Dorferneuerung war gestern, Städtebäuförderung ist morgen. Kürzlich wurden Ideen dafür gesammelt. Bei der Auftaktveranstaltung zum Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) waren die Bürger aufgerufen, Stärken und Schwächen in ihrem Retzbach zu benennen. Mit 70 Personen war die Veranstaltung in der Walter-Endrich-Halle gut besucht.
Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Stefan Wohlfart erklärte Betram Wegner vom beauftragten Büro für Stadtplanung aus Veitshöchheim, dass es darum gehe, neue Impulse zu setzen und Retzbach für die nächsten 20 bis 30 Jahre (weiter) zu entwickeln. Letztlich ging es um eine Ideensammlung, aus der das Konzept entwickelt wird, was rund ein Jahr in Anspruch nehmen dürfte. Da Retzbach nach der abgeschlossenen Dorferneuerung neu ins Förderprogramm der Städtebauförderung aufgenommen werden soll, muss auch der Bedarf nachgewiesen werden. Doch auch für Zellingen wird ein ISEK entwickelt, dort ist die Auftaktveranstaltung am 11. Oktober.
Zum Konzept gehört eine vorbereitende Untersuchung (Bestandsaufnahme), die durch das Büro erfolgt. Dabei wird ein Sanierungsgebiet festgelegt, in dem die Gemeinde erweiterte Rechte hat und es bessere Fördermöglichkeiten gibt.
Bundesstraße hat eine trennende Wirkung
Für die Ideensammlung erklärte Franziska Klose, dass es um insgesamt vier Bereiche geht. Ihr selbst war aufgefallen, dass die geschlossene Bauweise das Ortsbild im Kern von Retzbach prägt und die Bundesstraße eine trennende Wirkung hat. Trotz des deutlichen Durchgangsverkehrs in Richtung Retzstadt und Gramschatz gebe es ein Geschäft der Nahversorgung annähernd in der Ortsmitte. Nicht zu vergessen sei die schöne Lage am Main und der Weinort.
Danach hatten alle Anwesende rund eine halbe Stunde Zeit, aus ihrer Sicht Stärken und Schwächen zu benennen. Dafür lagen Stifte und Kärtchen bereit, die an acht große Pinnwände gehängt wurden. Wie es für solche Veranstaltungen typisch ist, wurden deutlich mehr Schwächen benannt.
Beim Bereich "Freizeit, Grün, Natur, Klimaschutz" stand oft die Gestaltung der Mainlände auf den Kärtchen. Zum Beispiel mit Sportmöglichkeit (Trimm-Dich-Pfad), Bänken und Liegen, Grillplatz, öffentlichen Toiletten oder einem Biergarten. Bemängelt wurden aber auch unzureichende Beschilderungen für Touristen, dass es keinen Jugendtreff gibt und keine einladenden Plätze. Bei den Stärken wurde hier mehrfach der Gesundheitsgarten samt Kneipp-Becken genannt, außerdem die schönen Wanderwege, die Natur und die Winzerhütte.
Apotheke und Bäcker im Ort fehlen
Im Bereich Nahversorgung, Handwerk, Gewerbe, Soziales und Kultur fehlen mehreren Bürgern eine Apotheke und ein Bäcker im Ort. Gewünscht wurden der Erhalt fußläufiger Einkaufsmöglichkeiten im Ort, der ortsbezogene Weiterbetrieb der Benediktushöhe, mehr Spielplätze im Altort und die Förderung des Tourismus. Dazu gehörte, den Traidelweg nach Thüngersheim wiederherzustellen oder eine Eisdiele. Andererseits wurde die gute Nah- und Lebensmittelversorgung als Stärke gelobt, auch die Ärzte inklusive Zahnarzt. Geschätzt wird auch das Vereinsleben samt Festen und die Heckenwirtschaften.
Besonders viele Kärtchen wurden für Mobilität, Verkehr, Barrierefreiheit, Straßen und Plätze ausgefüllt. Neben dem Rügen von Verkehrsaufkommen und zu schnellen Fahren wurde eine Einbahnregelung für die Oberdorfstraße genannt. Dem Bahnhof fehle die Barrierefreiheit, der Treppenaufgang zur Bahnhofstraße sei schmuddelig und gefährlich. Der Bahnhof mit hoher Frequenz und künftigem Treppenturm zur Brücke wurde auch gelobt, ebenso die Alte Mainbrücke als autofreie Verbindung nach Zellingen. Zu schätzen wissen einige auch Blumenschmuck, Maibaum und Weihnachtsdeko.
Gelobt wurde das alte Rathaus und sanierte Denkmäler
Beim Bereich Bauen, Wohnen, Bausubstanz und Denkmalschutz stand auf den Kärtchen der schlechte Zustand vieler Baudenkmäler, ungenutzte Bauplätze und Bauwerke (alte Schule) sowie der Denkmalschutz generell. Als Stärke gelobt wurden das alte Rathaus und sanierte Denkmäler, gut erhaltene Kirchen sowie der Neubau des Kindergartens zentral im Ort.
Nach der Ideensammlung gab es Wortmeldungen. Ein Bürger meinte, oft hemmten nicht Denkmalschutzauflagen eine Sanierung, sondern überforderte Eigentümer, die nicht verkaufen wollen. Auch wurde gewünscht, die Lärmschutzwand an der Bahn wieder abzubauen, weil sie hässlich und wenig effektiv sei.
Das Büro Wegner Stadtplanung wird jetzt die Wünsche und Ideen bündeln und nach dem Auftakt für Zellingen einen Fragebogen erstellen, der im Mitteilungsblatt veröffentlicht wird. Darauf werden die Bürger auch markieren können, wo sie den Mittelpunkt ihres Ortes sehen.