Elena Völker aus Rodenbach wird vermisst. Das letzte Lebenszeichen, das es von der 14-Jährigen gibt, ist ein dunkelgrauer Stoffschal, den ein Mann auf einer Bauschuttdeponie bei Marktheidenfeld gefunden hat. Die Hoffnungen ruhen auf Joker, einem Rettungshund der Rasse Rhodesian Ridgeback, der das Mädchen mit Hilfe seines feinen Geruchssinns wiederfinden soll.
Carsten Kohls von der Rettungshundestaffel Würzburg/Mainfranken ist zuversichtlich, dass sich Elena noch in der näheren Umgebung befindet. „Wir haben etwa zwölf solcher Fälle im Jahr“, erzählt der Staffelleiter aus Frammersbach, der das 14-köpfige Team aus Main-Spessart, bestehend aus sieben Sanitätern und ebenso vielen Rettungshunden, anführt.
Der Schal dient als perfekter Anhaltspunkt: Durch ihn soll Rettungshund Joker den Körpergeruch von Elena aufnehmen und ihre Spur zurückverfolgen. Dass Elena dabei wohlbehalten, aber gut versteckt, unter einem Schutthaufen darauf wartet, gefunden zu werden, ist Teil der heutigen Übung zum sogenannten Mantrailing, einer Personensuche unter Einsatz von Hunden. An der Leine von Hundeführerin Alex Pawliki schnuppert sich der Vierbeiner von einem Eck ins andere. Die Spur führt ihn zu Elenas Versteck, dem großen Schutthaufen mitten auf der Deponie.
Hier beginnt der Job von Trümmersuchhund Anouk. Der Hund der Rasse Magyar Vizsla ist kleiner und wendiger und dadurch für die Suche im Schutthaufen besser geeignet. Ruckzuck hat Anouk den Berg erklommen. Er bellt, wieder und wieder. Kein Zweifel, hier muss Elena sein. Und tatsächlich: Unter Schutt und Asche begraben liegt sie.
Zwar war die Suche nur eine Übung; gleichwohl glich es in weiten Teilen der Realität, was ein Dutzend Leute an diesem Wochenende in Eichenfürst zu sehen bekamen. Das erste Ziel des Tages, Elena zu finden, hatte man erreicht. Das zweite Ziel ist langfristiger: Die Rettungshundestaffel hatte auch zu dem Schnuppertraining eingeladen, um neuen Nachwuchs für ihre Gruppe zu finden.
„Prinzipiell ist jeder bewegungsfreudige Hund als Rettungshund geeignet“, erklärt Ausbilderin Angelika Kohls. Einzige Einschränkung: „Der Hund darf, wenn er mit der Ausbildung beginnt, nicht älter als fünf Jahre sein.“ Denn diese dauere je nach Lernfortschritt zwischen ein und zwei Jahren – die Prüfung zum Rettungshund müsse er aber spätestens nach dem sechsten Lebensjahr bestanden haben.
Neben dem Mantrailing hat ein Rettungshund zwei weitere Aufgaben: Er kann auch als Flächen- oder Trümmersuchhund eingesetzt werden. „Bei der Flächensuche muss das Team im unwegsamen Gelände oder in großen Waldflächen nach vermissten Personen suchen und für diese medizinische Hilfe in die Wege leiten“, erläutert Kohls. Die Hunde würden dabei so ausgebildet, dass sie ein Gelände auf menschliche Witterung hin durchstöbern. Typische Einsätze seien die Suche nach vermissten Kindern oder verwirrten älteren Personen. „Bei einem vermuteten Verbrechen werden Rettungshundestaffeln aber in der Regel nicht eingesetzt.“
Die Arbeit als Trümmersuchhund, die überwiegend in Erdbebenkrisengebieten, aber auch nach Gasexplosionen notwendig ist, gestaltet sich besonders schwierig: „Der Hund muss hierbei die menschliche Witterung aus einer Vielzahl anderer Gerüche herausfiltern und Opfer auffinden, die unter meterdicken Trümmerschichten begraben sein können.“
Dass er dafür ein gutes Näschen braucht, versteht sich von selbst: Ein Schäferhund beispielsweise hat 220 Millionen Riechzellen – das sind 44 Mal so viele wie beim Menschen, der mit fünf Millionen auskommen muss. Ein weiteres wichtiges Merkmal: „Rettungshunde sind intelligent ungehorsam“, sagt Kohls, „wenn sie merken, dass sie kurz vor dem Ziel sind, müssen sie sich ihrem Hundeführer, der sie eventuell zurückruft, auch widersetzen können.“
Bei all den Anforderungen ist ein akribisches Training unabdingbar: Zweimal in der Woche üben Kohls und Co. mit ihren Tieren. Trainiert wird überwiegend in Main-Spessart. Während dienstags der Grundgehorsam, also die Unterordnung des Hundes, auf dem Plan steht, geht es am Wochenende raus in den Wald, auf eine Bauschuttdeponie oder in ein leer stehendes Gebäude. „Jeder Hundebesitzer bildet seinen Hund selbst aus“, betont Kohls, „wir helfen nur dabei und bieten die Rahmenbedingungen.“
Auch Leute, die keinen Hund haben, sind herzlich willkommen: „Es besteht die Möglichkeit, sich als Sanitätshelfer ausbilden zu lassen.“ Die Ausbildung ist kostenlos und wird vom Arbeiter-Samariter-Bund übernommen.
Wer Interesse hat, bei der Rettungshundestaffel Würzburg/Mainfranken mitzumachen, egal ob mit oder ohne Vierbeiner, wendet sich an Staffelleiter Carsten Kohls, entweder telefonisch unter Tel. (0151) 53 06 79 90 oder per E-Mail an asb-rettungshunde-msp@gmx.de