Betriebswirtschaftler Hieronimus blieb dann noch über ein Jahrzehnt in Düsseldorf und anderswo beratend tätig und nebenbei ehrenamtlich engagiert. So wie heute noch im Förderverein für das Klinikum Main-Spessart.
Zuvor führte er beispielsweise als Präsident die Deutsch-Indische Gesellschaft in Bombay. "Hiero" ist Ehrenmitglied der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt. Als dienstältestes Rexroth-Vorstandsmitglied fungierte er als stellvertretender Vorsitzender des IHK-Gremialausschusses MainSpessart und übernahm im "Kreistag der regionalen Wirtschaft" den Vorsitz, als Harald Kirsch überraschend starb.
Reisen und Radfahren
"Wir fühlen uns in Lohr wohl", stellt er zusammen mit seiner Frau Margit und mit einem Blick auf den Main aus seinem 2006 erworbenen Haus in den Pflochsbacher "Pfaffenäckern" fest. In ruhiger Umgebung in Lohr, an ihrem früheren Wohnsitz in Kaarst und unterwegs genießen die eben von einer Karibikkreuzfahrt zurückgekehrten Eheleute ihr Leben, ihre Freizeit. Der über 1,90 Meter große Jubilar liest und reist viel und fährt gern Fahrrad und Cabrio.
Albert und Margit Hieronimus hatten 1971 in der Eifel geheiratet und im Juli letzten Jahres ihre Goldene Hochzeit gefeiert. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, und auch zwei Enkelkinder werden zum 75. Geburtstag gratulieren können.
Hieronimus war am 6. April 1947 in Ochtendung bei Mayen geboren worden und auf einem Gutshof in der Nähe von Koblenz sowie in Immenrath in der Vulkaneifel aufgewachsen. Nach dem Abitur in Daun und dem Wehrdienst studierte der Oberleutnant der Reserve ab 1968 in Köln Mathematik, Wahrscheinlichkeitstheorie, mathematische Statistik und später auch Betriebswirtschaft. Nach seinem Abschluss als Diplom-Mathematiker arbeitete Hieronimus als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung an der Universität Köln, wo er 1978 mit einer Dissertation über Entscheidungen bei unsicheren Informationen zum Dr. rer. pol. promovierte.
Am 1. Mai 1978 stieg er als Sachbearbeiter bei der Mannesmann AG in Düsseldorf ein. Der Konzern beschäftigte ihn dann mit der Neustrukturierung der Materialwirtschaft in verschiedenen Geschäftsbereichen der Demag-Gruppe. Mitte 1981 kehrte er als Abteilungsleiter für den Bereich Absatzwirtschaft Maschinen und Anlagen zur Mannesmann AG am Hauptsitz Düsseldorf zurück. Damals knüpfte er Kontakte zu Rexroth und machte seine ersten dienstlichen Besuche in Lohr.
Verbundenheit bleibt
Über die Unternehmensplanung Hüttentechnik rückte er zum Hauptabteilungsleiter Unternehmensplanung der Demag-Gruppe auf, wurde bereits 1987 Direktor und erarbeitete strategische Konzepte für das Wachstum der einzelnen Geschäftsbereiche. 1990 wurde er kaufmännischer Geschäftsführer der Demag-Baumaschinen, deren wichtigster Zulieferer damals die Rexroth-Gruppe war.
Nach Lohr kehrte Hieronimus später in guten wie in krisenhaften Zeiten immer wieder zurück. Der Abstand zu Rexroth ist mit der Zeit größer geworden, aber die Verbundenheit wird noch regelmäßig gepflegt, so beim Stammtisch mit alten Führungskräften.