Für eine mit 800 Genossenschaftsmitgliedern der Raiffeisenbank Main-Spessart voll besetzte Scherenberghalle sorgte am Montagabend Reinhold Messner, die Bergsteigerlegende aus Südtirol. Direktor Helmut Kraft begrüßte den prominenten Referenten und die Gäste, unter ihnen Landrat Thomas Schiebel und Bürgermeister Georg Ondrasch.
Kaum auf der Bühne, zieht der wortgewandte Extrembergsteiger, Abenteurer und Buchautor die Zuhörer in seinen Bann. Obwohl Wuschelkopf und Vollbart mittlerweile leicht ergraut sind, vermittelt der 69-Jährige immer noch die Faszination, die von seinen Expeditionen ausgehen. Dabei wird es in den zwei Stunden seines frei gehaltenen, mit wenigen markanten Bildern unterlegten Vortrags keine Sekunde langweilig.
Nüchterne Analyse
Selbstbeweihräucherung ist Messners Sache nicht, eher die nüchterne Analyse der Grundlagen seines Erfolgs, wie die akribische Vorbereitung auf die Besteigung eines Achttausenders: „Man muss wissen, wo der Berg steht, das heißt, man muss ein Ziel haben und sich vorher intensiv damit befassen.“ Dabei lässt er auch Rückschläge und Misserfolge nicht aus. Der erste Mensch, der in den 1970er und 1980er Jahren alle 14 Achttausender der Welt ohne Sauerstoffgerät erklommen hat, erzählt, dass rund ein Drittel seiner Versuche scheiterte. Allerdings habe er beim Scheitern jeweils mehr gelernt als bei Erfolgen. Das Bergsteigen habe er in jungen Jahren spielerisch gelernt, es sei in der Nachkriegszeit im eher armen Südtirol eine natürliche, sportliche Betätigung gewesen. Die Kinder kletterten über Steine und Felsbrocken.
Mit fünf Jahren stand er zum ersten Mal mit seinen Eltern auf einem Dreitausender, mit 20 begeisterte ihn das Felsklettern, wo es auf jede kleine Ritze oder Rauheit im Stein ankommt. Nachdem ihm einige erfrorene Fußzehen amputiert werden mussten, wechselte er zum Höhenbergsteigen, „in eine andere Welt.“
Messner berichtet von Expeditionen mit 50 Mann und Hunderten von Sherpas, die als Träger tonnenweise Material und Sauerstoffflaschen mit sich führten, bis einige wenige die Gipfel der höchsten Berge erreichten. Mit Bernd Habeler habe er 1978 als Erster den Mount Everest ohne Sauerstoff bestiegen und damit neue Wege aufgezeigt. Voraussetzung war, sich vier Wochen lang an die Höhe zu gewöhnen, dann ging es mit nur leichter Ausrüstung schneller nach oben. Dieses Vorgehen habe das Höhenbergsteigen revolutioniert, es leichter, schneller und erfolgreicher gemacht. So war es möglich, wegen geringerer Kosten in kürzerer Zeit mehr Aktionen zu starten.
Messner gibt einen Einblick in die Situation am Everest 1978. Der erste Versuch mit Habeler und einigen anderen war gescheitert. „Am 8. Mai bei 40 Grad minus und Sturm gingen wir trotzdem los, um das sich schließende Zeitfenster zu nutzen.“ Es war die einzige verbliebene Chance: „Die letzten 200 Höhenmeter waren die schwierigsten, weil man immer langsamer wird. Da hieß es, die letzte Willenskraft zu mobilisieren.“ Generell sei die mentale Kraft wichtiger als Muskelkraft, stellt Messner fest. Und: „Wenn man bei einem großen Projekt wartet und zögert, wachsen die Ängste.“ Für ihn war das ein Schlüsselerlebnis: Wenn der Everest nach dieser Methode besteigen werden konnte, dann müsste sie das bei den anderen Achttausendern auch gehen – was sich bewahrheitete.
Wechsel in die Horizontale
Mit 40 Jahren wechselte Messner „von der Vertikalen in die Horizontale“ und durchquerte mit Arved Fuchs 1989/1990 in 92 Tagen die Antarktis, später durchschritt er Grönland und schließlich die Wüste Gobi. Die Durchquerung der Arktis von Sibirien nach Kanada scheiterte am Packeis. Messner, der auch fünf Jahre für die italienischen Grünen im Europaparlament saß, stellt den Bezug zu den Banken her: „Es gibt nur zweimal Chaos auf der Welt. Das ist das Packeis und das sind die Finanzmärkte.“
Nachdem Messner Fragen aus dem Publikum beantwortet hat, signiert er Bücher und Autogrammkarten. Einige der Autogrammjäger erinnern ihn an den ersten Besuch in Gemünden vor genau 13 Jahren. Sie zeigen Fotos von damals, auf denen der sportliche Südtiroler genauso aussah wie heute – bis auf die jetzt etwas hellere Haarfarbe.